erblaßte; in Blick und Mienen. Göttlich! Mad. Brunetti war weiß mit rosenrothem Atlasband; und spielte weiß mit rosenrothem Atlasband: wie immer. Mad. Liebich gut; doch auch die Döbbelin ehmals besser, nüanziger; gekränkter. Das Ganze war aber sehr gut, und durchaus unterhaltend, für mich ist das viel; wissen Sie. Schröder, als Verlobter der Rosenrothen, so gränzen los schlecht, daß er durchaus ein In- termezzo war. Wie Einer von einer solchen Winkelgesellschaft, die sich in Klüften aufhält; wo auch Bäder sind: und wo man vorbei reist, wenn man nach Pyrmont, Aachen, oder derglei- chen, fährt! und als wäre er einst Springer gewesen: und hätte da immer die Zwischenreden gehalten. Wie konnte die Schröder daneben nur spielen! Gestern spielte sie im Vehm- gericht die Verbrecherin. Wundergöttlich: die sanften Stellen aber nach-ti-gall-te sie gedehnt, leise und rührig ab! -- welcher tiefer, finsterer, grober Irrthum! Ihr Talent und ihre Eingebungen sind aber so stark, daß sie sich mitten in solchen langweiligen Momenten, mit den schönsten Ausbrüchen von Spiel, Ton, und Einfällen, selbst unterbrach. Pübliküm- chen wußte von allem nicht; applaudirte, rief heraus; dafür ist's nicht bezahlt, aber es bezahlt. Sie war erst in grauem Sammt, mit Schwarz und Weiß besetzt; dann ein grautaft- nes Nachtkleid, und Nachthaare -- herunter; dann weiß: mit einem Wittwen-Kopfputz mit drei Spitzen im Gesicht und einem Musselinschleier herab. Die Mad. Löwe erst wie eine rothe Kartendame angezogen: dann Battistmusselin, ganz weiß, altdeutsch, gut gemacht. Doch demoisellig: sehr vermagert. Gespielt wie jede Rolle: und ungeheuer gegen die Schröder
erblaßte; in Blick und Mienen. Göttlich! Mad. Brunetti war weiß mit roſenrothem Atlasband; und ſpielte weiß mit roſenrothem Atlasband: wie immer. Mad. Liebich gut; doch auch die Döbbelin ehmals beſſer, nüanziger; gekränkter. Das Ganze war aber ſehr gut, und durchaus unterhaltend, für mich iſt das viel; wiſſen Sie. Schröder, als Verlobter der Roſenrothen, ſo gränzen los ſchlecht, daß er durchaus ein In- termezzo war. Wie Einer von einer ſolchen Winkelgeſellſchaft, die ſich in Klüften aufhält; wo auch Bäder ſind: und wo man vorbei reiſt, wenn man nach Pyrmont, Aachen, oder derglei- chen, fährt! und als wäre er einſt Springer geweſen: und hätte da immer die Zwiſchenreden gehalten. Wie konnte die Schröder daneben nur ſpielen! Geſtern ſpielte ſie im Vehm- gericht die Verbrecherin. Wundergöttlich: die ſanften Stellen aber nach-ti-gall-te ſie gedehnt, leiſe und rührig ab! — welcher tiefer, finſterer, grober Irrthum! Ihr Talent und ihre Eingebungen ſind aber ſo ſtark, daß ſie ſich mitten in ſolchen langweiligen Momenten, mit den ſchönſten Ausbrüchen von Spiel, Ton, und Einfällen, ſelbſt unterbrach. Pübliküm- chen wußte von allem nicht; applaudirte, rief heraus; dafür iſt’s nicht bezahlt, aber es bezahlt. Sie war erſt in grauem Sammt, mit Schwarz und Weiß beſetzt; dann ein grautaft- nes Nachtkleid, und Nachthaare — herunter; dann weiß: mit einem Wittwen-Kopfputz mit drei Spitzen im Geſicht und einem Muſſelinſchleier herab. Die Mad. Löwe erſt wie eine rothe Kartendame angezogen: dann Battiſtmuſſelin, ganz weiß, altdeutſch, gut gemacht. Doch demoiſellig: ſehr vermagert. Geſpielt wie jede Rolle: und ungeheuer gegen die Schröder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0222"n="214"/>
erblaßte; in Blick und Mienen. Göttlich! Mad. Brunetti<lb/>
war weiß mit roſenrothem Atlasband; und ſpielte weiß mit<lb/>
roſenrothem Atlasband: <hirendition="#g">wie</hi> immer. Mad. Liebich gut; doch<lb/>
auch die Döbbelin ehmals beſſer, nüanziger; gekränkter. Das<lb/>
Ganze war aber ſehr gut, und durchaus unterhaltend, für<lb/>
mich iſt das viel; wiſſen Sie. Schröder, als Verlobter der<lb/>
Roſenrothen, ſo gränzen <hirendition="#g">los</hi>ſchlecht, daß er durchaus ein In-<lb/>
termezzo war. Wie Einer von einer ſolchen Winkelgeſellſchaft,<lb/>
die ſich in Klüften aufhält; wo auch Bäder ſind: und wo man<lb/>
vorbei reiſt, wenn man nach Pyrmont, Aachen, oder derglei-<lb/>
chen, fährt! und als wäre er einſt Springer geweſen: und<lb/>
hätte da immer die Zwiſchenreden gehalten. Wie konnte die<lb/>
Schröder daneben nur ſpielen! Geſtern ſpielte ſie im Vehm-<lb/>
gericht die Verbrecherin. Wundergöttlich: die ſanften Stellen<lb/>
aber <hirendition="#g">nach-ti-gall-</hi>te ſie gedehnt, leiſe und rührig ab!<lb/>— welcher tiefer, finſterer, grober Irrthum! Ihr Talent und<lb/>
ihre Eingebungen ſind aber ſo ſtark, daß ſie ſich mitten in<lb/>ſolchen langweiligen Momenten, mit den ſchönſten Ausbrüchen<lb/>
von Spiel, Ton, und Einfällen, ſelbſt unterbrach. Pübliküm-<lb/>
chen wußte von allem nicht; applaudirte, rief heraus; dafür<lb/><hirendition="#g">iſt’s</hi> nicht bezahlt, aber es bezahlt. Sie war erſt in grauem<lb/>
Sammt, mit Schwarz und Weiß beſetzt; dann ein grautaft-<lb/>
nes Nachtkleid, und Nachthaare — herunter; dann weiß: mit<lb/>
einem Wittwen-Kopfputz mit drei Spitzen im Geſicht und<lb/>
einem Muſſelinſchleier herab. Die Mad. Löwe erſt wie eine<lb/>
rothe Kartendame angezogen: dann Battiſtmuſſelin, ganz weiß,<lb/>
altdeutſch, gut gemacht. Doch demoiſellig: ſehr vermagert.<lb/>
Geſpielt wie jede Rolle: und ungeheuer gegen die Schröder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214/0222]
erblaßte; in Blick und Mienen. Göttlich! Mad. Brunetti
war weiß mit roſenrothem Atlasband; und ſpielte weiß mit
roſenrothem Atlasband: wie immer. Mad. Liebich gut; doch
auch die Döbbelin ehmals beſſer, nüanziger; gekränkter. Das
Ganze war aber ſehr gut, und durchaus unterhaltend, für
mich iſt das viel; wiſſen Sie. Schröder, als Verlobter der
Roſenrothen, ſo gränzen los ſchlecht, daß er durchaus ein In-
termezzo war. Wie Einer von einer ſolchen Winkelgeſellſchaft,
die ſich in Klüften aufhält; wo auch Bäder ſind: und wo man
vorbei reiſt, wenn man nach Pyrmont, Aachen, oder derglei-
chen, fährt! und als wäre er einſt Springer geweſen: und
hätte da immer die Zwiſchenreden gehalten. Wie konnte die
Schröder daneben nur ſpielen! Geſtern ſpielte ſie im Vehm-
gericht die Verbrecherin. Wundergöttlich: die ſanften Stellen
aber nach-ti-gall-te ſie gedehnt, leiſe und rührig ab!
— welcher tiefer, finſterer, grober Irrthum! Ihr Talent und
ihre Eingebungen ſind aber ſo ſtark, daß ſie ſich mitten in
ſolchen langweiligen Momenten, mit den ſchönſten Ausbrüchen
von Spiel, Ton, und Einfällen, ſelbſt unterbrach. Pübliküm-
chen wußte von allem nicht; applaudirte, rief heraus; dafür
iſt’s nicht bezahlt, aber es bezahlt. Sie war erſt in grauem
Sammt, mit Schwarz und Weiß beſetzt; dann ein grautaft-
nes Nachtkleid, und Nachthaare — herunter; dann weiß: mit
einem Wittwen-Kopfputz mit drei Spitzen im Geſicht und
einem Muſſelinſchleier herab. Die Mad. Löwe erſt wie eine
rothe Kartendame angezogen: dann Battiſtmuſſelin, ganz weiß,
altdeutſch, gut gemacht. Doch demoiſellig: ſehr vermagert.
Geſpielt wie jede Rolle: und ungeheuer gegen die Schröder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/222>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.