noch, daß der Krieg noch nicht ist, und daß ich so sehr den Andern nöthig, und wirklich tröstlich bin. Varnhagens Gegen- wart, und immer gleiche Ansicht des Totalzustandes unter- stützt mich sehr, meine Konvaleszenz, und mein Leichtsinn, den der Frühling mir unwiderstehlich einflößt. Nämlich, ich bin noch zerstreut über das Herannahende! Und zu viele Men- schen glauben nicht an Krieg: obgleich wir Preußen uns dazu tummlen, ohne abzureisen! -- Übrigens beziehe ich mich auch, wie du auf deinen ersten, so auf meinen ersten Brief nach Na- poleons Erscheinung. Ich denke noch so, man muß die Fran- zosen nicht national machen. Und bin ganz überzeugt, es gehen große Krümmungen in Frankreich los.
Ich bin froh, daß ich gesund bin, nämlich von diesem Übel so geschwind frei. Ich fühle noch, daß ich's hatte. Wenn einem nun so etwas zukommt! Überhaupt. Wie von Glatt- eis ist das Leben. Glatt, kalt, unten Wasser, im Wasser Tod. --
Ist denn Louis böse mit mir? Dich lieber Hans grüße ich recht sehr! Ich denke an die Gesundheit, und dann ist alles "ist mir ein Spiel, ein Scherz!" Ich genieße den Früh- ling! Thue dies ja! dies ist gewiß Profit. Muntert Einer den Andern auf zu Genuß; Genuß! Und anders kommt alles. Du sollst sehen es geht in Frankreich los, und dann bleiben wir draußen. Treuer Moritz, schreibe! Ernestine, gehen Sie in die Luft, lassen Sie sich nicht toll machen!
noch, daß der Krieg noch nicht iſt, und daß ich ſo ſehr den Andern nöthig, und wirklich tröſtlich bin. Varnhagens Gegen- wart, und immer gleiche Anſicht des Totalzuſtandes unter- ſtützt mich ſehr, meine Konvaleszenz, und mein Leichtſinn, den der Frühling mir unwiderſtehlich einflößt. Nämlich, ich bin noch zerſtreut über das Herannahende! Und zu viele Men- ſchen glauben nicht an Krieg: obgleich wir Preußen uns dazu tummlen, ohne abzureiſen! — Übrigens beziehe ich mich auch, wie du auf deinen erſten, ſo auf meinen erſten Brief nach Na- poleons Erſcheinung. Ich denke noch ſo, man muß die Fran- zoſen nicht national machen. Und bin ganz überzeugt, es gehen große Krümmungen in Frankreich los.
Ich bin froh, daß ich geſund bin, nämlich von dieſem Übel ſo geſchwind frei. Ich fühle noch, daß ich’s hatte. Wenn einem nun ſo etwas zukommt! Überhaupt. Wie von Glatt- eis iſt das Leben. Glatt, kalt, unten Waſſer, im Waſſer Tod. —
Iſt denn Louis böſe mit mir? Dich lieber Hans grüße ich recht ſehr! Ich denke an die Geſundheit, und dann iſt alles „iſt mir ein Spiel, ein Scherz!“ Ich genieße den Früh- ling! Thue dies ja! dies iſt gewiß Profit. Muntert Einer den Andern auf zu Genuß; Genuß! Und anders kommt alles. Du ſollſt ſehen es geht in Frankreich los, und dann bleiben wir draußen. Treuer Moritz, ſchreibe! Erneſtine, gehen Sie in die Luft, laſſen Sie ſich nicht toll machen!
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noch, daß der Krieg noch nicht iſt, und daß ich ſo ſehr den
Andern nöthig, und wirklich tröſtlich bin. Varnhagens Gegen-
wart, und immer gleiche Anſicht des Totalzuſtandes unter-
ſtützt mich ſehr, meine Konvaleszenz, und mein Leichtſinn, den
der Frühling mir unwiderſtehlich einflößt. Nämlich, ich bin
noch zerſtreut über das Herannahende! Und zu viele Men-
ſchen glauben nicht an Krieg: obgleich wir Preußen uns dazu
tummlen, ohne abzureiſen! — Übrigens beziehe ich mich auch,
wie du auf deinen erſten, ſo auf meinen erſten Brief nach Na-
poleons Erſcheinung. Ich denke noch ſo, man muß die Fran-
zoſen nicht national machen. Und bin ganz überzeugt, es
gehen große Krümmungen in Frankreich los.
Ich bin froh, daß ich geſund bin, nämlich von dieſem
Übel ſo geſchwind frei. Ich fühle noch, daß ich’s hatte. Wenn
einem nun ſo etwas zukommt! Überhaupt. Wie von Glatt-
eis iſt das Leben. Glatt, kalt, unten Waſſer, im Waſſer Tod. —
Iſt denn Louis böſe mit mir? Dich lieber Hans grüße
ich recht ſehr! Ich denke an die Geſundheit, und dann iſt
alles „iſt mir ein Spiel, ein Scherz!“ Ich genieße den Früh-
ling! Thue dies ja! dies iſt gewiß Profit. Muntert Einer
den Andern auf zu Genuß; Genuß! Und anders kommt
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/287>, abgerufen am 24.11.2024.
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