Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Dore will absolut grüßen: richtet schon alles ein; und ist
ganz außer sich: ich auch. Adieu!


Vormittag. Feiertag, still, Sonnenschein: warmes März-
wetter: alles schlägt aus, und will ausschlagen: doch ist es
windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer schlaflosen
Nacht, wegen Nervenirritation melancholischer als je. Eine
Lust, eine Sehnsucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht.
Wem könnt' ich alles sagen, und vertrauen, als dir: und
heute möchte ich das so gern! -- -- Ich bitte euch, laßt mich
keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du früh kommst. Der An-
fang des Sommers, der Frühling soll uns vereinigen. Ich kann
nichts mehr schreiben; ich ward von einem albernen Besuch
vom Lande gestört: wo mir Einer ellenlange dumme Sa-
chen vorerzählte. Also! Günstige Antwort! Du Rose! Äng-
stige dich nicht dabei, wenn sie ungünstig sein muß!



An Karoline von Woltmann, in Prag.


Widriges, unstätes, unbrauchbares Frühlingswetter.

Sie, liebe Freundin, werden mein Federverstummen nicht
an meinem Herzen für Sie abmessen wollen! Ich hatte Sie,
während er lebte, über Ihren Freund gesprochen, ich habe sie
mit einander leben sehn. Ein Todtschlag, auch aller Gefühle
und Worte darüber, aller Äußerungen, war dieser Sterbefall
für mich, weil ich Sie kannte; da ist nichts zu sagen, das
ist wie unser eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu fas-

Dore will abſolut grüßen: richtet ſchon alles ein; und iſt
ganz außer ſich: ich auch. Adieu!


Vormittag. Feiertag, ſtill, Sonnenſchein: warmes März-
wetter: alles ſchlägt aus, und will ausſchlagen: doch iſt es
windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer ſchlafloſen
Nacht, wegen Nervenirritation melancholiſcher als je. Eine
Luſt, eine Sehnſucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht.
Wem könnt’ ich alles ſagen, und vertrauen, als dir: und
heute möchte ich das ſo gern! — — Ich bitte euch, laßt mich
keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du früh kommſt. Der An-
fang des Sommers, der Frühling ſoll uns vereinigen. Ich kann
nichts mehr ſchreiben; ich ward von einem albernen Beſuch
vom Lande geſtört: wo mir Einer ellenlange dumme Sa-
chen vorerzählte. Alſo! Günſtige Antwort! Du Roſe! Äng-
ſtige dich nicht dabei, wenn ſie ungünſtig ſein muß!



An Karoline von Woltmann, in Prag.


Widriges, unſtätes, unbrauchbares Frühlingswetter.

Sie, liebe Freundin, werden mein Federverſtummen nicht
an meinem Herzen für Sie abmeſſen wollen! Ich hatte Sie,
während er lebte, über Ihren Freund geſprochen, ich habe ſie
mit einander leben ſehn. Ein Todtſchlag, auch aller Gefühle
und Worte darüber, aller Äußerungen, war dieſer Sterbefall
für mich, weil ich Sie kannte; da iſt nichts zu ſagen, das
iſt wie unſer eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu faſ-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0534" n="526"/>
            <p>Dore will ab&#x017F;olut grüßen: richtet &#x017F;chon alles ein; und i&#x017F;t<lb/>
ganz außer &#x017F;ich: ich auch. Adieu!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Freitag, den 20. März.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Vormittag. Feiertag, &#x017F;till, Sonnen&#x017F;chein: warmes März-<lb/>
wetter: alles &#x017F;chlägt aus, und will aus&#x017F;chlagen: doch i&#x017F;t es<lb/>
windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer &#x017F;chlaflo&#x017F;en<lb/>
Nacht, wegen Nervenirritation melancholi&#x017F;cher als <hi rendition="#g">je</hi>. Eine<lb/>
Lu&#x017F;t, eine Sehn&#x017F;ucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht.<lb/>
Wem könnt&#x2019; ich <hi rendition="#g">alles</hi> &#x017F;agen, und vertrauen, als dir: und<lb/>
heute möchte ich das &#x017F;o gern! &#x2014; &#x2014; Ich bitte euch, laßt mich<lb/>
keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du <hi rendition="#g">früh</hi> komm&#x017F;t. Der An-<lb/>
fang des Sommers, der Frühling &#x017F;oll uns vereinigen. Ich kann<lb/>
nichts mehr &#x017F;chreiben; ich ward von einem albernen Be&#x017F;uch<lb/>
vom Lande <hi rendition="#g">ge&#x017F;tört</hi>: wo mir Einer <hi rendition="#g">ellenl</hi>ange dumme Sa-<lb/>
chen vorerzählte. Al&#x017F;o! Gün&#x017F;tige Antwort! <hi rendition="#g">Du</hi> Ro&#x017F;e! Äng-<lb/>
&#x017F;tige dich nicht dabei, wenn &#x017F;ie ungün&#x017F;tig &#x017F;ein muß!</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Karoline von Woltmann, in Prag.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Karlsruhe, den 26. März 1818.</hi> </dateline><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Widriges, un&#x017F;tätes, unbrauchbares Frühlingswetter.</hi> </p><lb/>
          <p>Sie, liebe Freundin, werden mein Federver&#x017F;tummen nicht<lb/>
an meinem Herzen für Sie abme&#x017F;&#x017F;en wollen! Ich hatte Sie,<lb/>
während er lebte, über Ihren Freund ge&#x017F;prochen, ich habe &#x017F;ie<lb/>
mit einander leben &#x017F;ehn. Ein Todt&#x017F;chlag, auch aller Gefühle<lb/>
und Worte darüber, aller Äußerungen, war die&#x017F;er Sterbefall<lb/>
für mich, weil ich Sie kannte; da i&#x017F;t nichts zu &#x017F;agen, das<lb/>
i&#x017F;t wie un&#x017F;er eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu fa&#x017F;-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[526/0534] Dore will abſolut grüßen: richtet ſchon alles ein; und iſt ganz außer ſich: ich auch. Adieu! Freitag, den 20. März. Vormittag. Feiertag, ſtill, Sonnenſchein: warmes März- wetter: alles ſchlägt aus, und will ausſchlagen: doch iſt es windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer ſchlafloſen Nacht, wegen Nervenirritation melancholiſcher als je. Eine Luſt, eine Sehnſucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht. Wem könnt’ ich alles ſagen, und vertrauen, als dir: und heute möchte ich das ſo gern! — — Ich bitte euch, laßt mich keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du früh kommſt. Der An- fang des Sommers, der Frühling ſoll uns vereinigen. Ich kann nichts mehr ſchreiben; ich ward von einem albernen Beſuch vom Lande geſtört: wo mir Einer ellenlange dumme Sa- chen vorerzählte. Alſo! Günſtige Antwort! Du Roſe! Äng- ſtige dich nicht dabei, wenn ſie ungünſtig ſein muß! An Karoline von Woltmann, in Prag. Karlsruhe, den 26. März 1818. Widriges, unſtätes, unbrauchbares Frühlingswetter. Sie, liebe Freundin, werden mein Federverſtummen nicht an meinem Herzen für Sie abmeſſen wollen! Ich hatte Sie, während er lebte, über Ihren Freund geſprochen, ich habe ſie mit einander leben ſehn. Ein Todtſchlag, auch aller Gefühle und Worte darüber, aller Äußerungen, war dieſer Sterbefall für mich, weil ich Sie kannte; da iſt nichts zu ſagen, das iſt wie unſer eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu faſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/534
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/534>, abgerufen am 22.11.2024.