sen! Nichts erregte mich aus dieser tiefsinnigen Stumpfheit, beleuchtete zuerst die dunklen Wogen in des Busens Tiefe, als die wahrhaft schöne Weise, wie Sie den Verlust auffaß- ten und ausdrückten! Ein Künstler im Unglücke, im Schmerz, -- meine höchste Bewunderung, aber der gleich, die ich für einen Virtuosen empfinde, woraus gleich die leidenschaft- lichste Liebe für ihn entspringt, und die größte Dankbarkeit gegen die Natur, die so schön machte und beschenkte! -- Daß Woltmanns Ende hier durch Sie so wirken mußte, ist Ihnen gewiß eine genugthuende Betrachtung! Aber in's Tiefste ge- kränkt war ich, und bin es noch, daß er so schmerzvoll leiden mußte. Es bleibt entsetzlich, daß ein Mensch, ein Wesen mit Gedanken, fähig ist, gemartert zu werden. Wissen Sie, die bloße Möglichkeit, die Vorstellung davon, bringt mich in meinem ruhigen Bette oft zur angstvollsten Spannung; das ist meine größte Hypochondrie, erst vorgestern Nacht bekam ich von solchen Gedanken einen schwindelnden Blutzufluß nach dem Kopfe, ein Dröhnen in den Händen, und einen Schreck in der Brust. Nein, zu Ihnen kann ich mich gar nicht ver- gleichen! Und wenn ich Stärke habe, so kommt sie mir auf eine so andre Weise als Ihnen zu, daß ich mich dabei nicht liebenswürdig finde; bei Ihnen wird es ein schönes Ge- bild, Ihr Schmerz, Ihr Leid, weil sie zur That, zur ruhigen That, werden, eine Gestaltung zum Weiterleben, zum Weiter- bilden, eine Art Elysium, wo, wenn auch nur Gedanken ge- bildet werden, sie doch für Sie und Andere ein abgeschlossenes schönes Leben führen, unserem Schönsten ähnlich, und an- feuernd hier zum Weiterhandeln; kurz, bei Ihnen wird der
ſen! Nichts erregte mich aus dieſer tiefſinnigen Stumpfheit, beleuchtete zuerſt die dunklen Wogen in des Buſens Tiefe, als die wahrhaft ſchöne Weiſe, wie Sie den Verluſt auffaß- ten und ausdrückten! Ein Künſtler im Unglücke, im Schmerz, — meine höchſte Bewunderung, aber der gleich, die ich für einen Virtuoſen empfinde, woraus gleich die leidenſchaft- lichſte Liebe für ihn entſpringt, und die größte Dankbarkeit gegen die Natur, die ſo ſchön machte und beſchenkte! — Daß Woltmanns Ende hier durch Sie ſo wirken mußte, iſt Ihnen gewiß eine genugthuende Betrachtung! Aber in’s Tiefſte ge- kränkt war ich, und bin es noch, daß er ſo ſchmerzvoll leiden mußte. Es bleibt entſetzlich, daß ein Menſch, ein Weſen mit Gedanken, fähig iſt, gemartert zu werden. Wiſſen Sie, die bloße Möglichkeit, die Vorſtellung davon, bringt mich in meinem ruhigen Bette oft zur angſtvollſten Spannung; das iſt meine größte Hypochondrie, erſt vorgeſtern Nacht bekam ich von ſolchen Gedanken einen ſchwindelnden Blutzufluß nach dem Kopfe, ein Dröhnen in den Händen, und einen Schreck in der Bruſt. Nein, zu Ihnen kann ich mich gar nicht ver- gleichen! Und wenn ich Stärke habe, ſo kommt ſie mir auf eine ſo andre Weiſe als Ihnen zu, daß ich mich dabei nicht liebenswürdig finde; bei Ihnen wird es ein ſchönes Ge- bild, Ihr Schmerz, Ihr Leid, weil ſie zur That, zur ruhigen That, werden, eine Geſtaltung zum Weiterleben, zum Weiter- bilden, eine Art Elyſium, wo, wenn auch nur Gedanken ge- bildet werden, ſie doch für Sie und Andere ein abgeſchloſſenes ſchönes Leben führen, unſerem Schönſten ähnlich, und an- feuernd hier zum Weiterhandeln; kurz, bei Ihnen wird der
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ſen! Nichts erregte mich aus dieſer tiefſinnigen Stumpfheit,
beleuchtete zuerſt die dunklen Wogen in des Buſens Tiefe,
als die wahrhaft ſchöne Weiſe, wie Sie den Verluſt auffaß-
ten und ausdrückten! Ein Künſtler im Unglücke, im Schmerz,
— meine höchſte Bewunderung, aber der gleich, die ich
für einen Virtuoſen empfinde, woraus gleich die leidenſchaft-
lichſte Liebe für ihn entſpringt, und die größte Dankbarkeit
gegen die Natur, die ſo ſchön machte und beſchenkte! — Daß
Woltmanns Ende hier durch Sie ſo wirken mußte, iſt Ihnen
gewiß eine genugthuende Betrachtung! Aber in’s Tiefſte ge-
kränkt war ich, und bin es noch, daß er ſo ſchmerzvoll leiden
mußte. Es bleibt entſetzlich, daß ein Menſch, ein Weſen
mit Gedanken, fähig iſt, gemartert zu werden. Wiſſen Sie,
die bloße Möglichkeit, die Vorſtellung davon, bringt mich in
meinem ruhigen Bette oft zur angſtvollſten Spannung; das
iſt meine größte Hypochondrie, erſt vorgeſtern Nacht bekam
ich von ſolchen Gedanken einen ſchwindelnden Blutzufluß nach
dem Kopfe, ein Dröhnen in den Händen, und einen Schreck
in der Bruſt. Nein, zu Ihnen kann ich mich gar nicht ver-
gleichen! Und wenn ich Stärke habe, ſo kommt ſie mir auf
eine ſo andre Weiſe als Ihnen zu, daß ich mich dabei nicht
liebenswürdig finde; bei Ihnen wird es ein ſchönes Ge-
bild, Ihr Schmerz, Ihr Leid, weil ſie zur That, zur ruhigen
That, werden, eine Geſtaltung zum Weiterleben, zum Weiter-
bilden, eine Art Elyſium, wo, wenn auch nur Gedanken ge-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/535>, abgerufen am 22.11.2024.
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