ten!! und ich nichts in der Welt dadurch sah. Ich gehe we- nig hin. "Mir nicht so! bei Gott!" Den Weihnachten ver- gesse ich ihnen nicht. Grüße Oppenheims; ich werde ihnen einmal schreiben, daß ihnen Hören und Sehen, und Wien ver- gehen soll. Ich zerbreche mir immer den Kopf, wo ich in Berlin wohnen werde. Einmal muß ich doch hin. Dein Brief unterhielt mich, weil ich ihn einsah. Ernst, Stimmung, Lage, Handschrift, alles. Manches mit diesem eben so. Adieu adieu. R. Laß nur Ferdinand noch nichts lernen, und ärgert ihn in nichts. Er wird doch unglücklich, wenn er größer wird. Was macht denn der Heuchler? Was macht Babette? ärgert sie sich noch? Heute hat unser König beim Kanzler gespeist. Varnhagen mit Stägemann. -- Adieu.
An Moritz und Ernestine Robert, in Berlin.
Wien, Montag den 23. Januar 1815.
Bloß ein paar Worte! Hier ist der Beobachter: so sol- len wir nun denken; Lampe-Gentz schreibt's uns vor: von ihm ist die tiefsinnig-religiöse Betrachtung über die vorgestern stattgefundene Leichenfeier. Denkt euch darüber was ihr könnt: ich sehe Emigranten-Arme darin, die die Welt wie ein Rad in seinem Lauf zurückhalten und auf die alte Stelle, wo es ihnen gefiel, zurückführen möchten. "Der Rest ist Schweigen", denn tief in der Natur der Dinge, die Einmal für uns da sind, liegt dies Schwanken, Wogen, Meinen, Toben, Halten, Schreiten. Das Fest in der Kirche selbst, in der Stephans-
ten!! und ich nichts in der Welt dadurch ſah. Ich gehe we- nig hin. „Mir nicht ſo! bei Gott!“ Den Weihnachten ver- geſſe ich ihnen nicht. Grüße Oppenheims; ich werde ihnen einmal ſchreiben, daß ihnen Hören und Sehen, und Wien ver- gehen ſoll. Ich zerbreche mir immer den Kopf, wo ich in Berlin wohnen werde. Einmal muß ich doch hin. Dein Brief unterhielt mich, weil ich ihn einſah. Ernſt, Stimmung, Lage, Handſchrift, alles. Manches mit dieſem eben ſo. Adieu adieu. R. Laß nur Ferdinand noch nichts lernen, und ärgert ihn in nichts. Er wird doch unglücklich, wenn er größer wird. Was macht denn der Heuchler? Was macht Babette? ärgert ſie ſich noch? Heute hat unſer König beim Kanzler geſpeiſt. Varnhagen mit Stägemann. — Adieu.
An Moritz und Erneſtine Robert, in Berlin.
Wien, Montag den 23. Januar 1815.
Bloß ein paar Worte! Hier iſt der Beobachter: ſo ſol- len wir nun denken; Lampe-Gentz ſchreibt’s uns vor: von ihm iſt die tiefſinnig-religiöſe Betrachtung über die vorgeſtern ſtattgefundene Leichenfeier. Denkt euch darüber was ihr könnt: ich ſehe Emigranten-Arme darin, die die Welt wie ein Rad in ſeinem Lauf zurückhalten und auf die alte Stelle, wo es ihnen gefiel, zurückführen möchten. „Der Reſt iſt Schweigen“, denn tief in der Natur der Dinge, die Einmal für uns da ſind, liegt dies Schwanken, Wogen, Meinen, Toben, Halten, Schreiten. Das Feſt in der Kirche ſelbſt, in der Stephans-
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[255/0263]
ten!! und ich nichts in der Welt dadurch ſah. Ich gehe we-
nig hin. „Mir nicht ſo! bei Gott!“ Den Weihnachten ver-
geſſe ich ihnen nicht. Grüße Oppenheims; ich werde ihnen
einmal ſchreiben, daß ihnen Hören und Sehen, und Wien ver-
gehen ſoll. Ich zerbreche mir immer den Kopf, wo ich in
Berlin wohnen werde. Einmal muß ich doch hin. Dein Brief
unterhielt mich, weil ich ihn einſah. Ernſt, Stimmung, Lage,
Handſchrift, alles. Manches mit dieſem eben ſo. Adieu adieu. R.
Laß nur Ferdinand noch nichts lernen, und ärgert ihn in
nichts. Er wird doch unglücklich, wenn er größer wird. Was
macht denn der Heuchler? Was macht Babette? ärgert ſie
ſich noch? Heute hat unſer König beim Kanzler geſpeiſt.
Varnhagen mit Stägemann. — Adieu.
An Moritz und Erneſtine Robert, in Berlin.
Wien, Montag den 23. Januar 1815.
Bloß ein paar Worte! Hier iſt der Beobachter: ſo ſol-
len wir nun denken; Lampe-Gentz ſchreibt’s uns vor: von
ihm iſt die tiefſinnig-religiöſe Betrachtung über die vorgeſtern
ſtattgefundene Leichenfeier. Denkt euch darüber was ihr könnt:
ich ſehe Emigranten-Arme darin, die die Welt wie ein Rad
in ſeinem Lauf zurückhalten und auf die alte Stelle, wo es
ihnen gefiel, zurückführen möchten. „Der Reſt iſt Schweigen“,
denn tief in der Natur der Dinge, die Einmal für uns da
ſind, liegt dies Schwanken, Wogen, Meinen, Toben, Halten,
Schreiten. Das Feſt in der Kirche ſelbſt, in der Stephans-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/263>, abgerufen am 21.11.2024.
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