Pässe nach dem Hauptquartier zu geben, er reist also erst nach Stuttgart. Nach diesem Gang und dem Kaffee im Schloßhof, ging ich in den köstlichsten, gesundheitströmendsten Abend, noch einmal denselben Weg, mit Frau von Münk, und dem Fran- zosen; beinah bis zur Mühle, wo man durchgeht. Ich dachte an Goethe "eilende Bächlein." Er sieht alles, wie ich. Und was wir für einen großen Stern sahen! Der Franzose schnarrte immer, je n'en ai jamais vu de cette taille! Aber richtig! -- heute regnet's! Die Atmosphäre ist nur regen- schwanger gnädig in unsern Landen. Nachher kamen wir et- was spät zu Hause, wo wir Weiber, außer Marianen, die zu Bette war, mit dem alten Hausfreund, Baron Braun, soupir- ten. Eine Art Mann wie Schmidt, der Geheimerath, der al- les von der ganzen österreichischen Monarchie seit vierzig Jahren auswendig weiß. Der erzählte, mir sehr interessant, von ei- nem hypochondrischen Millionär, der nichts mehr ausgeben will, weil er den Untergang der Welt sieht, und vor fünfund- zwanzig Jahren -- er hat drei Fabriken in den Provinzen, wovon jede Einrichtung eine Million und mehr kostet, und wozu alles auf seinen Besitzungen gemacht wird, bis auf das Eisen zu den Rädern, bei ihm präparirt und geschmiedet; der größte Entrepreneur des Landes, und der größte Techniker etc. ich erzähl's dir! -- allen Verkehr plötzlich mit Frankreich aufgab, auch nicht einen Sous verlor; er hatte ein großes Vanquierhaus, wie Fries, Geymüller und Arnstein, welches er ganz aufgab, und die monstruösen Fabriken schuf. Er lebte größer, als irgend Einer in Wien; und bei seiner Einschrän- kung, und Krankheit, hat er für sich allein sechs Pferde,
eine
Päſſe nach dem Hauptquartier zu geben, er reiſt alſo erſt nach Stuttgart. Nach dieſem Gang und dem Kaffee im Schloßhof, ging ich in den köſtlichſten, geſundheitſtrömendſten Abend, noch einmal denſelben Weg, mit Frau von Münk, und dem Fran- zoſen; beinah bis zur Mühle, wo man durchgeht. Ich dachte an Goethe „eilende Bächlein.“ Er ſieht alles, wie ich. Und was wir für einen großen Stern ſahen! Der Franzoſe ſchnarrte immer, je n’en ai jamais vu de cette taille! Aber richtig! — heute regnet’s! Die Atmoſphäre iſt nur regen- ſchwanger gnädig in unſern Landen. Nachher kamen wir et- was ſpät zu Hauſe, wo wir Weiber, außer Marianen, die zu Bette war, mit dem alten Hausfreund, Baron Braun, ſoupir- ten. Eine Art Mann wie Schmidt, der Geheimerath, der al- les von der ganzen öſterreichiſchen Monarchie ſeit vierzig Jahren auswendig weiß. Der erzählte, mir ſehr intereſſant, von ei- nem hypochondriſchen Millionär, der nichts mehr ausgeben will, weil er den Untergang der Welt ſieht, und vor fünfund- zwanzig Jahren — er hat drei Fabriken in den Provinzen, wovon jede Einrichtung eine Million und mehr koſtet, und wozu alles auf ſeinen Beſitzungen gemacht wird, bis auf das Eiſen zu den Rädern, bei ihm präparirt und geſchmiedet; der größte Entrepreneur des Landes, und der größte Techniker ꝛc. ich erzähl’s dir! — allen Verkehr plötzlich mit Frankreich aufgab, auch nicht einen Sous verlor; er hatte ein großes Vanquierhaus, wie Fries, Geymüller und Arnſtein, welches er ganz aufgab, und die monſtruöſen Fabriken ſchuf. Er lebte größer, als irgend Einer in Wien; und bei ſeiner Einſchrän- kung, und Krankheit, hat er für ſich allein ſechs Pferde,
eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0312"n="304"/>
Päſſe nach dem Hauptquartier zu geben, er reiſt alſo erſt nach<lb/>
Stuttgart. Nach dieſem Gang und dem Kaffee im Schloßhof,<lb/>
ging ich in den köſtlichſten, geſundheitſtrömendſten Abend, noch<lb/>
einmal denſelben Weg, mit Frau von Münk, und dem Fran-<lb/>
zoſen; beinah bis zur Mühle, wo man durchgeht. Ich dachte<lb/>
an Goethe „eilende Bächlein.“ Er ſieht alles, wie ich. Und<lb/>
was wir für einen großen <hirendition="#g">Stern</hi>ſahen! Der Franzoſe<lb/>ſchnarrte immer, <hirendition="#aq">je n’en ai jamais vu de cette taille!</hi> Aber<lb/>
richtig! — heute regnet’s! Die Atmoſphäre iſt nur regen-<lb/>ſchwanger gnädig in unſern Landen. Nachher kamen wir et-<lb/>
was ſpät zu Hauſe, wo wir Weiber, außer Marianen, die zu<lb/>
Bette war, mit dem alten Hausfreund, Baron Braun, ſoupir-<lb/>
ten. Eine Art Mann wie Schmidt, der Geheimerath, der <hirendition="#g">al-<lb/>
les</hi> von der ganzen öſterreichiſchen Monarchie ſeit vierzig Jahren<lb/>
auswendig weiß. Der erzählte, mir ſehr intereſſant, von ei-<lb/>
nem hypochondriſchen Millionär, der nichts mehr ausgeben<lb/>
will, weil er den Untergang der Welt ſieht, und vor fünfund-<lb/>
zwanzig Jahren — er hat drei Fabriken in den Provinzen,<lb/>
wovon jede Einrichtung eine Million und mehr koſtet, und<lb/>
wozu alles auf ſeinen Beſitzungen gemacht wird, bis auf das<lb/>
Eiſen zu den Rädern, bei ihm präparirt und geſchmiedet; der<lb/>
größte Entrepreneur des Landes, und der größte Techniker ꝛc.<lb/>
ich <hirendition="#g">erzähl</hi>’s dir! — allen Verkehr plötzlich mit Frankreich<lb/>
aufgab, auch nicht einen Sous verlor; er hatte ein großes<lb/>
Vanquierhaus, wie Fries, Geymüller und Arnſtein, welches er<lb/><hirendition="#g">ganz</hi> aufgab, und die monſtruöſen Fabriken ſchuf. Er lebte<lb/>
größer, als irgend Einer in Wien; und bei ſeiner <hirendition="#g">Einſchrän-<lb/>
kung</hi>, und Krankheit, hat er für <hirendition="#g">ſich allein</hi>ſechs Pferde,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">eine</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[304/0312]
Päſſe nach dem Hauptquartier zu geben, er reiſt alſo erſt nach
Stuttgart. Nach dieſem Gang und dem Kaffee im Schloßhof,
ging ich in den köſtlichſten, geſundheitſtrömendſten Abend, noch
einmal denſelben Weg, mit Frau von Münk, und dem Fran-
zoſen; beinah bis zur Mühle, wo man durchgeht. Ich dachte
an Goethe „eilende Bächlein.“ Er ſieht alles, wie ich. Und
was wir für einen großen Stern ſahen! Der Franzoſe
ſchnarrte immer, je n’en ai jamais vu de cette taille! Aber
richtig! — heute regnet’s! Die Atmoſphäre iſt nur regen-
ſchwanger gnädig in unſern Landen. Nachher kamen wir et-
was ſpät zu Hauſe, wo wir Weiber, außer Marianen, die zu
Bette war, mit dem alten Hausfreund, Baron Braun, ſoupir-
ten. Eine Art Mann wie Schmidt, der Geheimerath, der al-
les von der ganzen öſterreichiſchen Monarchie ſeit vierzig Jahren
auswendig weiß. Der erzählte, mir ſehr intereſſant, von ei-
nem hypochondriſchen Millionär, der nichts mehr ausgeben
will, weil er den Untergang der Welt ſieht, und vor fünfund-
zwanzig Jahren — er hat drei Fabriken in den Provinzen,
wovon jede Einrichtung eine Million und mehr koſtet, und
wozu alles auf ſeinen Beſitzungen gemacht wird, bis auf das
Eiſen zu den Rädern, bei ihm präparirt und geſchmiedet; der
größte Entrepreneur des Landes, und der größte Techniker ꝛc.
ich erzähl’s dir! — allen Verkehr plötzlich mit Frankreich
aufgab, auch nicht einen Sous verlor; er hatte ein großes
Vanquierhaus, wie Fries, Geymüller und Arnſtein, welches er
ganz aufgab, und die monſtruöſen Fabriken ſchuf. Er lebte
größer, als irgend Einer in Wien; und bei ſeiner Einſchrän-
kung, und Krankheit, hat er für ſich allein ſechs Pferde,
eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/312>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.