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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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An Varnhagen, in Karlsruhe.


Ein solch allgemeines langes Gewitter hat man fast noch
nicht erlebt, mit solchen ununterbrochenen, und doch sich ver-
stärkenden Regengüssen, daß an kein Ausschicken noch Weg-
fahren zu denken war; mitten im Donnern hat es in diesem
Augenblick etwas zu regnen aufgehört; viele Leute stehen auf
der Brücke, den Wassersturz zu sehen. Prestissime stürzt der
Bach, und neben ihm entstandene, das Gewitter ist nicht vor-
über, lange nicht aus. Ich komme nicht, geliebter Freund.
Weil die Fahrt doch zu lange dauert, da ich zu spät abfahren
müßte, des Wetters wegen: auch führest du ja bald wieder
mit mir her. Zu thun ist nichts; nur bei dir möcht' ich sein,
zum hin und her sprechen. Ich beschwöre dich, bevor wir
uns gesprochen haben, auch grade nichts zu thun; dann ist
noch alles möglich. Erst wollen wir uns besinnen. Wir wol-
len sehen, was die nächste Zeit, die nächsten Tage für Mienen
annehmen; und uns ein wenig nach Umständen richten. Ich
kann nicht glauben, daß wegen dieser Angelegenheit allein der
Kourier sollte gekommen sein: wäre dies doch, so müßte noch
eine grave falsche Anklage Statt finden. Wir wollen uns in
nichts übereilen. Liebe Guste, daß ich auch grade nicht bei
dir sein mußte! Ach! darum schicktest du mir wohl die Esta-
fette. Die erschrack mich sehr; weil ich erst dachte, es könne
nur etwas Gutes sein -- denn, warum sonst einen Eilboten,
dacht' ich. Mein Schreck im Ganzen -- nicht über den In-

An Varnhagen, in Karlsruhe.


Ein ſolch allgemeines langes Gewitter hat man faſt noch
nicht erlebt, mit ſolchen ununterbrochenen, und doch ſich ver-
ſtärkenden Regengüſſen, daß an kein Ausſchicken noch Weg-
fahren zu denken war; mitten im Donnern hat es in dieſem
Augenblick etwas zu regnen aufgehört; viele Leute ſtehen auf
der Brücke, den Waſſerſturz zu ſehen. Prestissime ſtürzt der
Bach, und neben ihm entſtandene, das Gewitter iſt nicht vor-
über, lange nicht aus. Ich komme nicht, geliebter Freund.
Weil die Fahrt doch zu lange dauert, da ich zu ſpät abfahren
müßte, des Wetters wegen: auch führeſt du ja bald wieder
mit mir her. Zu thun iſt nichts; nur bei dir möcht’ ich ſein,
zum hin und her ſprechen. Ich beſchwöre dich, bevor wir
uns geſprochen haben, auch grade nichts zu thun; dann iſt
noch alles möglich. Erſt wollen wir uns beſinnen. Wir wol-
len ſehen, was die nächſte Zeit, die nächſten Tage für Mienen
annehmen; und uns ein wenig nach Umſtänden richten. Ich
kann nicht glauben, daß wegen dieſer Angelegenheit allein der
Kourier ſollte gekommen ſein: wäre dies doch, ſo müßte noch
eine grave falſche Anklage Statt finden. Wir wollen uns in
nichts übereilen. Liebe Guſte, daß ich auch grade nicht bei
dir ſein mußte! Ach! darum ſchickteſt du mir wohl die Eſta-
fette. Die erſchrack mich ſehr; weil ich erſt dachte, es könne
nur etwas Gutes ſein — denn, warum ſonſt einen Eilboten,
dacht’ ich. Mein Schreck im Ganzen — nicht über den In-

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[589/0597] An Varnhagen, in Karlsruhe. Baden, Donnerstag den 22. Juli 1819. halb 6 Uhr Nachmittag. Ein ſolch allgemeines langes Gewitter hat man faſt noch nicht erlebt, mit ſolchen ununterbrochenen, und doch ſich ver- ſtärkenden Regengüſſen, daß an kein Ausſchicken noch Weg- fahren zu denken war; mitten im Donnern hat es in dieſem Augenblick etwas zu regnen aufgehört; viele Leute ſtehen auf der Brücke, den Waſſerſturz zu ſehen. Prestissime ſtürzt der Bach, und neben ihm entſtandene, das Gewitter iſt nicht vor- über, lange nicht aus. Ich komme nicht, geliebter Freund. Weil die Fahrt doch zu lange dauert, da ich zu ſpät abfahren müßte, des Wetters wegen: auch führeſt du ja bald wieder mit mir her. Zu thun iſt nichts; nur bei dir möcht’ ich ſein, zum hin und her ſprechen. Ich beſchwöre dich, bevor wir uns geſprochen haben, auch grade nichts zu thun; dann iſt noch alles möglich. Erſt wollen wir uns beſinnen. Wir wol- len ſehen, was die nächſte Zeit, die nächſten Tage für Mienen annehmen; und uns ein wenig nach Umſtänden richten. Ich kann nicht glauben, daß wegen dieſer Angelegenheit allein der Kourier ſollte gekommen ſein: wäre dies doch, ſo müßte noch eine grave falſche Anklage Statt finden. Wir wollen uns in nichts übereilen. Liebe Guſte, daß ich auch grade nicht bei dir ſein mußte! Ach! darum ſchickteſt du mir wohl die Eſta- fette. Die erſchrack mich ſehr; weil ich erſt dachte, es könne nur etwas Gutes ſein — denn, warum ſonſt einen Eilboten, dacht’ ich. Mein Schreck im Ganzen — nicht über den In-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/597>, abgerufen am 22.11.2024.