halten hätte. Jetzt nicht mehr. Zu bestimmt war unser Zu- sammensein, zu gut das Leben mit einander; zu groß dein Verlust; und also der meinige: zu allgemein und tief und lange unsere Mittheilungen; zu groß die Erlaubniß dazu, und die Sicherheit darin; und der Beschluß der Seele. Du verstehst mich. Ich bin wie verloren: ohne wahre Mitthei- lung; es sieht keiner die Dinge hier wie wir. Meine Weiber sind recht gut; aber bei weitem nicht bei mir. -- Ich höre alle Tage Graf Keller, General *, Fürst * *, und die ganze Welt sprechen. Die gehen von Punkten aus, wo ich nie hin- komme. -- Ich kenne alles von zu Hause: und regrettire es nicht: regrettire nur, daß dies zu Hause ist. Ich kenne alles aus jenem Kreise, von dem du mir schreibst: nur, daß sie sich so gar nichts aus mir machen, rückt sich mir immer aus den Seelenaugen. Weil sie wahrhaft von mir genährt sind, und ich es so gut, als sie, vergesse; und weil eben dann, Äußerungen, aus diesem Lande, Früchte dieses Erdreichs, wie von selbst, eine Verschwendung von Liebe voraussetzen, wie mit sich bringen; und so täusch' ich mich, glücklich und be- lohnt, meist selbst: und wenn ich mich nicht täusche, seh' ich's ein; und da mag der Teufel nicht vergeben. So soll es sein. Was wir sind, wissen wir nicht: wie wir sind, ist uns gege- ben; wären wir nicht gut, zum Guten, so müßten wir uns so machen; die Hölle ist ganz überflüssig. -- Du sprichst sehr schön von Menschen, und Naturschicksal! bei mir ist kein Wort verloren. -- Gehörig empört kann ich auch sein; das weißt du: besonders wenn mir die Elendigkeit grade schadet, und eine große Rolle spielt. -- Katti habe ich seit Wien nicht ge-
halten hätte. Jetzt nicht mehr. Zu beſtimmt war unſer Zu- ſammenſein, zu gut das Leben mit einander; zu groß dein Verluſt; und alſo der meinige: zu allgemein und tief und lange unſere Mittheilungen; zu groß die Erlaubniß dazu, und die Sicherheit darin; und der Beſchluß der Seele. Du verſtehſt mich. Ich bin wie verloren: ohne wahre Mitthei- lung; es ſieht keiner die Dinge hier wie wir. Meine Weiber ſind recht gut; aber bei weitem nicht bei mir. — Ich höre alle Tage Graf Keller, General *, Fürſt * *, und die ganze Welt ſprechen. Die gehen von Punkten aus, wo ich nie hin- komme. — Ich kenne alles von zu Hauſe: und regrettire es nicht: regrettire nur, daß dies zu Hauſe iſt. Ich kenne alles aus jenem Kreiſe, von dem du mir ſchreibſt: nur, daß ſie ſich ſo gar nichts aus mir machen, rückt ſich mir immer aus den Seelenaugen. Weil ſie wahrhaft von mir genährt ſind, und ich es ſo gut, als ſie, vergeſſe; und weil eben dann, Äußerungen, aus dieſem Lande, Früchte dieſes Erdreichs, wie von ſelbſt, eine Verſchwendung von Liebe vorausſetzen, wie mit ſich bringen; und ſo täuſch’ ich mich, glücklich und be- lohnt, meiſt ſelbſt: und wenn ich mich nicht täuſche, ſeh’ ich’s ein; und da mag der Teufel nicht vergeben. So ſoll es ſein. Was wir ſind, wiſſen wir nicht: wie wir ſind, iſt uns gege- ben; wären wir nicht gut, zum Guten, ſo müßten wir uns ſo machen; die Hölle iſt ganz überflüſſig. — Du ſprichſt ſehr ſchön von Menſchen, und Naturſchickſal! bei mir iſt kein Wort verloren. — Gehörig empört kann ich auch ſein; das weißt du: beſonders wenn mir die Elendigkeit grade ſchadet, und eine große Rolle ſpielt. — Katti habe ich ſeit Wien nicht ge-
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halten hätte. Jetzt nicht mehr. Zu beſtimmt war unſer Zu-
ſammenſein, zu gut das Leben mit einander; zu groß dein
Verluſt; und alſo der meinige: zu allgemein und tief und
lange unſere Mittheilungen; zu groß die Erlaubniß dazu,
und die Sicherheit darin; und der Beſchluß der Seele. Du
verſtehſt mich. Ich bin wie verloren: ohne wahre Mitthei-
lung; es ſieht keiner die Dinge hier wie wir. Meine Weiber
ſind recht gut; aber bei weitem nicht bei mir. — Ich höre
alle Tage Graf Keller, General *, Fürſt * *, und die ganze
Welt ſprechen. Die gehen von Punkten aus, wo ich nie hin-
komme. — Ich kenne alles von zu Hauſe: und regrettire es
nicht: regrettire nur, daß dies zu Hauſe iſt. Ich kenne
alles aus jenem Kreiſe, von dem du mir ſchreibſt: nur, daß
ſie ſich ſo gar nichts aus mir machen, rückt ſich mir immer
aus den Seelenaugen. Weil ſie wahrhaft von mir genährt
ſind, und ich es ſo gut, als ſie, vergeſſe; und weil eben dann,
Äußerungen, aus dieſem Lande, Früchte dieſes Erdreichs, wie
von ſelbſt, eine Verſchwendung von Liebe vorausſetzen, wie
mit ſich bringen; und ſo täuſch’ ich mich, glücklich und be-
lohnt, meiſt ſelbſt: und wenn ich mich nicht täuſche, ſeh’ ich’s
ein; und da mag der Teufel nicht vergeben. So ſoll es ſein.
Was wir ſind, wiſſen wir nicht: wie wir ſind, iſt uns gege-
ben; wären wir nicht gut, zum Guten, ſo müßten wir uns
ſo machen; die Hölle iſt ganz überflüſſig. — Du ſprichſt ſehr
ſchön von Menſchen, und Naturſchickſal! bei mir iſt kein Wort
verloren. — Gehörig empört kann ich auch ſein; das weißt
du: beſonders wenn mir die Elendigkeit grade ſchadet, und
eine große Rolle ſpielt. — Katti habe ich ſeit Wien nicht ge-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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