Kaltes windiges Wetter mit Regenschauer. Gebadet, nicht besonders befunden. Von unserm Vorpostengefecht gehört. Ich faßte den Gedanken, daß wieder Krieg sein soll, nicht, war schrecklich ergriffen und verdutzt. -- Wir gingen Simson sehen in's Theater. Man gab es nicht schlecht. Das Sujet drang tiefer in meine Seele, machte mich reger, als irgend etwas hier in den ganzen neun Tagen. Es war mir lieb. Baden hat von den Bädern, die ich kenne, das beste Theater: auch der Saal ist schön, das Publikum vornehm.
Sonntag, den 25. Juni.
Gräßliches Wetter. Diner mit Kalenberg, Herzog Serra- Capriola und dem Spanier Labrador, den sie zu sehr fetiren. Er ist wie viele Südländer, wenn sie etwas gescheidt sind: das kennen sie nicht. Der Andre ist besser und einfacher. Wir fuhren nach St. Helena in einem wahren Sturmwind, ich meinte, es würde schneen. Wir trafen ganz Wien in Helena, im Thale war es besser. Wir fuhren nach; Gräfin Dietrich- stein, Frau von Mink und ich gingen in Johann von Wie- selburg, eine komische Oper, Jean de Paris travestirt. Gut gegeben. Elegantes Publikum. Als wir nach Hause kamen, war die Nachricht von Blüchers und Wellingtons Schlacht da. Gottlob, daß es nicht das Gegentheil ist! Aber wie schreck- lich in unwillkürlichen halb gelogenen Zuständen, die mir jede Faser erschütterten, fühlte ich den ganzen vorigen Krieg. Und vermißte dich sehr. Marquise Prie, Graf Keller, Alle blieben zu Tisch. Tausend Besuche kamen und gingen, die Freude
Sonnabend, den 24. Juni.
Kaltes windiges Wetter mit Regenſchauer. Gebadet, nicht beſonders befunden. Von unſerm Vorpoſtengefecht gehört. Ich faßte den Gedanken, daß wieder Krieg ſein ſoll, nicht, war ſchrecklich ergriffen und verdutzt. — Wir gingen Simſon ſehen in’s Theater. Man gab es nicht ſchlecht. Das Sujet drang tiefer in meine Seele, machte mich reger, als irgend etwas hier in den ganzen neun Tagen. Es war mir lieb. Baden hat von den Bädern, die ich kenne, das beſte Theater: auch der Saal iſt ſchön, das Publikum vornehm.
Sonntag, den 25. Juni.
Gräßliches Wetter. Diner mit Kalenberg, Herzog Serra- Capriola und dem Spanier Labrador, den ſie zu ſehr fètiren. Er iſt wie viele Südländer, wenn ſie etwas geſcheidt ſind: das kennen ſie nicht. Der Andre iſt beſſer und einfacher. Wir fuhren nach St. Helena in einem wahren Sturmwind, ich meinte, es würde ſchneen. Wir trafen ganz Wien in Helena, im Thale war es beſſer. Wir fuhren nach; Gräfin Dietrich- ſtein, Frau von Mink und ich gingen in Johann von Wie- ſelburg, eine komiſche Oper, Jean de Paris traveſtirt. Gut gegeben. Elegantes Publikum. Als wir nach Hauſe kamen, war die Nachricht von Blüchers und Wellingtons Schlacht da. Gottlob, daß es nicht das Gegentheil iſt! Aber wie ſchreck- lich in unwillkürlichen halb gelogenen Zuſtänden, die mir jede Faſer erſchütterten, fühlte ich den ganzen vorigen Krieg. Und vermißte dich ſehr. Marquiſe Prie, Graf Keller, Alle blieben zu Tiſch. Tauſend Beſuche kamen und gingen, die Freude
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Sonnabend, den 24. Juni.
Kaltes windiges Wetter mit Regenſchauer. Gebadet, nicht
beſonders befunden. Von unſerm Vorpoſtengefecht gehört. Ich
faßte den Gedanken, daß wieder Krieg ſein ſoll, nicht, war
ſchrecklich ergriffen und verdutzt. — Wir gingen Simſon ſehen
in’s Theater. Man gab es nicht ſchlecht. Das Sujet drang
tiefer in meine Seele, machte mich reger, als irgend etwas
hier in den ganzen neun Tagen. Es war mir lieb. Baden
hat von den Bädern, die ich kenne, das beſte Theater: auch
der Saal iſt ſchön, das Publikum vornehm.
Sonntag, den 25. Juni.
Gräßliches Wetter. Diner mit Kalenberg, Herzog Serra-
Capriola und dem Spanier Labrador, den ſie zu ſehr fètiren.
Er iſt wie viele Südländer, wenn ſie etwas geſcheidt ſind:
das kennen ſie nicht. Der Andre iſt beſſer und einfacher. Wir
fuhren nach St. Helena in einem wahren Sturmwind, ich
meinte, es würde ſchneen. Wir trafen ganz Wien in Helena,
im Thale war es beſſer. Wir fuhren nach; Gräfin Dietrich-
ſtein, Frau von Mink und ich gingen in Johann von Wie-
ſelburg, eine komiſche Oper, Jean de Paris traveſtirt. Gut
gegeben. Elegantes Publikum. Als wir nach Hauſe kamen,
war die Nachricht von Blüchers und Wellingtons Schlacht
da. Gottlob, daß es nicht das Gegentheil iſt! Aber wie ſchreck-
lich in unwillkürlichen halb gelogenen Zuſtänden, die mir jede
Faſer erſchütterten, fühlte ich den ganzen vorigen Krieg. Und
vermißte dich ſehr. Marquiſe Prie, Graf Keller, Alle blieben
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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