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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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deren Wagen an einem Einbug des Wassers und Felsens
hielten. Heerden gingen unter der Brücke durch den steinigen
Fluß, Ziegen klimmten oben auf den Höhen, die Sonne
flammte, dunkel und hell über Baumlaub, Sträuchern, Gras,
Felsen, Berge. Mädchen sangen komische Lieder zu Harfen.
Frau von Ephr. war außer sich, mich das alles sehen zu las-
sen. Ich ging etwas. Wir fuhren nach Hause; gingen noch
in den Park im schönen Mond. Ich erhielt einen Brief von
August. --


Sehr schwüles Wetter. Es kam ein starkes Gewitter mit
besonders heftigem Regen. Herzog Serra-Capriola von Nea-
pel angekommen. Er war natürlich, und unterhaltend von
seiner Reise. Als die Sonne unterging, wurde es sehr win-
dig; zur Nacht kam noch heftigerer Wind. Diesen Tag machte
ich die Bemerkung: daß, wenn man jemand heftig tadelt, alle
seine Fehler, und sein ganzes Unrecht eingesteht; und nach ei-
nem solchen noch so harten Geständniß sagt: ich liebe ihn
doch! -- so liebt man ihn wirklich: und er verdient's, weil
er es zuwege bringt. Fängt man aber etwa so an: Ich bin
doch F. sehr gut, oder: ich bete doch die M. an, aber das
muß ich von ihm sagen, oder: diesen Fehler hat sie: so ist es
ausgemacht, daß diese Person nicht zugiebt, daß man sie liebt,
man mag es verhehlen oder beschönigen wollen, wie man will;
und man hat wieder Recht, nur nicht im Abläugnen gegen
sich selbst. Frau von L. wohnt sehr hübsch und [...]doch mit
einer ländlichen Aussicht: sie hat ihren alten Vater bei sich.
Mama wohnte nie auf dem Lande: ich wünschte sie noch.


deren Wagen an einem Einbug des Waſſers und Felſens
hielten. Heerden gingen unter der Brücke durch den ſteinigen
Fluß, Ziegen klimmten oben auf den Höhen, die Sonne
flammte, dunkel und hell über Baumlaub, Sträuchern, Gras,
Felſen, Berge. Mädchen ſangen komiſche Lieder zu Harfen.
Frau von Ephr. war außer ſich, mich das alles ſehen zu laſ-
ſen. Ich ging etwas. Wir fuhren nach Hauſe; gingen noch
in den Park im ſchönen Mond. Ich erhielt einen Brief von
Auguſt. —


Sehr ſchwüles Wetter. Es kam ein ſtarkes Gewitter mit
beſonders heftigem Regen. Herzog Serra-Capriola von Nea-
pel angekommen. Er war natürlich, und unterhaltend von
ſeiner Reiſe. Als die Sonne unterging, wurde es ſehr win-
dig; zur Nacht kam noch heftigerer Wind. Dieſen Tag machte
ich die Bemerkung: daß, wenn man jemand heftig tadelt, alle
ſeine Fehler, und ſein ganzes Unrecht eingeſteht; und nach ei-
nem ſolchen noch ſo harten Geſtändniß ſagt: ich liebe ihn
doch! — ſo liebt man ihn wirklich: und er verdient’s, weil
er es zuwege bringt. Fängt man aber etwa ſo an: Ich bin
doch F. ſehr gut, oder: ich bete doch die M. an, aber das
muß ich von ihm ſagen, oder: dieſen Fehler hat ſie: ſo iſt es
ausgemacht, daß dieſe Perſon nicht zugiebt, daß man ſie liebt,
man mag es verhehlen oder beſchönigen wollen, wie man will;
und man hat wieder Recht, nur nicht im Abläugnen gegen
ſich ſelbſt. Frau von L. wohnt ſehr hübſch und […]doch mit
einer ländlichen Ausſicht: ſie hat ihren alten Vater bei ſich.
Mama wohnte nie auf dem Lande: ich wünſchte ſie noch.


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[293/0301] deren Wagen an einem Einbug des Waſſers und Felſens hielten. Heerden gingen unter der Brücke durch den ſteinigen Fluß, Ziegen klimmten oben auf den Höhen, die Sonne flammte, dunkel und hell über Baumlaub, Sträuchern, Gras, Felſen, Berge. Mädchen ſangen komiſche Lieder zu Harfen. Frau von Ephr. war außer ſich, mich das alles ſehen zu laſ- ſen. Ich ging etwas. Wir fuhren nach Hauſe; gingen noch in den Park im ſchönen Mond. Ich erhielt einen Brief von Auguſt. — Mittwoch, den 21. Juni. Sehr ſchwüles Wetter. Es kam ein ſtarkes Gewitter mit beſonders heftigem Regen. Herzog Serra-Capriola von Nea- pel angekommen. Er war natürlich, und unterhaltend von ſeiner Reiſe. Als die Sonne unterging, wurde es ſehr win- dig; zur Nacht kam noch heftigerer Wind. Dieſen Tag machte ich die Bemerkung: daß, wenn man jemand heftig tadelt, alle ſeine Fehler, und ſein ganzes Unrecht eingeſteht; und nach ei- nem ſolchen noch ſo harten Geſtändniß ſagt: ich liebe ihn doch! — ſo liebt man ihn wirklich: und er verdient’s, weil er es zuwege bringt. Fängt man aber etwa ſo an: Ich bin doch F. ſehr gut, oder: ich bete doch die M. an, aber das muß ich von ihm ſagen, oder: dieſen Fehler hat ſie: ſo iſt es ausgemacht, daß dieſe Perſon nicht zugiebt, daß man ſie liebt, man mag es verhehlen oder beſchönigen wollen, wie man will; und man hat wieder Recht, nur nicht im Abläugnen gegen ſich ſelbſt. Frau von L. wohnt ſehr hübſch und doch mit einer ländlichen Ausſicht: ſie hat ihren alten Vater bei ſich. Mama wohnte nie auf dem Lande: ich wünſchte ſie noch.

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/301>, abgerufen am 22.11.2024.