einzigen Vertrauten in der Sache, die nun kommt, Folgendes. Er würde Goethen schreiben: und ihn bitten und ihm vortra- gen, daß er für gesammte deutsche Bühnen ein Stück schriebe, welches den 18. Oktober auf all unsern Bühnen zugleich auf- geführt würde: und so alle Jahr den achtzehnten, und im ganzen Jahr sonst keinen Tag. Mir schauderten gleich die Backen, und Thränen standen mir in den Augen. Aber wie sagte dies der Mann, mit welcher Einfachheit, Ehrlichkeit, Anspruchslosigkeit, und wie durchdrungen: und was fügte er hinzu! "Ich will keinen Ruhm davon, sagte er, aber wem! kann man's zumuthen, als Goethen!" und sprach so, wie man's nicht wiederholen kann. Ich genieße der Ehre, daß, wenn man Goethen huldigt, man es mir vertraut! Denk dir, Grotta -- mir zittert das Herz diesen Augenblick in Thrä- nen -- wenn man in ganz Deutschland, in derselben Stunde Goethens Worte, seine Meinungen, seine Gedanken spricht: alle Bessern unserer ganzen Völkerschaft versammelt sind, ihm zuzuhören, von ihm zu lernen was sie zu denken haben; und er uns zur That schafft was Ereigniß war! Die Welt ist nicht mehr so roh, daß die Thaten sie gestalten und sie den- ken lehrten; dies müssen unsere besten Denker und Dichter thun: die Edelsten der Nationen! Wie sie es schon thaten (Hermann und Dorothea nur zu nennen!!!). An unsere Dichter, an unsere Weisen knüpft sich alles Zusammenhängende an, die Thaten selbst, langsam: wie Trophäen großen frischen Bäumen angehangen werden: sie müssen ihre ganze Zierde doch aus der Natur nehmen; und hier erst ist verständlicher Akt, was vorher Ringen der Begebenheiten war. Liebe
einzigen Vertrauten in der Sache, die nun kommt, Folgendes. Er würde Goethen ſchreiben: und ihn bitten und ihm vortra- gen, daß er für geſammte deutſche Bühnen ein Stück ſchriebe, welches den 18. Oktober auf all unſern Bühnen zugleich auf- geführt würde: und ſo alle Jahr den achtzehnten, und im ganzen Jahr ſonſt keinen Tag. Mir ſchauderten gleich die Backen, und Thränen ſtanden mir in den Augen. Aber wie ſagte dies der Mann, mit welcher Einfachheit, Ehrlichkeit, Anſpruchsloſigkeit, und wie durchdrungen: und was fügte er hinzu! „Ich will keinen Ruhm davon, ſagte er, aber wem! kann man’s zumuthen, als Goethen!“ und ſprach ſo, wie man’s nicht wiederholen kann. Ich genieße der Ehre, daß, wenn man Goethen huldigt, man es mir vertraut! Denk dir, Grotta — mir zittert das Herz dieſen Augenblick in Thrä- nen — wenn man in ganz Deutſchland, in derſelben Stunde Goethens Worte, ſeine Meinungen, ſeine Gedanken ſpricht: alle Beſſern unſerer ganzen Völkerſchaft verſammelt ſind, ihm zuzuhören, von ihm zu lernen was ſie zu denken haben; und er uns zur That ſchafft was Ereigniß war! Die Welt iſt nicht mehr ſo roh, daß die Thaten ſie geſtalten und ſie den- ken lehrten; dies müſſen unſere beſten Denker und Dichter thun: die Edelſten der Nationen! Wie ſie es ſchon thaten (Hermann und Dorothea nur zu nennen!!!). An unſere Dichter, an unſere Weiſen knüpft ſich alles Zuſammenhängende an, die Thaten ſelbſt, langſam: wie Trophäen großen friſchen Bäumen angehangen werden: ſie müſſen ihre ganze Zierde doch aus der Natur nehmen; und hier erſt iſt verſtändlicher Akt, was vorher Ringen der Begebenheiten war. Liebe
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einzigen Vertrauten in der Sache, die nun kommt, Folgendes.
Er würde Goethen ſchreiben: und ihn bitten und ihm vortra-
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welches den 18. Oktober auf all unſern Bühnen zugleich auf-
geführt würde: und ſo alle Jahr den achtzehnten, und im
ganzen Jahr ſonſt keinen Tag. Mir ſchauderten gleich die
Backen, und Thränen ſtanden mir in den Augen. Aber wie
ſagte dies der Mann, mit welcher Einfachheit, Ehrlichkeit,
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hinzu! „Ich will keinen Ruhm davon, ſagte er, aber wem!
kann man’s zumuthen, als Goethen!“ und ſprach ſo, wie
man’s nicht wiederholen kann. Ich genieße der Ehre, daß,
wenn man Goethen huldigt, man es mir vertraut! Denk dir,
Grotta — mir zittert das Herz dieſen Augenblick in Thrä-
nen — wenn man in ganz Deutſchland, in derſelben Stunde
Goethens Worte, ſeine Meinungen, ſeine Gedanken ſpricht:
alle Beſſern unſerer ganzen Völkerſchaft verſammelt ſind, ihm
zuzuhören, von ihm zu lernen was ſie zu denken haben; und
er uns zur That ſchafft was Ereigniß war! Die Welt iſt
nicht mehr ſo roh, daß die Thaten ſie geſtalten und ſie den-
ken lehrten; dies müſſen unſere beſten Denker und Dichter
thun: die Edelſten der Nationen! Wie ſie es ſchon thaten
(Hermann und Dorothea nur zu nennen!!!). An unſere
Dichter, an unſere Weiſen knüpft ſich alles Zuſammenhängende
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Bäumen angehangen werden: ſie müſſen ihre ganze Zierde
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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