hatte nämlich schon längst eine Ahndung, daß Nichts auch wohl Etwas sein könne; und in dieser hat er mich sehr scharfsinnig bestärkt. Warum der aber Fichte'n so abthuend behandelt, ist mir ein Räthsel; da er, nur mit andern Wor- ten, ein ganz ordentlicher Fichtianer ist? Von seinem Sprunge, den er nach der Erklärung des Nichts oder der Welt thut, nicht zu sprechen, wo er auch dann Fichte ganz verläßt. Meine Keckheit aber, über diese Dialogues -- wie Sie mir nachsprechen -- hab' ich mir aus ihnen selbst entschuldigt: er wird doch nicht mehr Respekt verlangen, als er Fichte'n be- zeigt! Sie sehen nun, was mich in diesem Buche verdroß, und freute. Wenn Sie aber künftig noch so gnädig im Bü- cherleihen für mich gesinnt sein könnten, so versprech' ich Ih- nen, nie wieder ein schriftlich oder mündlich Wort darüber zu sagen. --
An Auguste Brede, in Stuttgart.
Karlsruhe, den 2. December 1817. Dienstag 11 Uhr
Morgens, nasses Schneewetter.
Alles kann sich unverhofft ändern, das Unvorhergesehenste ereignen, aus recht Schlechtem grad Gutes entstehen; so denk' ich schon lange, wenn mich Unglück krümmt; weil es mir schon oft so geschehen ist. Und was ich mir selbst sage, weiß ich auch nur meinen Freunden zu sagen. Es ist unerhört, daß man nie fertig wird, nie sicher ist. Alle Tage muß man kämpfen, einen nach dem andren herunter kämpfen. Und das -- für kleine Viertelstunden, wo man vorgiebt zu leben; denn ganz
II. 33
hatte nämlich ſchon längſt eine Ahndung, daß Nichts auch wohl Etwas ſein könne; und in dieſer hat er mich ſehr ſcharfſinnig beſtärkt. Warum der aber Fichte’n ſo abthuend behandelt, iſt mir ein Räthſel; da er, nur mit andern Wor- ten, ein ganz ordentlicher Fichtianer iſt? Von ſeinem Sprunge, den er nach der Erklärung des Nichts oder der Welt thut, nicht zu ſprechen, wo er auch dann Fichte ganz verläßt. Meine Keckheit aber, über dieſe Dialogues — wie Sie mir nachſprechen — hab’ ich mir aus ihnen ſelbſt entſchuldigt: er wird doch nicht mehr Reſpekt verlangen, als er Fichte’n be- zeigt! Sie ſehen nun, was mich in dieſem Buche verdroß, und freute. Wenn Sie aber künftig noch ſo gnädig im Bü- cherleihen für mich geſinnt ſein könnten, ſo verſprech’ ich Ih- nen, nie wieder ein ſchriftlich oder mündlich Wort darüber zu ſagen. —
An Auguſte Brede, in Stuttgart.
Karlsruhe, den 2. December 1817. Dienstag 11 Uhr
Morgens, naſſes Schneewetter.
Alles kann ſich unverhofft ändern, das Unvorhergeſehenſte ereignen, aus recht Schlechtem grad Gutes entſtehen; ſo denk’ ich ſchon lange, wenn mich Unglück krümmt; weil es mir ſchon oft ſo geſchehen iſt. Und was ich mir ſelbſt ſage, weiß ich auch nur meinen Freunden zu ſagen. Es iſt unerhört, daß man nie fertig wird, nie ſicher iſt. Alle Tage muß man kämpfen, einen nach dem andren herunter kämpfen. Und das — für kleine Viertelſtunden, wo man vorgiebt zu leben; denn ganz
II. 33
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hatte nämlich ſchon längſt eine Ahndung, daß Nichts auch
wohl Etwas ſein könne; und in dieſer hat er mich ſehr
ſcharfſinnig beſtärkt. Warum der aber Fichte’n ſo abthuend
behandelt, iſt mir ein Räthſel; da er, nur mit andern Wor-
ten, ein ganz ordentlicher Fichtianer iſt? Von ſeinem Sprunge,
den er nach der Erklärung des Nichts oder der Welt thut,
nicht zu ſprechen, wo er auch dann Fichte ganz verläßt.
Meine Keckheit aber, über dieſe Dialogues — wie Sie mir
nachſprechen — hab’ ich mir aus ihnen ſelbſt entſchuldigt: er
wird doch nicht mehr Reſpekt verlangen, als er Fichte’n be-
zeigt! Sie ſehen nun, was mich in dieſem Buche verdroß,
und freute. Wenn Sie aber künftig noch ſo gnädig im Bü-
cherleihen für mich geſinnt ſein könnten, ſo verſprech’ ich Ih-
nen, nie wieder ein ſchriftlich oder mündlich Wort darüber
zu ſagen. —
An Auguſte Brede, in Stuttgart.
Karlsruhe, den 2. December 1817. Dienstag 11 Uhr
Morgens, naſſes Schneewetter.
Alles kann ſich unverhofft ändern, das Unvorhergeſehenſte
ereignen, aus recht Schlechtem grad Gutes entſtehen; ſo denk’
ich ſchon lange, wenn mich Unglück krümmt; weil es mir ſchon
oft ſo geſchehen iſt. Und was ich mir ſelbſt ſage, weiß ich auch
nur meinen Freunden zu ſagen. Es iſt unerhört, daß man
nie fertig wird, nie ſicher iſt. Alle Tage muß man kämpfen,
einen nach dem andren herunter kämpfen. Und das — für
kleine Viertelſtunden, wo man vorgiebt zu leben; denn ganz
II. 33
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/521>, abgerufen am 22.11.2024.
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