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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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Anerkennen bin ich stolz -- diesen Ausdruck gebrauche ich oft
wenn ich sagen will, daß ich mich mit etwas freue -- ich
freue mich, jeden von Ihnen mit meinem Herzen recht ergrün-
det zu haben! und zwanzig Meilen in Ihrer Nähe -- bieg'
ich nach R's Wohnsitz ein! Sicher! Aber o! arme Erde!
wie unsicher geht es uns auf dir. Wir kommen ohne Ein-
willigung; gehen ohne zu wissen wann! und werden in der
Zwischenzeit hin und her geschickt. Von Metternichs, Har-
denbergs, Wellingtons; Königen, Armuth, Irrthümern, fal-
schen Hoffnungen, und Plänen, und all den maskirten Stre-
bungen, die man Ungefähr nennt! Sie sehen, ich bin heute
nicht obenauf: aber desto mehr wende ich mich dann zu dem
Geist, der alles versteht, der alles ist, und übergeb' ihm or-
dentlich mein Schicksal; und das kleinlich Herbeste wird mir
alsbald nur als eine unreife Knospe mit Stachlen klar, die
bald Süßeres enthalten muß. Dachten wir doch diesen Som-
mer recht innig und heiter zusammenzuleben: und mußten
fort! jetzt wissen wir nicht, wo zusammentreffen: und sind
vielleicht künftigen beieinander! Im Alter lerne ich hoffen?!
Man erlebt so viel Unerwartetes! Ein Wort, sei mir erlaubt
besonders an Fräulein Henriette zu adressiren! Das kommt
von dem Prahlen mit Religiosität. Judensturm, ist der erste
thätige Effekt davon! Sie werden sich erinnren, wie uns
diese neumodische Maske empörte: vor ihrer Wirkung. Ich
erzähle nichts, was die Allgemeine Zeitung auch Ihnen Allen,
alle Tage sagt. Es ist alles und noch mehr wahr, was sie
meldet. Nur in Berlin haben Prediger dagegen auf der Kan-

Anerkennen bin ich ſtolz — dieſen Ausdruck gebrauche ich oft
wenn ich ſagen will, daß ich mich mit etwas freue — ich
freue mich, jeden von Ihnen mit meinem Herzen recht ergrün-
det zu haben! und zwanzig Meilen in Ihrer Nähe — bieg’
ich nach R’s Wohnſitz ein! Sicher! Aber o! arme Erde!
wie unſicher geht es uns auf dir. Wir kommen ohne Ein-
willigung; gehen ohne zu wiſſen wann! und werden in der
Zwiſchenzeit hin und her geſchickt. Von Metternichs, Har-
denbergs, Wellingtons; Königen, Armuth, Irrthümern, fal-
ſchen Hoffnungen, und Plänen, und all den maskirten Stre-
bungen, die man Ungefähr nennt! Sie ſehen, ich bin heute
nicht obenauf: aber deſto mehr wende ich mich dann zu dem
Geiſt, der alles verſteht, der alles iſt, und übergeb’ ihm or-
dentlich mein Schickſal; und das kleinlich Herbeſte wird mir
alsbald nur als eine unreife Knoſpe mit Stachlen klar, die
bald Süßeres enthalten muß. Dachten wir doch dieſen Som-
mer recht innig und heiter zuſammenzuleben: und mußten
fort! jetzt wiſſen wir nicht, wo zuſammentreffen: und ſind
vielleicht künftigen beieinander! Im Alter lerne ich hoffen?!
Man erlebt ſo viel Unerwartetes! Ein Wort, ſei mir erlaubt
beſonders an Fräulein Henriette zu adreſſiren! Das kommt
von dem Prahlen mit Religioſität. Judenſturm, iſt der erſte
thätige Effekt davon! Sie werden ſich erinnren, wie uns
dieſe neumodiſche Maske empörte: vor ihrer Wirkung. Ich
erzähle nichts, was die Allgemeine Zeitung auch Ihnen Allen,
alle Tage ſagt. Es iſt alles und noch mehr wahr, was ſie
meldet. Nur in Berlin haben Prediger dagegen auf der Kan-

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[598/0606] Anerkennen bin ich ſtolz — dieſen Ausdruck gebrauche ich oft wenn ich ſagen will, daß ich mich mit etwas freue — ich freue mich, jeden von Ihnen mit meinem Herzen recht ergrün- det zu haben! und zwanzig Meilen in Ihrer Nähe — bieg’ ich nach R’s Wohnſitz ein! Sicher! Aber o! arme Erde! wie unſicher geht es uns auf dir. Wir kommen ohne Ein- willigung; gehen ohne zu wiſſen wann! und werden in der Zwiſchenzeit hin und her geſchickt. Von Metternichs, Har- denbergs, Wellingtons; Königen, Armuth, Irrthümern, fal- ſchen Hoffnungen, und Plänen, und all den maskirten Stre- bungen, die man Ungefähr nennt! Sie ſehen, ich bin heute nicht obenauf: aber deſto mehr wende ich mich dann zu dem Geiſt, der alles verſteht, der alles iſt, und übergeb’ ihm or- dentlich mein Schickſal; und das kleinlich Herbeſte wird mir alsbald nur als eine unreife Knoſpe mit Stachlen klar, die bald Süßeres enthalten muß. Dachten wir doch dieſen Som- mer recht innig und heiter zuſammenzuleben: und mußten fort! jetzt wiſſen wir nicht, wo zuſammentreffen: und ſind vielleicht künftigen beieinander! Im Alter lerne ich hoffen?! Man erlebt ſo viel Unerwartetes! Ein Wort, ſei mir erlaubt beſonders an Fräulein Henriette zu adreſſiren! Das kommt von dem Prahlen mit Religioſität. Judenſturm, iſt der erſte thätige Effekt davon! Sie werden ſich erinnren, wie uns dieſe neumodiſche Maske empörte: vor ihrer Wirkung. Ich erzähle nichts, was die Allgemeine Zeitung auch Ihnen Allen, alle Tage ſagt. Es iſt alles und noch mehr wahr, was ſie meldet. Nur in Berlin haben Prediger dagegen auf der Kan-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/606>, abgerufen am 27.11.2024.