Freundlichkeiten, ging ich. Auf der Straße aber fiel es mir auf's Herz, mich nicht immer von neuem mißhandlen zu lassen. Ich will nicht. Mir falle auch ein edles Opfer. Von der W. grade will ich es nicht leiden. Von niemand mehr. Die M., die B., die K., die nichtgeachteten, kann sie bitten? Mich soll sie bitten. Dies ist mein letzter Ausspruch. Mor- gen gehe ich nicht zu ihr; ich lasse ihr absagen. -- Ich kann endlich jeden missen: mich hat das Leben nicht vernichtet: mich hat es wirklich und wahrhaft umgeschmiedet auf seinem feurigen Ambos. Auch kann dies ein jeder; mich wieder mis- sen. Glück auf! ich bin's zufrieden. Voll bleibt die Welt. Mir überkömmt so so viel Witz, Laune, Ideen, Leben, Zärt- lichkeit nicht; mein sparsames Futter bescheert mir jeder Hof. Diese Worte stehen alle hart neben einander; ich merke es selbst. Schieben Sie den Anschein darauf: daß Sie von allen meinen Entschlüssen den Grund und die Gründe kennen: daß ich heute absolut nicht mit der Feder schreiben kann: und also jedes Wort zu sparen suche, Nervenzittern, und das größte Echauffement habe.
Zu meinem letzten Brief an Sie, Lieber, habe ich wohl gefühlt, muß ich einen Nachtrag machen. Dies war ein Brief, wo ich Ihnen mein Herz aufklappte; und weiter nichts. Wo ich Ihnen mein Bewußtsein aufschlug, daß Sie wie ich Ge- genwart und Vergangenheit schauen möchten! damit Sie sich fassen! und für mich, ertragen, was ich ertragen muß. Denn unmittelbar hatten Sie nichts zu ertragen; Sie wollte ich bereiten, Sie schonen, damit Sie mich schonen, und verstän- den, und mir das Leben nicht saurer machten. Helfen sollen
Freundlichkeiten, ging ich. Auf der Straße aber fiel es mir auf’s Herz, mich nicht immer von neuem mißhandlen zu laſſen. Ich will nicht. Mir falle auch ein edles Opfer. Von der W. grade will ich es nicht leiden. Von niemand mehr. Die M., die B., die K., die nichtgeachteten, kann ſie bitten? Mich ſoll ſie bitten. Dies iſt mein letzter Ausſpruch. Mor- gen gehe ich nicht zu ihr; ich laſſe ihr abſagen. — Ich kann endlich jeden miſſen: mich hat das Leben nicht vernichtet: mich hat es wirklich und wahrhaft umgeſchmiedet auf ſeinem feurigen Ambos. Auch kann dies ein jeder; mich wieder miſ- ſen. Glück auf! ich bin’s zufrieden. Voll bleibt die Welt. Mir überkömmt ſo ſo viel Witz, Laune, Ideen, Leben, Zärt- lichkeit nicht; mein ſparſames Futter beſcheert mir jeder Hof. Dieſe Worte ſtehen alle hart neben einander; ich merke es ſelbſt. Schieben Sie den Anſchein darauf: daß Sie von allen meinen Entſchlüſſen den Grund und die Gründe kennen: daß ich heute abſolut nicht mit der Feder ſchreiben kann: und alſo jedes Wort zu ſparen ſuche, Nervenzittern, und das größte Echauffement habe.
Zu meinem letzten Brief an Sie, Lieber, habe ich wohl gefühlt, muß ich einen Nachtrag machen. Dies war ein Brief, wo ich Ihnen mein Herz aufklappte; und weiter nichts. Wo ich Ihnen mein Bewußtſein aufſchlug, daß Sie wie ich Ge- genwart und Vergangenheit ſchauen möchten! damit Sie ſich faſſen! und für mich, ertragen, was ich ertragen muß. Denn unmittelbar hatten Sie nichts zu ertragen; Sie wollte ich bereiten, Sie ſchonen, damit Sie mich ſchonen, und verſtän- den, und mir das Leben nicht ſaurer machten. Helfen ſollen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0078"n="70"/>
Freundlichkeiten, ging ich. Auf der Straße aber fiel es mir<lb/>
auf’s Herz, mich <hirendition="#g">nicht</hi> immer von <hirendition="#g">neuem</hi> mißhandlen zu<lb/>
laſſen. Ich will nicht. Mir falle auch ein edles Opfer. Von<lb/>
der W. grade will ich es nicht leiden. Von niemand mehr.<lb/>
Die M., die B., die K., die nichtgeachteten, kann ſie bitten?<lb/>
Mich <hirendition="#g">ſoll</hi>ſie bitten. Dies iſt mein letzter Ausſpruch. Mor-<lb/>
gen gehe ich <hirendition="#g">nicht</hi> zu ihr; ich laſſe ihr abſagen. — Ich kann<lb/><hirendition="#g">endlich</hi> jeden miſſen: mich hat das Leben nicht vernichtet:<lb/>
mich hat es wirklich und wahrhaft umgeſchmiedet auf ſeinem<lb/>
feurigen Ambos. Auch kann dies ein jeder; mich wieder miſ-<lb/>ſen. Glück auf! ich bin’s zufrieden. Voll bleibt die Welt.<lb/>
Mir überkömmt <hirendition="#g">ſo</hi>ſo viel Witz, Laune, Ideen, Leben, Zärt-<lb/>
lichkeit nicht; mein ſparſames Futter beſcheert mir jeder Hof.<lb/>
Dieſe Worte ſtehen alle hart neben einander; ich merke es<lb/>ſelbſt. Schieben Sie den Anſchein darauf: daß Sie von allen<lb/>
meinen Entſchlüſſen den Grund und die Gründe kennen: daß<lb/>
ich heute abſolut nicht mit der Feder ſchreiben kann: und alſo<lb/>
jedes Wort zu ſparen ſuche, Nervenzittern, und das größte<lb/>
Echauffement habe.</p><lb/><p>Zu meinem letzten Brief an Sie, Lieber, habe ich wohl<lb/>
gefühlt, muß ich einen Nachtrag machen. Dies war ein Brief,<lb/>
wo ich Ihnen mein Herz aufklappte; und weiter nichts. Wo<lb/>
ich Ihnen mein Bewußtſein aufſchlug, daß Sie wie ich Ge-<lb/>
genwart und Vergangenheit ſchauen möchten! damit Sie ſich<lb/>
faſſen! und <hirendition="#g">für mich</hi>, ertragen, was <hirendition="#g">ich</hi> ertragen muß. Denn<lb/>
unmittelbar <hirendition="#g">hatten</hi> Sie nichts zu ertragen; <hirendition="#g">Sie</hi> wollte ich<lb/>
bereiten, <hirendition="#g">Sie</hi>ſchonen, damit Sie mich ſchonen, und verſtän-<lb/>
den, und mir das Leben nicht ſaurer machten. Helfen ſollen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[70/0078]
Freundlichkeiten, ging ich. Auf der Straße aber fiel es mir
auf’s Herz, mich nicht immer von neuem mißhandlen zu
laſſen. Ich will nicht. Mir falle auch ein edles Opfer. Von
der W. grade will ich es nicht leiden. Von niemand mehr.
Die M., die B., die K., die nichtgeachteten, kann ſie bitten?
Mich ſoll ſie bitten. Dies iſt mein letzter Ausſpruch. Mor-
gen gehe ich nicht zu ihr; ich laſſe ihr abſagen. — Ich kann
endlich jeden miſſen: mich hat das Leben nicht vernichtet:
mich hat es wirklich und wahrhaft umgeſchmiedet auf ſeinem
feurigen Ambos. Auch kann dies ein jeder; mich wieder miſ-
ſen. Glück auf! ich bin’s zufrieden. Voll bleibt die Welt.
Mir überkömmt ſo ſo viel Witz, Laune, Ideen, Leben, Zärt-
lichkeit nicht; mein ſparſames Futter beſcheert mir jeder Hof.
Dieſe Worte ſtehen alle hart neben einander; ich merke es
ſelbſt. Schieben Sie den Anſchein darauf: daß Sie von allen
meinen Entſchlüſſen den Grund und die Gründe kennen: daß
ich heute abſolut nicht mit der Feder ſchreiben kann: und alſo
jedes Wort zu ſparen ſuche, Nervenzittern, und das größte
Echauffement habe.
Zu meinem letzten Brief an Sie, Lieber, habe ich wohl
gefühlt, muß ich einen Nachtrag machen. Dies war ein Brief,
wo ich Ihnen mein Herz aufklappte; und weiter nichts. Wo
ich Ihnen mein Bewußtſein aufſchlug, daß Sie wie ich Ge-
genwart und Vergangenheit ſchauen möchten! damit Sie ſich
faſſen! und für mich, ertragen, was ich ertragen muß. Denn
unmittelbar hatten Sie nichts zu ertragen; Sie wollte ich
bereiten, Sie ſchonen, damit Sie mich ſchonen, und verſtän-
den, und mir das Leben nicht ſaurer machten. Helfen ſollen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/78>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.