Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

die zu große Körperschwere erhalten, der das geübteste Auge,
besonders in der Rolle, erfordert, um zu sehen, daß er sie
ganz Prinz spielte: so modern und gut erzogen als möglich,
mit all der Behaglichkeit, in dem Zurückhalten, welche solche
Erziehung und solch ein Leben nur geben kann. Er war so
tauschend in seinem Benehmen, daß er mich in die größte
Rührung und Emotion versetzte, so ähnlich war es dem all
unserer Prinzen; und wegen der Herzlichkeit der Rolle, und
den Verlegenheiten, die sie in der Stellung des Fürsten gegen
den rechtlichen Gouverneur mit sich führt, Prinz Louis Situa-
tion und Betragen so ähnlich, daß ich zu vergehen glaubte.
Er war ganz wie unsere Prinzen angezogen, und auch in der
Körperhaltung wie sie!! -- Er spielte tausendmal besser als
sonst, und mit täuschender Eingebung und Natur. Nur die
Jugendlichkeit mißte man: und das ich, in deren Phantasie
sie schwerer schwindet; und das nur, weil er an seinem Ver-
fall schuld ist. Durch Tabackrauchen, und verbürgertes, ver-
nachlässigtes, unelegantes Leben außer der Bühne. Nichts
macht alt, als das Einwilligen darin, Vernachlässigung der
Jugend; und Mangel an ewiger Eleganz: man kann nicht
nur Abends um 6 ein Künstler sein -- Volk! -- man muß
es den ganzen Tag sein; besonders wenn wir die Kunst in
unserer eignen Person vortragen sollen. Große Gage! große
Gage! wie in Frankreich, in England, und unter dem Kö-
nige
Friedrich dem Zweiten!! Liebich spielte sehr gut: leider
aber wußte ich diesmal jedes Wort noch von Fleck; wie er's
in der ganzen Liebenswürdigkeit seiner persönlichen Blüthe
vortrug! "Refüsirt!" schrie der Gott! wie ein Engel. Und

die zu große Körperſchwere erhalten, der das geübteſte Auge,
beſonders in der Rolle, erfordert, um zu ſehen, daß er ſie
ganz Prinz ſpielte: ſo modern und gut erzogen als möglich,
mit all der Behaglichkeit, in dem Zurückhalten, welche ſolche
Erziehung und ſolch ein Leben nur geben kann. Er war ſo
tauſchend in ſeinem Benehmen, daß er mich in die größte
Rührung und Emotion verſetzte, ſo ähnlich war es dem all
unſerer Prinzen; und wegen der Herzlichkeit der Rolle, und
den Verlegenheiten, die ſie in der Stellung des Fürſten gegen
den rechtlichen Gouverneur mit ſich führt, Prinz Louis Situa-
tion und Betragen ſo ähnlich, daß ich zu vergehen glaubte.
Er war ganz wie unſere Prinzen angezogen, und auch in der
Körperhaltung wie ſie!! — Er ſpielte tauſendmal beſſer als
ſonſt, und mit täuſchender Eingebung und Natur. Nur die
Jugendlichkeit mißte man: und das ich, in deren Phantaſie
ſie ſchwerer ſchwindet; und das nur, weil er an ſeinem Ver-
fall ſchuld iſt. Durch Tabackrauchen, und verbürgertes, ver-
nachläſſigtes, unelegantes Leben außer der Bühne. Nichts
macht alt, als das Einwilligen darin, Vernachläſſigung der
Jugend; und Mangel an ewiger Eleganz: man kann nicht
nur Abends um 6 ein Künſtler ſein — Volk! — man muß
es den ganzen Tag ſein; beſonders wenn wir die Kunſt in
unſerer eignen Perſon vortragen ſollen. Große Gage! große
Gage! wie in Frankreich, in England, und unter dem Kö-
nige
Friedrich dem Zweiten!! Liebich ſpielte ſehr gut: leider
aber wußte ich diesmal jedes Wort noch von Fleck; wie er’s
in der ganzen Liebenswürdigkeit ſeiner perſönlichen Blüthe
vortrug! „Refüſirt!“ ſchrie der Gott! wie ein Engel. Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0221" n="213"/>
die zu große Körper&#x017F;chwere erhalten, der das geübte&#x017F;te Auge,<lb/>
be&#x017F;onders in <hi rendition="#g">der</hi> Rolle, erfordert, um zu &#x017F;ehen, daß er &#x017F;ie<lb/>
ganz Prinz &#x017F;pielte: &#x017F;o modern und gut erzogen als möglich,<lb/>
mit all der Behaglichkeit, in dem Zurückhalten, welche &#x017F;olche<lb/>
Erziehung und &#x017F;olch ein Leben nur geben kann. Er war &#x017F;o<lb/>
tau&#x017F;chend in &#x017F;einem Benehmen, daß er <hi rendition="#g">mich</hi> in die größte<lb/>
Rührung und Emotion ver&#x017F;etzte, &#x017F;o ähnlich war es dem all<lb/>
un&#x017F;erer Prinzen; und wegen der Herzlichkeit der Rolle, und<lb/>
den Verlegenheiten, die &#x017F;ie in der Stellung des Für&#x017F;ten gegen<lb/>
den rechtlichen Gouverneur mit &#x017F;ich führt, Prinz Louis Situa-<lb/>
tion und Betragen &#x017F;o ähnlich, daß ich zu vergehen glaubte.<lb/>
Er war ganz wie un&#x017F;ere Prinzen angezogen, und auch in der<lb/>
Körperhaltung wie &#x017F;ie!! &#x2014; Er &#x017F;pielte tau&#x017F;endmal be&#x017F;&#x017F;er als<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t, und mit täu&#x017F;chender Eingebung und Natur. Nur die<lb/>
Jugendlichkeit mißte man: und das ich, in deren Phanta&#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chwerer &#x017F;chwindet; und das nur, weil <hi rendition="#g">er</hi> an &#x017F;einem Ver-<lb/>
fall &#x017F;chuld i&#x017F;t. Durch Tabackrauchen, und verbürgertes, ver-<lb/>
nachlä&#x017F;&#x017F;igtes, unelegantes Leben außer der Bühne. Nichts<lb/>
macht alt, als das Einwilligen darin, Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung der<lb/>
Jugend; und Mangel an ewiger Eleganz: man kann nicht<lb/>
nur Abends um 6 ein Kün&#x017F;tler &#x017F;ein &#x2014; <hi rendition="#g">Volk</hi>! &#x2014; man muß<lb/>
es den ganzen Tag &#x017F;ein; be&#x017F;onders wenn wir die Kun&#x017F;t in<lb/>
un&#x017F;erer eignen Per&#x017F;on vortragen &#x017F;ollen. Große Gage! große<lb/>
Gage! wie in Frankreich, in England, und unter dem <hi rendition="#g">Kö-<lb/>
nige</hi> Friedrich dem Zweiten!! Liebich &#x017F;pielte &#x017F;ehr gut: leider<lb/>
aber wußte ich diesmal jedes Wort noch von Fleck; wie er&#x2019;s<lb/>
in der ganzen Liebenswürdigkeit &#x017F;einer per&#x017F;önlichen Blüthe<lb/>
vortrug! &#x201E;Refü&#x017F;irt!&#x201C; &#x017F;chrie der Gott! wie ein <hi rendition="#g">Engel</hi>. Und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0221] die zu große Körperſchwere erhalten, der das geübteſte Auge, beſonders in der Rolle, erfordert, um zu ſehen, daß er ſie ganz Prinz ſpielte: ſo modern und gut erzogen als möglich, mit all der Behaglichkeit, in dem Zurückhalten, welche ſolche Erziehung und ſolch ein Leben nur geben kann. Er war ſo tauſchend in ſeinem Benehmen, daß er mich in die größte Rührung und Emotion verſetzte, ſo ähnlich war es dem all unſerer Prinzen; und wegen der Herzlichkeit der Rolle, und den Verlegenheiten, die ſie in der Stellung des Fürſten gegen den rechtlichen Gouverneur mit ſich führt, Prinz Louis Situa- tion und Betragen ſo ähnlich, daß ich zu vergehen glaubte. Er war ganz wie unſere Prinzen angezogen, und auch in der Körperhaltung wie ſie!! — Er ſpielte tauſendmal beſſer als ſonſt, und mit täuſchender Eingebung und Natur. Nur die Jugendlichkeit mißte man: und das ich, in deren Phantaſie ſie ſchwerer ſchwindet; und das nur, weil er an ſeinem Ver- fall ſchuld iſt. Durch Tabackrauchen, und verbürgertes, ver- nachläſſigtes, unelegantes Leben außer der Bühne. Nichts macht alt, als das Einwilligen darin, Vernachläſſigung der Jugend; und Mangel an ewiger Eleganz: man kann nicht nur Abends um 6 ein Künſtler ſein — Volk! — man muß es den ganzen Tag ſein; beſonders wenn wir die Kunſt in unſerer eignen Perſon vortragen ſollen. Große Gage! große Gage! wie in Frankreich, in England, und unter dem Kö- nige Friedrich dem Zweiten!! Liebich ſpielte ſehr gut: leider aber wußte ich diesmal jedes Wort noch von Fleck; wie er’s in der ganzen Liebenswürdigkeit ſeiner perſönlichen Blüthe vortrug! „Refüſirt!“ ſchrie der Gott! wie ein Engel. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/221
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/221>, abgerufen am 24.11.2024.