Frau, ihre Schwester, kenne: aus Heidelberg, Baden, Frank- furt. Gehalten, edel, gut, stark und sanft. Reinlich und or- dentlich bis zum Bewundern! -- Sind das nicht Geister? -- Grad diesen Morgen war Mad. Liman bei mir; ich bestellte ihr Ihren Gruß: sie hat Gewissensbisse, Ihnen nicht geant- wortet zu haben. Ich konnte bis jetzt auch nicht dazu kom- men: aber Ihr gestriger, wiederholter Schmeichelbrief gab mir solchen Biß, daß ich gleich zu Varnhagen sagte, morgen Vormittag wird kein Mensch angenommen, und Brinckmann geschrieben! Wissen Sie? daß Sie mir mit Ihren Briefen die Liebe dieses Mannes immer ganz aufregen? Mit erreg- ter Farbe, gerührt in den Augen, küßt er mich ganz lange stumm, wenn er Ihren Brief noch in der Hand hat. Der ist zur Freundschaft geboren, wie Sie! Der Mensch brauchte einen Gefährten, um sich das Paradies zu bestätigen; dies Bedürfniß haben wir für die uns bestimmten Güter geerbt; es verdoppelt sich, was Andere mit uns sehen, und unsere Liebe auch. Das ist der beste Gruß, den ich Ihnen von Varnhagen sagen kann! So kleide ich den Auftrag, Sie zu grüßen, ein! Sie könnten hierher kommen, meint er; sie sollten! Oder im Sommer nach dem südlichen Deutschland kommen? Sie sollen mein Bild haben. Aber im Ernst! Geben Sie mir ein ren- dez-vous! Kaufen Sie eine Million weniger Bücher, so ha- ben Sie Geld dazu. Erlaubniß giebt Ihnen Ihr König. Sa- gen Sie, Sie wollen mich sehen. Sie wissen doch, daß Frau von Humboldt hier ist? Vor ein paar Tagen war ich bei ihr: noch sah ich sie wenig, da sie und ich den Husten hatten; ihn sah ich noch gar nicht. Apropos! Unter andern sind manche
Frau, ihre Schweſter, kenne: aus Heidelberg, Baden, Frank- furt. Gehalten, edel, gut, ſtark und ſanft. Reinlich und or- dentlich bis zum Bewundern! — Sind das nicht Geiſter? — Grad dieſen Morgen war Mad. Liman bei mir; ich beſtellte ihr Ihren Gruß: ſie hat Gewiſſensbiſſe, Ihnen nicht geant- wortet zu haben. Ich konnte bis jetzt auch nicht dazu kom- men: aber Ihr geſtriger, wiederholter Schmeichelbrief gab mir ſolchen Biß, daß ich gleich zu Varnhagen ſagte, morgen Vormittag wird kein Menſch angenommen, und Brinckmann geſchrieben! Wiſſen Sie? daß Sie mir mit Ihren Briefen die Liebe dieſes Mannes immer ganz aufregen? Mit erreg- ter Farbe, gerührt in den Augen, küßt er mich ganz lange ſtumm, wenn er Ihren Brief noch in der Hand hat. Der iſt zur Freundſchaft geboren, wie Sie! Der Menſch brauchte einen Gefährten, um ſich das Paradies zu beſtätigen; dies Bedürfniß haben wir für die uns beſtimmten Güter geerbt; es verdoppelt ſich, was Andere mit uns ſehen, und unſere Liebe auch. Das iſt der beſte Gruß, den ich Ihnen von Varnhagen ſagen kann! So kleide ich den Auftrag, Sie zu grüßen, ein! Sie könnten hierher kommen, meint er; ſie ſollten! Oder im Sommer nach dem ſüdlichen Deutſchland kommen? Sie ſollen mein Bild haben. Aber im Ernſt! Geben Sie mir ein ren- dez-vous! Kaufen Sie eine Million weniger Bücher, ſo ha- ben Sie Geld dazu. Erlaubniß giebt Ihnen Ihr König. Sa- gen Sie, Sie wollen mich ſehen. Sie wiſſen doch, daß Frau von Humboldt hier iſt? Vor ein paar Tagen war ich bei ihr: noch ſah ich ſie wenig, da ſie und ich den Huſten hatten; ihn ſah ich noch gar nicht. Apropos! Unter andern ſind manche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0620"n="612"/>
Frau, ihre Schweſter, kenne: aus Heidelberg, Baden, Frank-<lb/>
furt. Gehalten, edel, gut, ſtark und ſanft. Reinlich und or-<lb/>
dentlich bis zum Bewundern! — Sind das nicht Geiſter? —<lb/>
Grad dieſen Morgen war Mad. Liman bei mir; ich beſtellte<lb/>
ihr Ihren Gruß: ſie hat Gewiſſensbiſſe, Ihnen nicht geant-<lb/>
wortet zu haben. Ich konnte bis jetzt auch nicht dazu kom-<lb/>
men: aber Ihr geſtriger, wiederholter Schmeichelbrief gab mir<lb/><hirendition="#g">ſolchen</hi> Biß, daß ich gleich zu Varnhagen ſagte, morgen<lb/>
Vormittag wird kein Menſch angenommen, und Brinckmann<lb/>
geſchrieben! Wiſſen Sie? daß Sie mir mit Ihren Briefen<lb/>
die Liebe dieſes Mannes immer ganz aufregen? Mit erreg-<lb/>
ter Farbe, gerührt in den Augen, küßt er mich ganz lange<lb/>ſtumm, wenn er Ihren Brief noch in der Hand hat. <hirendition="#g">Der</hi> iſt<lb/>
zur Freundſchaft <hirendition="#g">geboren, wie Sie</hi>! Der Menſch brauchte<lb/>
einen Gefährten, um ſich das Paradies zu beſtätigen; dies<lb/>
Bedürfniß haben wir für die uns beſtimmten Güter geerbt; es<lb/>
verdoppelt ſich, was Andere mit uns ſehen, und unſere Liebe<lb/>
auch. Das iſt der beſte Gruß, den ich Ihnen von Varnhagen<lb/>ſagen kann! So kleide ich den Auftrag, Sie zu grüßen, ein!<lb/>
Sie könnten hierher kommen, meint er; ſie ſollten! Oder im<lb/>
Sommer nach dem ſüdlichen Deutſchland kommen? Sie ſollen<lb/>
mein Bild <hirendition="#g">haben</hi>. Aber im Ernſt! Geben Sie mir ein <hirendition="#aq">ren-<lb/>
dez-vous!</hi> Kaufen Sie eine Million weniger Bücher, ſo ha-<lb/>
ben Sie Geld dazu. Erlaubniß giebt Ihnen Ihr König. Sa-<lb/>
gen Sie, Sie wollen mich ſehen. Sie wiſſen doch, daß Frau<lb/>
von Humboldt hier iſt? Vor ein paar Tagen war ich bei ihr:<lb/>
noch ſah ich ſie wenig, da ſie und ich den Huſten hatten; ihn<lb/>ſah ich noch gar nicht. Apropos! Unter andern ſind manche<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[612/0620]
Frau, ihre Schweſter, kenne: aus Heidelberg, Baden, Frank-
furt. Gehalten, edel, gut, ſtark und ſanft. Reinlich und or-
dentlich bis zum Bewundern! — Sind das nicht Geiſter? —
Grad dieſen Morgen war Mad. Liman bei mir; ich beſtellte
ihr Ihren Gruß: ſie hat Gewiſſensbiſſe, Ihnen nicht geant-
wortet zu haben. Ich konnte bis jetzt auch nicht dazu kom-
men: aber Ihr geſtriger, wiederholter Schmeichelbrief gab mir
ſolchen Biß, daß ich gleich zu Varnhagen ſagte, morgen
Vormittag wird kein Menſch angenommen, und Brinckmann
geſchrieben! Wiſſen Sie? daß Sie mir mit Ihren Briefen
die Liebe dieſes Mannes immer ganz aufregen? Mit erreg-
ter Farbe, gerührt in den Augen, küßt er mich ganz lange
ſtumm, wenn er Ihren Brief noch in der Hand hat. Der iſt
zur Freundſchaft geboren, wie Sie! Der Menſch brauchte
einen Gefährten, um ſich das Paradies zu beſtätigen; dies
Bedürfniß haben wir für die uns beſtimmten Güter geerbt; es
verdoppelt ſich, was Andere mit uns ſehen, und unſere Liebe
auch. Das iſt der beſte Gruß, den ich Ihnen von Varnhagen
ſagen kann! So kleide ich den Auftrag, Sie zu grüßen, ein!
Sie könnten hierher kommen, meint er; ſie ſollten! Oder im
Sommer nach dem ſüdlichen Deutſchland kommen? Sie ſollen
mein Bild haben. Aber im Ernſt! Geben Sie mir ein ren-
dez-vous! Kaufen Sie eine Million weniger Bücher, ſo ha-
ben Sie Geld dazu. Erlaubniß giebt Ihnen Ihr König. Sa-
gen Sie, Sie wollen mich ſehen. Sie wiſſen doch, daß Frau
von Humboldt hier iſt? Vor ein paar Tagen war ich bei ihr:
noch ſah ich ſie wenig, da ſie und ich den Huſten hatten; ihn
ſah ich noch gar nicht. Apropos! Unter andern ſind manche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/620>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.