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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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stehen lebendig vor mir: und haben sogar die Freiheit bei
mir, wie die Möglichkeit, sich zu verändern, sich selbst ab-
handen zu kommen; -- welche Schicksalswogen können uns
nicht überspühlen! -- und blieben für mich doch Willisen; den
ich Einmal gesehen habe, in dessen Augen und Seele ich blicken
konnte, der für mich da war. Und so ist es auch eben so
gut, Lieber, als hätten Sie mir recht innig geschrieben; ich
bin Ihnen doch eben so gut, und es ist auch eben so gut.
Ich bin auch eben dieselbe: ich sei Ihnen gegenwärtig oder
nicht, Sie hätten je von mir gewußt oder nicht. Ich weiß
von Ihnen. Und es bleibt beim Alten, da die Möglichkeit,
daß Sie von einer, wie ich bin, wissen können, da ist. Ihren
Brief aus Tirlemont -- in welchem Ort ich selbst einen Tag
meines Lebens zugebracht habe, und wo mich eine alte
Wirthsmutter in zerstörte Kirchen führte, und von den me-
chants
sprach -- erhielt ich in Prag, nachdem er weit über sechs
Wochen alt war; und Sie schrieben darin, noch vier Wochen
blieben Sie dort. Seitdem, werden Sie nun von Varnhagen
wissen, durchwühlten wir die Welt, um zu erfahren, wo Sie
sind -- nur über Ihr Leben erhielt ich Gewißheit -- kein
Pfuel, keine Schleiermacher, kein Militair, nichts half. Den
Tag, eh' Ihr Brief aus Breslau ankam, schlug ich Varnh.
noch Einmal vor, Sie, wie Neumann vorigen Winter, in
den Zeitungen aufzurufen. Haben wir uns mit Ihrem Brief
gefreut? Lieber Willisen! Sind Sie froh in der Seele?
Ergötzt Sie das Leben dann und wann? "Lehrt Sie der
Abend hoffen: weckt Sie der Morgen zu neuen Freuden?"
(Egmont) oder ist es, Gott bewahre! "des Aus- und An-

ziehens

ſtehen lebendig vor mir: und haben ſogar die Freiheit bei
mir, wie die Möglichkeit, ſich zu verändern, ſich ſelbſt ab-
handen zu kommen; — welche Schickſalswogen können uns
nicht überſpühlen! — und blieben für mich doch Williſen; den
ich Einmal geſehen habe, in deſſen Augen und Seele ich blicken
konnte, der für mich da war. Und ſo iſt es auch eben ſo
gut, Lieber, als hätten Sie mir recht innig geſchrieben; ich
bin Ihnen doch eben ſo gut, und es iſt auch eben ſo gut.
Ich bin auch eben dieſelbe: ich ſei Ihnen gegenwärtig oder
nicht, Sie hätten je von mir gewußt oder nicht. Ich weiß
von Ihnen. Und es bleibt beim Alten, da die Möglichkeit,
daß Sie von einer, wie ich bin, wiſſen können, da iſt. Ihren
Brief aus Tirlemont — in welchem Ort ich ſelbſt einen Tag
meines Lebens zugebracht habe, und wo mich eine alte
Wirthsmutter in zerſtörte Kirchen führte, und von den mé-
chants
ſprach — erhielt ich in Prag, nachdem er weit über ſechs
Wochen alt war; und Sie ſchrieben darin, noch vier Wochen
blieben Sie dort. Seitdem, werden Sie nun von Varnhagen
wiſſen, durchwühlten wir die Welt, um zu erfahren, wo Sie
ſind — nur über Ihr Leben erhielt ich Gewißheit — kein
Pfuel, keine Schleiermacher, kein Militair, nichts half. Den
Tag, eh’ Ihr Brief aus Breslau ankam, ſchlug ich Varnh.
noch Einmal vor, Sie, wie Neumann vorigen Winter, in
den Zeitungen aufzurufen. Haben wir uns mit Ihrem Brief
gefreut? Lieber Williſen! Sind Sie froh in der Seele?
Ergötzt Sie das Leben dann und wann? „Lehrt Sie der
Abend hoffen: weckt Sie der Morgen zu neuen Freuden?“
(Egmont) oder iſt es, Gott bewahre! „des Aus- und An-

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[448/0456] ſtehen lebendig vor mir: und haben ſogar die Freiheit bei mir, wie die Möglichkeit, ſich zu verändern, ſich ſelbſt ab- handen zu kommen; — welche Schickſalswogen können uns nicht überſpühlen! — und blieben für mich doch Williſen; den ich Einmal geſehen habe, in deſſen Augen und Seele ich blicken konnte, der für mich da war. Und ſo iſt es auch eben ſo gut, Lieber, als hätten Sie mir recht innig geſchrieben; ich bin Ihnen doch eben ſo gut, und es iſt auch eben ſo gut. Ich bin auch eben dieſelbe: ich ſei Ihnen gegenwärtig oder nicht, Sie hätten je von mir gewußt oder nicht. Ich weiß von Ihnen. Und es bleibt beim Alten, da die Möglichkeit, daß Sie von einer, wie ich bin, wiſſen können, da iſt. Ihren Brief aus Tirlemont — in welchem Ort ich ſelbſt einen Tag meines Lebens zugebracht habe, und wo mich eine alte Wirthsmutter in zerſtörte Kirchen führte, und von den mé- chants ſprach — erhielt ich in Prag, nachdem er weit über ſechs Wochen alt war; und Sie ſchrieben darin, noch vier Wochen blieben Sie dort. Seitdem, werden Sie nun von Varnhagen wiſſen, durchwühlten wir die Welt, um zu erfahren, wo Sie ſind — nur über Ihr Leben erhielt ich Gewißheit — kein Pfuel, keine Schleiermacher, kein Militair, nichts half. Den Tag, eh’ Ihr Brief aus Breslau ankam, ſchlug ich Varnh. noch Einmal vor, Sie, wie Neumann vorigen Winter, in den Zeitungen aufzurufen. Haben wir uns mit Ihrem Brief gefreut? Lieber Williſen! Sind Sie froh in der Seele? Ergötzt Sie das Leben dann und wann? „Lehrt Sie der Abend hoffen: weckt Sie der Morgen zu neuen Freuden?“ (Egmont) oder iſt es, Gott bewahre! „des Aus- und An- ziehens

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/456>, abgerufen am 22.11.2024.