chen, was sie denn wollen. -- Was sagst du zur Proklama- tion von Sack (-grob)? Goethe hat Recht, der Name wirkt ein. -- In Italien war gegen Murat schon ein Vorposten- gefecht. Man sagt, auch dieser Krieg wird nur eine Demon- stration im Großen bleiben und eine Art Ableiter sein. Doch niemand weiß etwas schon Gestaltetes. General Vincent, der von Paris kommt, sagt, man soll sich keine Illusion machen, Napoleon habe zweimalhundertundzehntausend Mann: An- dere behaupten, das sei unmöglich. In Truppenzahl traue ich aber Napoleon nicht. Dieses "nicht" kann man deuten wie man will; ich meine, er hat Truppen; wenn er sie nicht innen braucht. --
Alle Menschen sind so gespannt und herunter: und so unsäglich dumm. So lange Varnhagen noch da ist, ich keine Soldaten sehe, geht's mit mir noch an. Lebt wohl und schreibt. -- Gestern aß ich sehr gut bei der Arnstein. Aber kein anderes Wort, als den geschimpft, Armee, Murat, Fran- zosen u. s. w. Mir ein Gräuel! --
An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, den 10. April 1815. halb 12. Morgens.
Leset nur die drei letzten Beobachter, die ich hier beilege, und ihr werdet die Stagnation sehen, in welcher die Geschäfte gefangen sind. Mir scheint es so, ich bleibe dabei, man weiß keinen Titel zu finden, unter welchem man die französische Nation bekriegen will, weil die Bourbons fehlen. Baiern aber
chen, was ſie denn wollen. — Was ſagſt du zur Proklama- tion von Sack (-grob)? Goethe hat Recht, der Name wirkt ein. — In Italien war gegen Murat ſchon ein Vorpoſten- gefecht. Man ſagt, auch dieſer Krieg wird nur eine Demon- ſtration im Großen bleiben und eine Art Ableiter ſein. Doch niemand weiß etwas ſchon Geſtaltetes. General Vincent, der von Paris kommt, ſagt, man ſoll ſich keine Illuſion machen, Napoleon habe zweimalhundertundzehntauſend Mann: An- dere behaupten, das ſei unmöglich. In Truppenzahl traue ich aber Napoleon nicht. Dieſes „nicht“ kann man deuten wie man will; ich meine, er hat Truppen; wenn er ſie nicht innen braucht. —
Alle Menſchen ſind ſo geſpannt und herunter: und ſo unſäglich dumm. So lange Varnhagen noch da iſt, ich keine Soldaten ſehe, geht’s mit mir noch an. Lebt wohl und ſchreibt. — Geſtern aß ich ſehr gut bei der Arnſtein. Aber kein anderes Wort, als den geſchimpft, Armee, Murat, Fran- zoſen u. ſ. w. Mir ein Gräuel! —
An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, den 10. April 1815. halb 12. Morgens.
Leſet nur die drei letzten Beobachter, die ich hier beilege, und ihr werdet die Stagnation ſehen, in welcher die Geſchäfte gefangen ſind. Mir ſcheint es ſo, ich bleibe dabei, man weiß keinen Titel zu finden, unter welchem man die franzöſiſche Nation bekriegen will, weil die Bourbons fehlen. Baiern aber
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chen, was ſie denn wollen. — Was ſagſt du zur Proklama-
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ein. — In Italien war gegen Murat ſchon ein Vorpoſten-
gefecht. Man ſagt, auch dieſer Krieg wird nur eine Demon-
ſtration im Großen bleiben und eine Art Ableiter ſein. Doch
niemand weiß etwas ſchon Geſtaltetes. General Vincent, der
von Paris kommt, ſagt, man ſoll ſich keine Illuſion machen,
Napoleon habe zweimalhundertundzehntauſend Mann: An-
dere behaupten, das ſei unmöglich. In Truppenzahl traue
ich aber Napoleon nicht. Dieſes „nicht“ kann man deuten
wie man will; ich meine, er hat Truppen; wenn er ſie nicht
innen braucht. —
Alle Menſchen ſind ſo geſpannt und herunter: und ſo
unſäglich dumm. So lange Varnhagen noch da iſt, ich keine
Soldaten ſehe, geht’s mit mir noch an. Lebt wohl und
ſchreibt. — Geſtern aß ich ſehr gut bei der Arnſtein. Aber
kein anderes Wort, als den geſchimpft, Armee, Murat, Fran-
zoſen u. ſ. w. Mir ein Gräuel! —
An M. Th. Robert, in Berlin.
Wien, den 10. April 1815. halb 12. Morgens.
Leſet nur die drei letzten Beobachter, die ich hier beilege,
und ihr werdet die Stagnation ſehen, in welcher die Geſchäfte
gefangen ſind. Mir ſcheint es ſo, ich bleibe dabei, man weiß
keinen Titel zu finden, unter welchem man die franzöſiſche
Nation bekriegen will, weil die Bourbons fehlen. Baiern aber
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/289>, abgerufen am 21.11.2024.
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