Bergen sieht; zwischen Heidelberg, Mannheim, Straßburg- Frankfurt, kurz, bei zwanzig angenehmen Orten, alle nur einen Tag weit, und die meisten mit Theater und einem gewissen Wohlleben. Anderes fehlt sehr. Dieser Defizit geht mit uns zur Leiche! -- Ich liebe Böhmen zu sehr. Und, begreifen Sie mein schlechtes Herz! -- ich sehne mich mehr nach Orten, als bestimmt nach Menschen. Bei den Orten stell' ich mir auch gleich die Menschen vor. Wo wohnen Sie denn jetzt in Prag? Mit einer Aussicht? Ich will hoffen! --
An die Prinzessin Amalia von Baden.
Karlsruhe, Frühjahr 1818.
Daß Ew. Hoheit unwohl sind, ist mir ein wahres Leid; ich komme aber nun um so lieber, da ich Ihnen wirklich eini- ger Trost zu sein hoffe. Ich kann über den Hergang des ge- strigen Ereignisses genau berichten: wenn ich auch mehr von einer Sache weiß, als ich von ihr sehe, so glaube ich doch deßhalb nie, daß ich mehr von ihr sehe, als sie wirklich zeigt. Und mein Sinn läßt sich durch nichts befangen! Frau von Schlegel sagte mir einmal in Frankfurt: wenn ich nach Karlsruhe käme, und Jung-Stilling sähe, müsse ich ihr etwas über ihn schreiben, aber ganz naiv, so wie ich ihn fände. "Ganz naiv, gewiß", antwortete ich, "ich kann dies verspre- chen, und es wird doch naiv werden." Schon von fern, und noch schüchtern, edle Freundin, hat Ihr reiner hoher Sinn gleich klar in mein Innres geblickt; Sie werden so fortfahren,
Bergen ſieht; zwiſchen Heidelberg, Mannheim, Straßburg- Frankfurt, kurz, bei zwanzig angenehmen Orten, alle nur einen Tag weit, und die meiſten mit Theater und einem gewiſſen Wohlleben. Anderes fehlt ſehr. Dieſer Defizit geht mit uns zur Leiche! — Ich liebe Böhmen zu ſehr. Und, begreifen Sie mein ſchlechtes Herz! — ich ſehne mich mehr nach Orten, als beſtimmt nach Menſchen. Bei den Orten ſtell’ ich mir auch gleich die Menſchen vor. Wo wohnen Sie denn jetzt in Prag? Mit einer Ausſicht? Ich will hoffen! —
An die Prinzeſſin Amalia von Baden.
Karlsruhe, Frühjahr 1818.
Daß Ew. Hoheit unwohl ſind, iſt mir ein wahres Leid; ich komme aber nun um ſo lieber, da ich Ihnen wirklich eini- ger Troſt zu ſein hoffe. Ich kann über den Hergang des ge- ſtrigen Ereigniſſes genau berichten: wenn ich auch mehr von einer Sache weiß, als ich von ihr ſehe, ſo glaube ich doch deßhalb nie, daß ich mehr von ihr ſehe, als ſie wirklich zeigt. Und mein Sinn läßt ſich durch nichts befangen! Frau von Schlegel ſagte mir einmal in Frankfurt: wenn ich nach Karlsruhe käme, und Jung-Stilling ſähe, müſſe ich ihr etwas über ihn ſchreiben, aber ganz naiv, ſo wie ich ihn fände. „Ganz naiv, gewiß“, antwortete ich, „ich kann dies verſpre- chen, und es wird doch naiv werden.“ Schon von fern, und noch ſchüchtern, edle Freundin, hat Ihr reiner hoher Sinn gleich klar in mein Innres geblickt; Sie werden ſo fortfahren,
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Bergen ſieht; zwiſchen Heidelberg, Mannheim, Straßburg-
Frankfurt, kurz, bei zwanzig angenehmen Orten, alle nur einen
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Wohlleben. Anderes fehlt ſehr. Dieſer Defizit geht mit uns
zur Leiche! — Ich liebe Böhmen zu ſehr. Und, begreifen Sie
mein ſchlechtes Herz! — ich ſehne mich mehr nach Orten, als
beſtimmt nach Menſchen. Bei den Orten ſtell’ ich mir auch
gleich die Menſchen vor. Wo wohnen Sie denn jetzt in
Prag? Mit einer Ausſicht? Ich will hoffen! —
An die Prinzeſſin Amalia von Baden.
Karlsruhe, Frühjahr 1818.
Daß Ew. Hoheit unwohl ſind, iſt mir ein wahres Leid;
ich komme aber nun um ſo lieber, da ich Ihnen wirklich eini-
ger Troſt zu ſein hoffe. Ich kann über den Hergang des ge-
ſtrigen Ereigniſſes genau berichten: wenn ich auch mehr von
einer Sache weiß, als ich von ihr ſehe, ſo glaube ich doch
deßhalb nie, daß ich mehr von ihr ſehe, als ſie wirklich
zeigt. Und mein Sinn läßt ſich durch nichts befangen! Frau
von Schlegel ſagte mir einmal in Frankfurt: wenn ich nach
Karlsruhe käme, und Jung-Stilling ſähe, müſſe ich ihr etwas
über ihn ſchreiben, aber ganz naiv, ſo wie ich ihn fände.
„Ganz naiv, gewiß“, antwortete ich, „ich kann dies verſpre-
chen, und es wird doch naiv werden.“ Schon von fern, und
noch ſchüchtern, edle Freundin, hat Ihr reiner hoher Sinn
gleich klar in mein Innres geblickt; Sie werden ſo fortfahren,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/538>, abgerufen am 22.11.2024.
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