Aachen, und in Tirlemont, und in all den Orten an Sie denken mußte, dachte, von Ihnen sprach, wissen Sie. Aachen ist ein heiterer schöner Ort geworden; Brüssel eine englische Kolonie. Auch Lüttich hat sich in Ansehen und Reinlichkeit sehr verbessert. Den Oktober und November wartete ich in Frankfurt auf Varnhagen, der in Berlin war. Vor drei Wo- chen kam einen Morgen plötzlich im Durchflug auf eine Stunde Ihr Neffe Archibald zu mir, wir freuten uns unendlich beide. Er ist derb, brav, tapfer, und so grund-natürlich, daß er dies alles von sich nicht weiß. Unaussprechlich kräftig und natürlich fand ich ihn: wie jetzt so leicht keiner bleibt; der Aufenthalt in Frankreich hat ihm dazu wohlgethan, vielem Dünkel und Wortqualm ist er dadurch entgangen. Er kam aus Stenay, wo er unter General Zieten steht. Er wollte quer durch nach Böhmen, nach Schlesien, zu seiner Schwester, zu seiner Frau nach Danzig, ob sie mit nach Stenay will, wo er den 27. d. wieder sein muß. Er fragte mich rasch und viel nach seiner Tante: ich sollte sie grüßen, und ihr sagen, er schleppe sich mit einer Summe umher, die er ihr abzuge- ben habe, ohne zu wissen wo sie ist. Nun weiß er's. Auch General Tettenborn freute sich in dem kurzen Morgen sehr mit ihm. Von Archibald freute mich, daß sein Herz Ge- dächtniß hat! besseres, als das berühmte von * *. Er äußerte derbe Freude, mich und Robert zu sehen, und suchte mich schon diesen Sommer hier im Durchreisen bei Tettenborn. Was macht der Onkel? was Angelika? Empfehlen Sie mich ihnen. Schreiben Sie mir, theure Gräfin! und alles von Ih- nen und Paris! Landstände, Pairskammern, Preßfreiheit, en-
Aachen, und in Tirlemont, und in all den Orten an Sie denken mußte, dachte, von Ihnen ſprach, wiſſen Sie. Aachen iſt ein heiterer ſchöner Ort geworden; Brüſſel eine engliſche Kolonie. Auch Lüttich hat ſich in Anſehen und Reinlichkeit ſehr verbeſſert. Den Oktober und November wartete ich in Frankfurt auf Varnhagen, der in Berlin war. Vor drei Wo- chen kam einen Morgen plötzlich im Durchflug auf eine Stunde Ihr Neffe Archibald zu mir, wir freuten uns unendlich beide. Er iſt derb, brav, tapfer, und ſo grund-natürlich, daß er dies alles von ſich nicht weiß. Unausſprechlich kräftig und natürlich fand ich ihn: wie jetzt ſo leicht keiner bleibt; der Aufenthalt in Frankreich hat ihm dazu wohlgethan, vielem Dünkel und Wortqualm iſt er dadurch entgangen. Er kam aus Stenay, wo er unter General Zieten ſteht. Er wollte quer durch nach Böhmen, nach Schleſien, zu ſeiner Schweſter, zu ſeiner Frau nach Danzig, ob ſie mit nach Stenay will, wo er den 27. d. wieder ſein muß. Er fragte mich raſch und viel nach ſeiner Tante: ich ſollte ſie grüßen, und ihr ſagen, er ſchleppe ſich mit einer Summe umher, die er ihr abzuge- ben habe, ohne zu wiſſen wo ſie iſt. Nun weiß er’s. Auch General Tettenborn freute ſich in dem kurzen Morgen ſehr mit ihm. Von Archibald freute mich, daß ſein Herz Ge- dächtniß hat! beſſeres, als das berühmte von * *. Er äußerte derbe Freude, mich und Robert zu ſehen, und ſuchte mich ſchon dieſen Sommer hier im Durchreiſen bei Tettenborn. Was macht der Onkel? was Angelika? Empfehlen Sie mich ihnen. Schreiben Sie mir, theure Gräfin! und alles von Ih- nen und Paris! Landſtände, Pairskammern, Preßfreiheit, en-
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Aachen, und in Tirlemont, und in all den Orten an Sie
denken mußte, dachte, von Ihnen ſprach, wiſſen Sie. Aachen
iſt ein heiterer ſchöner Ort geworden; Brüſſel eine engliſche
Kolonie. Auch Lüttich hat ſich in Anſehen und Reinlichkeit
ſehr verbeſſert. Den Oktober und November wartete ich in
Frankfurt auf Varnhagen, der in Berlin war. Vor drei Wo-
chen kam einen Morgen plötzlich im Durchflug auf eine Stunde
Ihr Neffe Archibald zu mir, wir freuten uns unendlich
beide. Er iſt derb, brav, tapfer, und ſo grund-natürlich, daß
er dies alles von ſich nicht weiß. Unausſprechlich kräftig und
natürlich fand ich ihn: wie jetzt ſo leicht keiner bleibt; der
Aufenthalt in Frankreich hat ihm dazu wohlgethan, vielem
Dünkel und Wortqualm iſt er dadurch entgangen. Er kam
aus Stenay, wo er unter General Zieten ſteht. Er wollte
quer durch nach Böhmen, nach Schleſien, zu ſeiner Schweſter,
zu ſeiner Frau nach Danzig, ob ſie mit nach Stenay will,
wo er den 27. d. wieder ſein muß. Er fragte mich raſch und
viel nach ſeiner Tante: ich ſollte ſie grüßen, und ihr ſagen,
er ſchleppe ſich mit einer Summe umher, die er ihr abzuge-
ben habe, ohne zu wiſſen wo ſie iſt. Nun weiß er’s. Auch
General Tettenborn freute ſich in dem kurzen Morgen ſehr
mit ihm. Von Archibald freute mich, daß ſein Herz Ge-
dächtniß hat! beſſeres, als das berühmte von * *.
Er äußerte derbe Freude, mich und Robert zu ſehen, und ſuchte
mich ſchon dieſen Sommer hier im Durchreiſen bei Tettenborn.
Was macht der Onkel? was Angelika? Empfehlen Sie mich
ihnen. Schreiben Sie mir, theure Gräfin! und alles von Ih-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/531>, abgerufen am 22.11.2024.
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