danken, Thätigkeiten der Liebe. Fürchte nur nicht, daß ich mein Leben mit Schreiben zubringen werde: du wirst wohl noch oft über's Gegentheil jammern: jetzt aber kann ich's grade gut; es erlaubens die Zeit und die Nerven: und wenigstens zu erst, sollst du noch alles wissen; du denkst ja auch bestän- dig an mich, weiß ich. Liebe Guste, frage doch Nettchen, ob sie nicht, Gott behüte und bewahre! die zehn Paar Schuh, die sie mir bei Schmidt bestellen sollte, hierher geschickt hat; denn ich habe nichts erhalten! Und erkundige dich ja nach Line, und wie es ihr geht, und was sie zu verzehren hat; und schenke ihr etwas. Sie war so lange, und so jung, und so in meiner Noth bei mir, daß dies ein Glück für sie sein soll, will Gott haben; und es muß ihr auch gut gehen, wenn es mir gut geht. Auf meine Heirath hoffte sie! Und sie hat doch viel mit mir ausgehalten; sonst war ich ungestüm, und jung, und ohne die jetzige Schonung. Dies alles sage ich, weil ich's von der Seele los sein will: du bedarfst nur ein Wort. -- Adieu, liebe Guste! du sollst mal sehen, wie schön wir uns wiedersehen! Ich sehe dich an, als wärst du da! Ach wie lange dauert's, eh du diesen Brief kriegst! --
Abends 11 Uhr.
Nun war ich wieder mit Wiesel und Johann bei den Sattlern umher, von 6 Uhr an. -- Dann ging ich über die Glaris mit W. nach der Bastei, wo wir uns die Leute besa- hen, ruhig in Mond- und Laternenschein saßen, zu Hause gingen Kaffee trinken, und als das geschehen war, und ich etwas Gutes über Burgsdorf und über das Lügen gesagt hatte,
danken, Thätigkeiten der Liebe. Fürchte nur nicht, daß ich mein Leben mit Schreiben zubringen werde: du wirſt wohl noch oft über’s Gegentheil jammern: jetzt aber kann ich’s grade gut; es erlaubens die Zeit und die Nerven: und wenigſtens zu erſt, ſollſt du noch alles wiſſen; du denkſt ja auch beſtän- dig an mich, weiß ich. Liebe Guſte, frage doch Nettchen, ob ſie nicht, Gott behüte und bewahre! die zehn Paar Schuh, die ſie mir bei Schmidt beſtellen ſollte, hierher geſchickt hat; denn ich habe nichts erhalten! Und erkundige dich ja nach Line, und wie es ihr geht, und was ſie zu verzehren hat; und ſchenke ihr etwas. Sie war ſo lange, und ſo jung, und ſo in meiner Noth bei mir, daß dies ein Glück für ſie ſein ſoll, will Gott haben; und es muß ihr auch gut gehen, wenn es mir gut geht. Auf meine Heirath hoffte ſie! Und ſie hat doch viel mit mir ausgehalten; ſonſt war ich ungeſtüm, und jung, und ohne die jetzige Schonung. Dies alles ſage ich, weil ich’s von der Seele los ſein will: du bedarfſt nur ein Wort. — Adieu, liebe Guſte! du ſollſt mal ſehen, wie ſchön wir uns wiederſehen! Ich ſehe dich an, als wärſt du da! Ach wie lange dauert’s, eh du dieſen Brief kriegſt! —
Abends 11 Uhr.
Nun war ich wieder mit Wieſel und Johann bei den Sattlern umher, von 6 Uhr an. — Dann ging ich über die Glaris mit W. nach der Baſtei, wo wir uns die Leute beſa- hen, ruhig in Mond- und Laternenſchein ſaßen, zu Hauſe gingen Kaffee trinken, und als das geſchehen war, und ich etwas Gutes über Burgsdorf und über das Lügen geſagt hatte,
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danken, Thätigkeiten der Liebe. Fürchte nur nicht, daß ich
mein Leben mit Schreiben zubringen werde: du wirſt wohl
noch oft über’s Gegentheil jammern: jetzt aber kann ich’s grade
gut; es erlaubens die Zeit und die Nerven: und wenigſtens
zu erſt, ſollſt du noch alles wiſſen; du denkſt ja auch beſtän-
dig an mich, weiß ich. Liebe Guſte, frage doch Nettchen, ob
ſie nicht, Gott behüte und bewahre! die zehn Paar Schuh, die
ſie mir bei Schmidt beſtellen ſollte, hierher geſchickt hat; denn
ich habe nichts erhalten! Und erkundige dich ja nach Line,
und wie es ihr geht, und was ſie zu verzehren hat; und
ſchenke ihr etwas. Sie war ſo lange, und ſo jung, und ſo
in meiner Noth bei mir, daß dies ein Glück für ſie ſein ſoll,
will Gott haben; und es muß ihr auch gut gehen, wenn es
mir gut geht. Auf meine Heirath hoffte ſie! Und ſie hat
doch viel mit mir ausgehalten; ſonſt war ich ungeſtüm, und
jung, und ohne die jetzige Schonung. Dies alles ſage ich,
weil ich’s von der Seele los ſein will: du bedarfſt nur ein
Wort. — Adieu, liebe Guſte! du ſollſt mal ſehen, wie ſchön
wir uns wiederſehen! Ich ſehe dich an, als wärſt du da!
Ach wie lange dauert’s, eh du dieſen Brief kriegſt! —
Abends 11 Uhr.
Nun war ich wieder mit Wieſel und Johann bei den
Sattlern umher, von 6 Uhr an. — Dann ging ich über die
Glaris mit W. nach der Baſtei, wo wir uns die Leute beſa-
hen, ruhig in Mond- und Laternenſchein ſaßen, zu Hauſe
gingen Kaffee trinken, und als das geſchehen war, und ich
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/298>, abgerufen am 21.11.2024.
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