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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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stehe ich? -- und was weiter ein Beschämungsgefühl kompo-
nirt! Wer solche Gewalt zu schreiben hat wie Sie, der muß
schreiben. Sie haben von Natur einen ganz gebildeten Stil;
das ist die Krone der Schreibegabe; dies bewunderte ich erst
in Ihrem letzten Brief, wo Sie nur Negatives, Ihre Unfähig-
keit zum Leben und Schreiben darlegen wollten, und dies ganz
positiv schön thaten. Sie genießen auch der besten Einsicht;
über alle Lebens- und Denkgegenstände eine großartige und
bestmögliche reine Beurtheilung der Karaktere, und Lebensvor-
fälle, sehr entfernt von allem was klein ist, und gemein sein
könnte: warum wollten Sie nicht leben? Mit schönen Kennt-
nissen, die dem allen einen äußern, auch für Andere zu erfas-
senden Werth geben, und Ihnen die Ausübung jedes Vorha-
bens bequem sein lassen. Setzen Sie sich mit Ihren Gedanken
nur wieder in den Lebensverkehr; denken Sie an Ihre Freunde,
an Mittheilung, an bessere Verhältnisse und Lagen, und An-
regungen, die dadurch, eine von den andern, entstehen werden;
und alles um Sie her wird lebendig werden, und Sie wieder
leben, und lebendig und rasch wirken. Denken Sie an mich,
wenn Sie nichts Besseres haben; wie es mich freuen würde;
theilen Sie mir in Gedanken und in Briefen alles mit; das
andere kommt nach. Machen Sie etwas und schicken Sie's
mir. Lesen Sie, und schreiben Sie mir davon! Sie schreiben
ganz vortrefflich. Kourage! Wenn auch das erste alte
Herz weg ist; es wächst ein neues, eine Nachpflanze, eine Art
Surrogat-Herz; und der Geist ist ewig! --

Ich gehe nach Mannheim, wo ich niemanden kenne, als

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ſtehe ich? — und was weiter ein Beſchämungsgefühl kompo-
nirt! Wer ſolche Gewalt zu ſchreiben hat wie Sie, der muß
ſchreiben. Sie haben von Natur einen ganz gebildeten Stil;
das iſt die Krone der Schreibegabe; dies bewunderte ich erſt
in Ihrem letzten Brief, wo Sie nur Negatives, Ihre Unfähig-
keit zum Leben und Schreiben darlegen wollten, und dies ganz
poſitiv ſchön thaten. Sie genießen auch der beſten Einſicht;
über alle Lebens- und Denkgegenſtände eine großartige und
beſtmögliche reine Beurtheilung der Karaktere, und Lebensvor-
fälle, ſehr entfernt von allem was klein iſt, und gemein ſein
könnte: warum wollten Sie nicht leben? Mit ſchönen Kennt-
niſſen, die dem allen einen äußern, auch für Andere zu erfaſ-
ſenden Werth geben, und Ihnen die Ausübung jedes Vorha-
bens bequem ſein laſſen. Setzen Sie ſich mit Ihren Gedanken
nur wieder in den Lebensverkehr; denken Sie an Ihre Freunde,
an Mittheilung, an beſſere Verhältniſſe und Lagen, und An-
regungen, die dadurch, eine von den andern, entſtehen werden;
und alles um Sie her wird lebendig werden, und Sie wieder
leben, und lebendig und raſch wirken. Denken Sie an mich,
wenn Sie nichts Beſſeres haben; wie es mich freuen würde;
theilen Sie mir in Gedanken und in Briefen alles mit; das
andere kommt nach. Machen Sie etwas und ſchicken Sie’s
mir. Leſen Sie, und ſchreiben Sie mir davon! Sie ſchreiben
ganz vortrefflich. Kourage! Wenn auch das erſte alte
Herz weg iſt; es wächſt ein neues, eine Nachpflanze, eine Art
Surrogat-Herz; und der Geiſt iſt ewig! —

Ich gehe nach Mannheim, wo ich niemanden kenne, als

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[387/0395] ſtehe ich? — und was weiter ein Beſchämungsgefühl kompo- nirt! Wer ſolche Gewalt zu ſchreiben hat wie Sie, der muß ſchreiben. Sie haben von Natur einen ganz gebildeten Stil; das iſt die Krone der Schreibegabe; dies bewunderte ich erſt in Ihrem letzten Brief, wo Sie nur Negatives, Ihre Unfähig- keit zum Leben und Schreiben darlegen wollten, und dies ganz poſitiv ſchön thaten. Sie genießen auch der beſten Einſicht; über alle Lebens- und Denkgegenſtände eine großartige und beſtmögliche reine Beurtheilung der Karaktere, und Lebensvor- fälle, ſehr entfernt von allem was klein iſt, und gemein ſein könnte: warum wollten Sie nicht leben? Mit ſchönen Kennt- niſſen, die dem allen einen äußern, auch für Andere zu erfaſ- ſenden Werth geben, und Ihnen die Ausübung jedes Vorha- bens bequem ſein laſſen. Setzen Sie ſich mit Ihren Gedanken nur wieder in den Lebensverkehr; denken Sie an Ihre Freunde, an Mittheilung, an beſſere Verhältniſſe und Lagen, und An- regungen, die dadurch, eine von den andern, entſtehen werden; und alles um Sie her wird lebendig werden, und Sie wieder leben, und lebendig und raſch wirken. Denken Sie an mich, wenn Sie nichts Beſſeres haben; wie es mich freuen würde; theilen Sie mir in Gedanken und in Briefen alles mit; das andere kommt nach. Machen Sie etwas und ſchicken Sie’s mir. Leſen Sie, und ſchreiben Sie mir davon! Sie ſchreiben ganz vortrefflich. Kourage! Wenn auch das erſte alte Herz weg iſt; es wächſt ein neues, eine Nachpflanze, eine Art Surrogat-Herz; und der Geiſt iſt ewig! — Ich gehe nach Mannheim, wo ich niemanden kenne, als 25 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/395>, abgerufen am 26.11.2024.