aber um 10 Uhr den Schaden mit Licht über den Hof leuch- ten! -- Die Großherzogin sah mich so an -- ich war zwei Logen von ihr -- daß ich sie nicht ansehn konnte: Madame de Walsh war mit ihr und der Großherzog. Es war nicht gepfropft voll. Von der Catalani mündlich. Ich kann nur mit äußerst gerechten Menschen und den außerordentlichsten Kennern von ihr sprechen. Sie hat nur Eine Sache gemacht, die ich noch nie hörte -- und die mir niemand zu bezeichnen wußte: ich kann es mündlich. Die Schlegel sprach mir da- von, aber nicht zum Verstehen. Dann hat sie noch Eins außerordentlich gemacht, welches ich aber schon kannte. Der Milder ihre Stimme (sage ich) ist schöner. Sie ist eine größte Sängerin, hat aber weder komische noch tragische Einfälle: und das hab' ich schon erlebt. Die Stimme und die Keh- lenfertigkeit ist größer, als die Seele, beherrscht diese, und nicht diese jene; wie zur höchsten Kunstharmonie nöthig. So viel nur! Sie kommt heute auf den Museumball, wo ich sie sehen will. Auch die Großherzogin kommt hin. Dieser Brief nur, weil ich ihn versprochen habe. Er kommt einige Stun- den früher, als ich. -- --
An Auguste Brede, in Stuttgart.
Mannheim, Sonnabend den 9. November 1816.
Was sonst mein Gräuel ist, daß heute kein Theater ist, erfuhr ich diesen Morgen mit Vergnügen, weil ich mir fest vorgenommen hatte, heute schreibst du ihr! Als ich eben
aber um 10 Uhr den Schaden mit Licht über den Hof leuch- ten! — Die Großherzogin ſah mich ſo an — ich war zwei Logen von ihr — daß ich ſie nicht anſehn konnte: Madame de Walſh war mit ihr und der Großherzog. Es war nicht gepfropft voll. Von der Catalani mündlich. Ich kann nur mit äußerſt gerechten Menſchen und den außerordentlichſten Kennern von ihr ſprechen. Sie hat nur Eine Sache gemacht, die ich noch nie hörte — und die mir niemand zu bezeichnen wußte: ich kann es mündlich. Die Schlegel ſprach mir da- von, aber nicht zum Verſtehen. Dann hat ſie noch Eins außerordentlich gemacht, welches ich aber ſchon kannte. Der Milder ihre Stimme (ſage ich) iſt ſchöner. Sie iſt eine größte Sängerin, hat aber weder komiſche noch tragiſche Einfälle: und das hab’ ich ſchon erlebt. Die Stimme und die Keh- lenfertigkeit iſt größer, als die Seele, beherrſcht dieſe, und nicht dieſe jene; wie zur höchſten Kunſtharmonie nöthig. So viel nur! Sie kommt heute auf den Muſeumball, wo ich ſie ſehen will. Auch die Großherzogin kommt hin. Dieſer Brief nur, weil ich ihn verſprochen habe. Er kommt einige Stun- den früher, als ich. — —
An Auguſte Brede, in Stuttgart.
Mannheim, Sonnabend den 9. November 1816.
Was ſonſt mein Gräuel iſt, daß heute kein Theater iſt, erfuhr ich dieſen Morgen mit Vergnügen, weil ich mir feſt vorgenommen hatte, heute ſchreibſt du ihr! Als ich eben
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aber um 10 Uhr den Schaden mit Licht über den Hof leuch-
ten! — Die Großherzogin ſah mich ſo an — ich war zwei
Logen von ihr — daß ich ſie nicht anſehn konnte: Madame
de Walſh war mit ihr und der Großherzog. Es war nicht
gepfropft voll. Von der Catalani mündlich. Ich kann nur
mit äußerſt gerechten Menſchen und den außerordentlichſten
Kennern von ihr ſprechen. Sie hat nur Eine Sache gemacht,
die ich noch nie hörte — und die mir niemand zu bezeichnen
wußte: ich kann es mündlich. Die Schlegel ſprach mir da-
von, aber nicht zum Verſtehen. Dann hat ſie noch Eins
außerordentlich gemacht, welches ich aber ſchon kannte. Der
Milder ihre Stimme (ſage ich) iſt ſchöner. Sie iſt eine größte
Sängerin, hat aber weder komiſche noch tragiſche Einfälle:
und das hab’ ich ſchon erlebt. Die Stimme und die Keh-
lenfertigkeit iſt größer, als die Seele, beherrſcht dieſe, und
nicht dieſe jene; wie zur höchſten Kunſtharmonie nöthig. So
viel nur! Sie kommt heute auf den Muſeumball, wo ich ſie
ſehen will. Auch die Großherzogin kommt hin. Dieſer Brief
nur, weil ich ihn verſprochen habe. Er kommt einige Stun-
den früher, als ich. — —
An Auguſte Brede, in Stuttgart.
Mannheim, Sonnabend den 9. November 1816.
Was ſonſt mein Gräuel iſt, daß heute kein Theater iſt,
erfuhr ich dieſen Morgen mit Vergnügen, weil ich mir feſt
vorgenommen hatte, heute ſchreibſt du ihr! Als ich eben
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/429>, abgerufen am 30.11.2024.
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