Von der Stael sagte Rahel: "die nichts hat, als einen mich inkommodirenden Sturmwind. Es ist nichts Stilles in ihr."
Ich erinnerte sie an die Stelle in Schleiermachers Weih- nachtsfeier, wo die Kleine die Musik findet: ("Ach Musik, große Musik, Musik für mein ganzes Leben! Kinder, ihr sollt singen!") -- "O Gott, gnädiger Gott! rief sie ganz lei- denschaftlich aus, wie kannst du so etwas erlauben von dei- nem geistreichen Priester!" -- Wir lachten.
Von Schleiermachers Kritik der Ethik: "Es ist wie eine Fabrik von Hämmern, die das Höchste arbeiten, aber selbst nicht das Höchste sind."
Von der Orangerie im Maxischen Garten, einem finstern, inwendig verfallenen schmutzigen Loche mit großen trüben Fen- stern: "Das sei die Residenz des Gottes der Spinnen; da hause er, ganz hypochondrisch, von allen Göttern entfernt und mit ihnen verzürnt."
Wir redeten von den unbequemen österreichischen Wurst- wagen, und wie lächerlich es an dem alten Ligne sei, daß er, um den jungen zu spielen, darauf herum fahre. "Der, sagte Rahel, sollte sich lieber Probe tragen lassen auf einer Bahre, um zu sehen, ob seine Leiche es auch aushalten und nicht etwa wieder lebendig werden würde." Denselben, in einer gewissen Uniform, nannte sie den "Polizeikönig."
Von der Staĕl ſagte Rahel: „die nichts hat, als einen mich inkommodirenden Sturmwind. Es iſt nichts Stilles in ihr.“
Ich erinnerte ſie an die Stelle in Schleiermachers Weih- nachtsfeier, wo die Kleine die Muſik findet: („Ach Muſik, große Muſik, Muſik für mein ganzes Leben! Kinder, ihr ſollt ſingen!“) — „O Gott, gnädiger Gott! rief ſie ganz lei- denſchaftlich aus, wie kannſt du ſo etwas erlauben von dei- nem geiſtreichen Prieſter!“ — Wir lachten.
Von Schleiermachers Kritik der Ethik: „Es iſt wie eine Fabrik von Hämmern, die das Höchſte arbeiten, aber ſelbſt nicht das Höchſte ſind.“
Von der Orangerie im Maxiſchen Garten, einem finſtern, inwendig verfallenen ſchmutzigen Loche mit großen trüben Fen- ſtern: „Das ſei die Reſidenz des Gottes der Spinnen; da hauſe er, ganz hypochondriſch, von allen Göttern entfernt und mit ihnen verzürnt.“
Wir redeten von den unbequemen öſterreichiſchen Wurſt- wagen, und wie lächerlich es an dem alten Ligne ſei, daß er, um den jungen zu ſpielen, darauf herum fahre. „Der, ſagte Rahel, ſollte ſich lieber Probe tragen laſſen auf einer Bahre, um zu ſehen, ob ſeine Leiche es auch aushalten und nicht etwa wieder lebendig werden würde.“ Denſelben, in einer gewiſſen Uniform, nannte ſie den „Polizeikönig.“
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Von der Staĕl ſagte Rahel: „die nichts hat, als einen
mich inkommodirenden Sturmwind. Es iſt nichts Stilles in ihr.“
Ich erinnerte ſie an die Stelle in Schleiermachers Weih-
nachtsfeier, wo die Kleine die Muſik findet: („Ach Muſik,
große Muſik, Muſik für mein ganzes Leben! Kinder, ihr
ſollt ſingen!“) — „O Gott, gnädiger Gott! rief ſie ganz lei-
denſchaftlich aus, wie kannſt du ſo etwas erlauben von dei-
nem geiſtreichen Prieſter!“ — Wir lachten.
Von Schleiermachers Kritik der Ethik: „Es iſt wie eine
Fabrik von Hämmern, die das Höchſte arbeiten, aber ſelbſt
nicht das Höchſte ſind.“
Von der Orangerie im Maxiſchen Garten, einem finſtern,
inwendig verfallenen ſchmutzigen Loche mit großen trüben Fen-
ſtern: „Das ſei die Reſidenz des Gottes der Spinnen; da
hauſe er, ganz hypochondriſch, von allen Göttern entfernt und
mit ihnen verzürnt.“
Wir redeten von den unbequemen öſterreichiſchen Wurſt-
wagen, und wie lächerlich es an dem alten Ligne ſei, daß er,
um den jungen zu ſpielen, darauf herum fahre. „Der, ſagte
Rahel, ſollte ſich lieber Probe tragen laſſen auf einer Bahre,
um zu ſehen, ob ſeine Leiche es auch aushalten und nicht
etwa wieder lebendig werden würde.“ Denſelben, in einer
gewiſſen Uniform, nannte ſie den „Polizeikönig.“
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/39>, abgerufen am 23.11.2024.
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