Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

auch marschirt tüchtig; schreibt Tettenborn, der in München
ist. Und es strömt genug nach dem Rhein; ist recht viel dort,
so wird es wohl überlaufen und man wird losschlagen. Siehst
du, Ohme, daß ich nicht so schlecht sehe, wo es auf sehen an-
kommt; vor einigen Posttagen schrieb ich: "Wenn nur unsere
Truppen nicht agiren, ohne den Befehl dazu abzuwarten!"
und dies thun gar nun Civilisten. Sack hat die schärfsten,
bündigsten, bestimmtesten, drohendsten Verweise wegen seinen
Proklamationen bekommen: und gleich nachher, macht er neue!
-- So ist's mit einer Sache. Ich erzähle aber dergleichen
nicht mehr. Dies glaubt man nur, wenn man es siehet. --

Deine Nachrichten sind erfreulicher! -- Ich muß immer
Oppositions-Nachrichten geben! Freilich wird der Grüne einen
harten verlegnen Stand haben: aber auf seinem letzten Loch
pfeift er noch nicht; Geld geben ihm die Meerkatzen, Frau
Rückenau, und eine Menge Verwandte und Kriegsgesellen noch:
vor der Hand: auch ist die Armee nicht so von der Nation
zu trennen. Man muß bedenken, woraus alle Armeen beste-
hen. Doch werden ihm von innen die Tatzen diesmal gehal-
ten. Bricht aber ein entschiedener großer Krieg aus, so haben
sie ihn als Capitaine nöthig, und er gewinnt militairische
Macht. So muß ich sagen, so sehe ich, so denke ich: und ich
müßte mich imbeciler stellen; als ich bin, wenn ich anders
sprechen sollte. Ich übersehe nicht, vieler deutscher Völker
Muth, nicht unsern besonders, der ganz allein uns einen
Standpunkt in der Welt giebt, und wo auch wirklich die an-
dern hinschauen; nicht die ganz andere Lage der Dinge, als
die in der Zeit des vorigen Kriegs, wo noch kein Franzose

auch marſchirt tüchtig; ſchreibt Tettenborn, der in München
iſt. Und es ſtrömt genug nach dem Rhein; iſt recht viel dort,
ſo wird es wohl überlaufen und man wird losſchlagen. Siehſt
du, Ohme, daß ich nicht ſo ſchlecht ſehe, wo es auf ſehen an-
kommt; vor einigen Poſttagen ſchrieb ich: „Wenn nur unſere
Truppen nicht agiren, ohne den Befehl dazu abzuwarten!“
und dies thun gar nun Civiliſten. Sack hat die ſchärfſten,
bündigſten, beſtimmteſten, drohendſten Verweiſe wegen ſeinen
Proklamationen bekommen: und gleich nachher, macht er neue!
— So iſt’s mit einer Sache. Ich erzähle aber dergleichen
nicht mehr. Dies glaubt man nur, wenn man es ſiehet. —

Deine Nachrichten ſind erfreulicher! — Ich muß immer
Oppoſitions-Nachrichten geben! Freilich wird der Grüne einen
harten verlegnen Stand haben: aber auf ſeinem letzten Loch
pfeift er noch nicht; Geld geben ihm die Meerkatzen, Frau
Rückenau, und eine Menge Verwandte und Kriegsgeſellen noch:
vor der Hand: auch iſt die Armee nicht ſo von der Nation
zu trennen. Man muß bedenken, woraus alle Armeen beſte-
hen. Doch werden ihm von innen die Tatzen diesmal gehal-
ten. Bricht aber ein entſchiedener großer Krieg aus, ſo haben
ſie ihn als Capitaine nöthig, und er gewinnt militairiſche
Macht. So muß ich ſagen, ſo ſehe ich, ſo denke ich: und ich
müßte mich imbeciler ſtellen; als ich bin, wenn ich anders
ſprechen ſollte. Ich überſehe nicht, vieler deutſcher Völker
Muth, nicht unſern beſonders, der ganz allein uns einen
Standpunkt in der Welt giebt, und wo auch wirklich die an-
dern hinſchauen; nicht die ganz andere Lage der Dinge, als
die in der Zeit des vorigen Kriegs, wo noch kein Franzoſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0290" n="282"/>
auch mar&#x017F;chirt tüchtig; &#x017F;chreibt Tettenborn, der in München<lb/>
i&#x017F;t. Und es &#x017F;trömt genug nach dem Rhein; i&#x017F;t recht viel dort,<lb/>
&#x017F;o wird es wohl überlaufen und man wird los&#x017F;chlagen. Sieh&#x017F;t<lb/>
du, Ohme, daß ich nicht &#x017F;o &#x017F;chlecht &#x017F;ehe, wo es auf &#x017F;ehen an-<lb/>
kommt; vor einigen Po&#x017F;ttagen &#x017F;chrieb ich: &#x201E;Wenn nur un&#x017F;ere<lb/>
Truppen nicht agiren, ohne den Befehl dazu abzuwarten!&#x201C;<lb/>
und dies thun gar nun Civili&#x017F;ten. Sack hat die &#x017F;chärf&#x017F;ten,<lb/>
bündig&#x017F;ten, be&#x017F;timmte&#x017F;ten, drohend&#x017F;ten Verwei&#x017F;e wegen &#x017F;einen<lb/>
Proklamationen bekommen: und gleich nachher, macht er neue!<lb/>
&#x2014; So i&#x017F;t&#x2019;s mit <hi rendition="#g">einer</hi> Sache. Ich erzähle aber dergleichen<lb/>
nicht mehr. Dies glaubt man nur, wenn man es &#x017F;iehet. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Deine Nachrichten &#x017F;ind erfreulicher! &#x2014; Ich muß immer<lb/>
Oppo&#x017F;itions-Nachrichten geben! Freilich wird der Grüne einen<lb/>
harten verlegnen Stand haben: aber auf &#x017F;einem letzten Loch<lb/>
pfeift er noch nicht; Geld geben ihm die Meerkatzen, Frau<lb/>
Rückenau, und eine Menge Verwandte und Kriegsge&#x017F;ellen noch:<lb/><hi rendition="#g">vor</hi> der Hand: auch i&#x017F;t die Armee nicht &#x017F;o von der Nation<lb/>
zu trennen. Man muß bedenken, woraus alle Armeen be&#x017F;te-<lb/>
hen. Doch werden ihm von innen die Tatzen diesmal gehal-<lb/>
ten. Bricht aber ein ent&#x017F;chiedener großer Krieg aus, &#x017F;o haben<lb/>
&#x017F;ie ihn als <hi rendition="#aq">Capitaine</hi> nöthig, und er gewinnt militairi&#x017F;che<lb/>
Macht. So muß ich &#x017F;agen, &#x017F;o &#x017F;ehe ich, &#x017F;o denke ich: und ich<lb/>
müßte mich imbeciler &#x017F;tellen; als ich bin, wenn ich anders<lb/>
&#x017F;prechen &#x017F;ollte. Ich über&#x017F;ehe nicht, vieler deut&#x017F;cher Völker<lb/>
Muth, nicht un&#x017F;ern be&#x017F;onders, der <hi rendition="#g">ganz allein</hi> uns einen<lb/>
Standpunkt in der Welt giebt, und wo auch wirklich die an-<lb/>
dern hin&#x017F;chauen; nicht die ganz andere Lage der Dinge, als<lb/>
die in der Zeit des vorigen Kriegs, wo noch kein Franzo&#x017F;e<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0290] auch marſchirt tüchtig; ſchreibt Tettenborn, der in München iſt. Und es ſtrömt genug nach dem Rhein; iſt recht viel dort, ſo wird es wohl überlaufen und man wird losſchlagen. Siehſt du, Ohme, daß ich nicht ſo ſchlecht ſehe, wo es auf ſehen an- kommt; vor einigen Poſttagen ſchrieb ich: „Wenn nur unſere Truppen nicht agiren, ohne den Befehl dazu abzuwarten!“ und dies thun gar nun Civiliſten. Sack hat die ſchärfſten, bündigſten, beſtimmteſten, drohendſten Verweiſe wegen ſeinen Proklamationen bekommen: und gleich nachher, macht er neue! — So iſt’s mit einer Sache. Ich erzähle aber dergleichen nicht mehr. Dies glaubt man nur, wenn man es ſiehet. — Deine Nachrichten ſind erfreulicher! — Ich muß immer Oppoſitions-Nachrichten geben! Freilich wird der Grüne einen harten verlegnen Stand haben: aber auf ſeinem letzten Loch pfeift er noch nicht; Geld geben ihm die Meerkatzen, Frau Rückenau, und eine Menge Verwandte und Kriegsgeſellen noch: vor der Hand: auch iſt die Armee nicht ſo von der Nation zu trennen. Man muß bedenken, woraus alle Armeen beſte- hen. Doch werden ihm von innen die Tatzen diesmal gehal- ten. Bricht aber ein entſchiedener großer Krieg aus, ſo haben ſie ihn als Capitaine nöthig, und er gewinnt militairiſche Macht. So muß ich ſagen, ſo ſehe ich, ſo denke ich: und ich müßte mich imbeciler ſtellen; als ich bin, wenn ich anders ſprechen ſollte. Ich überſehe nicht, vieler deutſcher Völker Muth, nicht unſern beſonders, der ganz allein uns einen Standpunkt in der Welt giebt, und wo auch wirklich die an- dern hinſchauen; nicht die ganz andere Lage der Dinge, als die in der Zeit des vorigen Kriegs, wo noch kein Franzoſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/290
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/290>, abgerufen am 21.11.2024.