Denn diese ist mir eben so gut eine jene. Kurz! in der lang- weiligsten Verzweiflung! Es dauert zu lange; zur Probe, zur Buße, zu was es sei. Für ein edles Geschöpf. -- -- Auf dies Leben hoff' ich nicht mehr. Ich kenne nichts Elenderes, als so bis sechzig hinan zu warten; mit Hoffnung. -- Mir geht's ja Schritt vor Schritt schlechter durch jedes evenement durch! Und kein Freund: kein Mensch kann mir nur sagen, thun Sie dies, oder das: es ist nichts zu thun. Es geht ihr gut genug, denken sie dumpf, nicht deutlich: die mich am we- nigsten hassen. Freunde lassen es geschehen. Erschöss' ich mich: wunderten sie sich, wie über Kleist. Diese Begräbniß- feier, mich nicht zu wundern, habe ich ihm wenigstens ge- halten! --
Du bist der Einzige auf der Erde, der mir begegnet bist, der da fühlt und weiß, bei dem es immer rege ist, wie über- natürlich schlecht es mir geht. Wie keine Antwort auf alle Anforderungen des Lebens meiner Natur kam. Nie. Davon bist du ergriffen, und das ist ein großer Theil deiner Liebe zu mir. Für dein Aug' allein, ist das schreckliche Schauspiel da!
Hättest du mich selbst gemordet, und ein Bewußtsein schwämme noch auf der Erde, so würde ich dich dafür wieder mit Liebe erfassen müssen, wie jetzt. Das wollt' ich dir längst gerne ausdrücken; und jetzt ist's Schuldigkeit; und es geht oft, und immer, lieblicher in mir her, als ich's jetzt in Krankheit und aller und jeder Betrübniß aufsetze. Das weißt du auch; und diese Wurzel trug dir Liebeszweige, und auch manche Blüthe. -- War es Eitelkeit, so nahm meine Eitelkeit den Weg, auf dem ich dachte: er wird mich anders, als die an-
II. 2
Denn dieſe iſt mir eben ſo gut eine jene. Kurz! in der lang- weiligſten Verzweiflung! Es dauert zu lange; zur Probe, zur Buße, zu was es ſei. Für ein edles Geſchöpf. — — Auf dies Leben hoff’ ich nicht mehr. Ich kenne nichts Elenderes, als ſo bis ſechzig hinan zu warten; mit Hoffnung. — Mir geht’s ja Schritt vor Schritt ſchlechter durch jedes événement durch! Und kein Freund: kein Menſch kann mir nur ſagen, thun Sie dies, oder das: es iſt nichts zu thun. Es geht ihr gut genug, denken ſie dumpf, nicht deutlich: die mich am we- nigſten haſſen. Freunde laſſen es geſchehen. Erſchöſſ’ ich mich: wunderten ſie ſich, wie über Kleiſt. Dieſe Begräbniß- feier, mich nicht zu wundern, habe ich ihm wenigſtens ge- halten! —
Du biſt der Einzige auf der Erde, der mir begegnet biſt, der da fühlt und weiß, bei dem es immer rege iſt, wie über- natürlich ſchlecht es mir geht. Wie keine Antwort auf alle Anforderungen des Lebens meiner Natur kam. Nie. Davon biſt du ergriffen, und das iſt ein großer Theil deiner Liebe zu mir. Für dein Aug’ allein, iſt das ſchreckliche Schauſpiel da!
Hätteſt du mich ſelbſt gemordet, und ein Bewußtſein ſchwämme noch auf der Erde, ſo würde ich dich dafür wieder mit Liebe erfaſſen müſſen, wie jetzt. Das wollt’ ich dir längſt gerne ausdrücken; und jetzt iſt’s Schuldigkeit; und es geht oft, und immer, lieblicher in mir her, als ich’s jetzt in Krankheit und aller und jeder Betrübniß aufſetze. Das weißt du auch; und dieſe Wurzel trug dir Liebeszweige, und auch manche Blüthe. — War es Eitelkeit, ſo nahm meine Eitelkeit den Weg, auf dem ich dachte: er wird mich anders, als die an-
II. 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0025"n="17"/>
Denn dieſe iſt mir eben ſo gut eine jene. Kurz! in der lang-<lb/><hirendition="#g">weili</hi>gſten Verzweiflung! Es dauert zu lange; zur Probe,<lb/>
zur Buße, zu was es ſei. Für ein edles Geſchöpf. —— Auf<lb/>
dies Leben hoff’ ich <hirendition="#g">nicht</hi> mehr. Ich kenne nichts Elenderes,<lb/>
als ſo bis ſechzig hinan zu <hirendition="#g">warten;</hi> mit Hoffnung. — Mir<lb/>
geht’s ja Schritt vor Schritt ſchlechter durch jedes <hirendition="#aq">événement</hi><lb/>
durch! Und kein Freund: kein Menſch kann mir nur ſagen,<lb/>
thun Sie dies, oder das: es <hirendition="#g">iſt</hi> nichts zu thun. Es geht ihr<lb/>
gut genug, denken ſie dumpf, nicht deutlich: die mich am <hirendition="#g">we-<lb/>
nigſten</hi> haſſen. Freunde laſſen es geſchehen. Erſchöſſ’ ich<lb/>
mich: wunderten ſie ſich, wie über Kleiſt. Dieſe Begräbniß-<lb/>
feier, mich nicht zu wundern, habe ich ihm wenigſtens ge-<lb/>
halten! —</p><lb/><p>Du biſt der Einzige auf der Erde, der mir begegnet biſt,<lb/>
der da fühlt und weiß, bei dem es immer rege iſt, wie über-<lb/>
natürlich ſchlecht es mir geht. Wie <hirendition="#g">keine</hi> Antwort auf alle<lb/>
Anforderungen des Lebens meiner Natur kam. Nie. Davon<lb/>
biſt du ergriffen, und das iſt ein großer Theil deiner Liebe zu<lb/>
mir. Für dein Aug’ allein, iſt das ſchreckliche Schauſpiel <hirendition="#g">da</hi>!</p><lb/><p>Hätteſt du <hirendition="#g">mich ſelbſt</hi> gemordet, und ein Bewußtſein<lb/>ſchwämme noch auf der Erde, ſo würde ich dich <hirendition="#g">dafür</hi> wieder<lb/>
mit Liebe erfaſſen müſſen, wie jetzt. Das wollt’ ich dir längſt<lb/>
gerne ausdrücken; und jetzt iſt’s Schuldigkeit; und es geht oft,<lb/>
und immer, lieblicher in mir her, als ich’s jetzt in Krankheit<lb/>
und aller und jeder Betrübniß aufſetze. Das weißt du auch;<lb/>
und dieſe Wurzel trug dir Liebeszweige, und auch manche<lb/>
Blüthe. — War es Eitelkeit, ſo nahm meine Eitelkeit den<lb/>
Weg, auf dem ich dachte: er wird mich anders, als die an-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II.</hi> 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[17/0025]
Denn dieſe iſt mir eben ſo gut eine jene. Kurz! in der lang-
weiligſten Verzweiflung! Es dauert zu lange; zur Probe,
zur Buße, zu was es ſei. Für ein edles Geſchöpf. — — Auf
dies Leben hoff’ ich nicht mehr. Ich kenne nichts Elenderes,
als ſo bis ſechzig hinan zu warten; mit Hoffnung. — Mir
geht’s ja Schritt vor Schritt ſchlechter durch jedes événement
durch! Und kein Freund: kein Menſch kann mir nur ſagen,
thun Sie dies, oder das: es iſt nichts zu thun. Es geht ihr
gut genug, denken ſie dumpf, nicht deutlich: die mich am we-
nigſten haſſen. Freunde laſſen es geſchehen. Erſchöſſ’ ich
mich: wunderten ſie ſich, wie über Kleiſt. Dieſe Begräbniß-
feier, mich nicht zu wundern, habe ich ihm wenigſtens ge-
halten! —
Du biſt der Einzige auf der Erde, der mir begegnet biſt,
der da fühlt und weiß, bei dem es immer rege iſt, wie über-
natürlich ſchlecht es mir geht. Wie keine Antwort auf alle
Anforderungen des Lebens meiner Natur kam. Nie. Davon
biſt du ergriffen, und das iſt ein großer Theil deiner Liebe zu
mir. Für dein Aug’ allein, iſt das ſchreckliche Schauſpiel da!
Hätteſt du mich ſelbſt gemordet, und ein Bewußtſein
ſchwämme noch auf der Erde, ſo würde ich dich dafür wieder
mit Liebe erfaſſen müſſen, wie jetzt. Das wollt’ ich dir längſt
gerne ausdrücken; und jetzt iſt’s Schuldigkeit; und es geht oft,
und immer, lieblicher in mir her, als ich’s jetzt in Krankheit
und aller und jeder Betrübniß aufſetze. Das weißt du auch;
und dieſe Wurzel trug dir Liebeszweige, und auch manche
Blüthe. — War es Eitelkeit, ſo nahm meine Eitelkeit den
Weg, auf dem ich dachte: er wird mich anders, als die an-
II. 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/25>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.