Grotta! Rede ihm zu, daß er's thue, daß er's nicht ab- schlage. Wenn es ihm auch Mühe macht: und einen Ent- schluß kostet. Es ist das erstemal in meinem Leben, daß ich denke: Goethe soll, mag eine Mühe haben. Denke dir, ge- liebte Freundin, wenn ganz Deutschland denkt: jetzt hört ganz Deutschland dieses Stück, schaudert, bebt, horcht, und klatscht, und jubelt, und weint mit uns! Ich falle auf die Erde und weine! Wir haben ja keine Forums, keine Märkte, keine Rednerbühnen, nichts Öffentliches; nichts Unzerstückeltes ist uns überkommen, wir schaffen ja nur ab, und nichts! -- Aber als Naturnothwendigkeit für alle in Völker versammelte Men- schen steigt den Regierungen selbst unbewußt die Schauspiel- bühne als ein solcher Mittelpunkt unbemerkt und ungelockt empor. Verkündigt man uns nicht Siege von ihr herab, dankt man Helden nicht von ihr herab? sammelt sie nicht ganz allein die Menge, darauf still zu horchen, was sie hö- ren, erfahren, lernen und bedenken soll? Nein, es ist Goe- thens, unsers erhabenen Lehrers ganz würdig! Vertrete Lie- bich bei ihm. Er war sehr kleinmüthig; aber wie zu einer Pflicht fest entschlossen, ihn anzugehen, schon gefaßt in Trau- rigkeit -- wie man es ist -- auf eine abschlägige Antwort. Gedrückt sagte er: "Ich habe dann das Meinige gethan. Keinen Würdigern weiß ich nicht! Einem Andern kann man dies doch nicht anfordern." Ich ermunterte ihn! Ich habe eine Freundin, sagte ich, der ist Goethe sehr hold und zuge- than, und der vertraut er: der werde ich die Sache vortra- gen; die soll sie unterstützen und ihn bitten!! Nun, glück- selige Grotta, von der man dies sagen kann, thu' es auch!
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Grotta! Rede ihm zu, daß er’s thue, daß er’s nicht ab- ſchlage. Wenn es ihm auch Mühe macht: und einen Ent- ſchluß koſtet. Es iſt das erſtemal in meinem Leben, daß ich denke: Goethe ſoll, mag eine Mühe haben. Denke dir, ge- liebte Freundin, wenn ganz Deutſchland denkt: jetzt hört ganz Deutſchland dieſes Stück, ſchaudert, bebt, horcht, und klatſcht, und jubelt, und weint mit uns! Ich falle auf die Erde und weine! Wir haben ja keine Forums, keine Märkte, keine Rednerbühnen, nichts Öffentliches; nichts Unzerſtückeltes iſt uns überkommen, wir ſchaffen ja nur ab, und nichts! — Aber als Naturnothwendigkeit für alle in Völker verſammelte Men- ſchen ſteigt den Regierungen ſelbſt unbewußt die Schauſpiel- bühne als ein ſolcher Mittelpunkt unbemerkt und ungelockt empor. Verkündigt man uns nicht Siege von ihr herab, dankt man Helden nicht von ihr herab? ſammelt ſie nicht ganz allein die Menge, darauf ſtill zu horchen, was ſie hö- ren, erfahren, lernen und bedenken ſoll? Nein, es iſt Goe- thens, unſers erhabenen Lehrers ganz würdig! Vertrete Lie- bich bei ihm. Er war ſehr kleinmüthig; aber wie zu einer Pflicht feſt entſchloſſen, ihn anzugehen, ſchon gefaßt in Trau- rigkeit — wie man es iſt — auf eine abſchlägige Antwort. Gedrückt ſagte er: „Ich habe dann das Meinige gethan. Keinen Würdigern weiß ich nicht! Einem Andern kann man dies doch nicht anfordern.“ Ich ermunterte ihn! Ich habe eine Freundin, ſagte ich, der iſt Goethe ſehr hold und zuge- than, und der vertraut er: der werde ich die Sache vortra- gen; die ſoll ſie unterſtützen und ihn bitten!! Nun, glück- ſelige Grotta, von der man dies ſagen kann, thu’ es auch!
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Grotta! Rede ihm zu, daß er’s thue, daß er’s nicht ab-
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ſchluß koſtet. Es iſt das erſtemal in meinem Leben, daß ich
denke: Goethe ſoll, mag eine Mühe haben. Denke dir, ge-
liebte Freundin, wenn ganz Deutſchland denkt: jetzt hört ganz
Deutſchland dieſes Stück, ſchaudert, bebt, horcht, und klatſcht,
und jubelt, und weint mit uns! Ich falle auf die Erde und
weine! Wir haben ja keine Forums, keine Märkte, keine
Rednerbühnen, nichts Öffentliches; nichts Unzerſtückeltes iſt
uns überkommen, wir ſchaffen ja nur ab, und nichts! — Aber
als Naturnothwendigkeit für alle in Völker verſammelte Men-
ſchen ſteigt den Regierungen ſelbſt unbewußt die Schauſpiel-
bühne als ein ſolcher Mittelpunkt unbemerkt und ungelockt
empor. Verkündigt man uns nicht Siege von ihr herab,
dankt man Helden nicht von ihr herab? ſammelt ſie nicht
ganz allein die Menge, darauf ſtill zu horchen, was ſie hö-
ren, erfahren, lernen und bedenken ſoll? Nein, es iſt Goe-
thens, unſers erhabenen Lehrers ganz würdig! Vertrete Lie-
bich bei ihm. Er war ſehr kleinmüthig; aber wie zu einer
Pflicht feſt entſchloſſen, ihn anzugehen, ſchon gefaßt in Trau-
rigkeit — wie man es iſt — auf eine abſchlägige Antwort.
Gedrückt ſagte er: „Ich habe dann das Meinige gethan.
Keinen Würdigern weiß ich nicht! Einem Andern kann man
dies doch nicht anfordern.“ Ich ermunterte ihn! Ich habe
eine Freundin, ſagte ich, der iſt Goethe ſehr hold und zuge-
than, und der vertraut er: der werde ich die Sache vortra-
gen; die ſoll ſie unterſtützen und ihn bitten!! Nun, glück-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/235>, abgerufen am 24.11.2024.
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