Freunde. Denn verstehen sollen Sie; und gütig wollen. So helfe ich jedesmal. Wie leise fühle ich was häßlich ist; wie übergehe ich's! und weiß das Bessere herauszuhe- ben, und zur Freude und Bequemlichkeit, zur Schonung her- auszulegen. Es liefert uns die Erde nichts rein; ist es der Wille, so ist es schon viel. Wir irren uns Alle, und verwir- ren uns, im Ergreifen; retten wir das Bewußtsein, so ist das viel! das Leben wird Ihnen an Ihnen selbst nur dies wieder- holt zeigen. So sein Sie auch nachsichtig und einsichtig gegen mich. Wer hat einen Freund aufzuweisen, wie ich, der, aus den innersten Ursachen bestimmt, sein Leben nur mit mir zu- bringen will; nur an meiner Seite das beste Glück finden kann! Dies Gut ist selten. Es ist nicht rein: aber es reinigt sich jeden Tag: das bin ich sicher, und erlebe es. Was kann mir noch geboten werden? oder -- wer bietet mir etwas. Meine Klagen aber, wenn ich verletzt bin, müssen in Ihren Schooß fallen; aber sie müssen darin nicht erblühen; mir zu neuem Leid. Wie tief vergrabe ich Ihre? Sie denken der Wind hat sie entführt.
-- Nicht Sie, nicht ich, nicht die Götter ohne Wunder, können mein Schicksal erneuen: dies muß ich ausspielen. Die Blume ist zerdrückt auf dieser Pflanze, dies vergessen Sie nicht. Ihr Laub macht Illusion. Besonders erwarte ich die Hülfe, die Nachsicht wenigstens, die Schonung, die ich leiste. (Ich bin äußerst gestört; äußerst echauffirt.) Soll ich den Trost, mich beklagen zu dürfen, entbehren? damit nicht noch größere Spannungen für mich erwachsen? O! nein. Sein wir menschlich! Schonen wir uns! Heute aber ehr' ich Sie
Freunde. Denn verſtehen ſollen Sie; und gütig wollen. So helfe ich jedesmal. Wie leiſe fühle ich was häßlich iſt; wie übergehe ich’s! und weiß das Beſſere herauszuhe- ben, und zur Freude und Bequemlichkeit, zur Schonung her- auszulegen. Es liefert uns die Erde nichts rein; iſt es der Wille, ſo iſt es ſchon viel. Wir irren uns Alle, und verwir- ren uns, im Ergreifen; retten wir das Bewußtſein, ſo iſt das viel! das Leben wird Ihnen an Ihnen ſelbſt nur dies wieder- holt zeigen. So ſein Sie auch nachſichtig und einſichtig gegen mich. Wer hat einen Freund aufzuweiſen, wie ich, der, aus den innerſten Urſachen beſtimmt, ſein Leben nur mit mir zu- bringen will; nur an meiner Seite das beſte Glück finden kann! Dies Gut iſt ſelten. Es iſt nicht rein: aber es reinigt ſich jeden Tag: das bin ich ſicher, und erlebe es. Was kann mir noch geboten werden? oder — wer bietet mir etwas. Meine Klagen aber, wenn ich verletzt bin, müſſen in Ihren Schooß fallen; aber ſie müſſen darin nicht erblühen; mir zu neuem Leid. Wie tief vergrabe ich Ihre? Sie denken der Wind hat ſie entführt.
— Nicht Sie, nicht ich, nicht die Götter ohne Wunder, können mein Schickſal erneuen: dies muß ich ausſpielen. Die Blume iſt zerdrückt auf dieſer Pflanze, dies vergeſſen Sie nicht. Ihr Laub macht Illuſion. Beſonders erwarte ich die Hülfe, die Nachſicht wenigſtens, die Schonung, die ich leiſte. (Ich bin äußerſt geſtört; äußerſt echauffirt.) Soll ich den Troſt, mich beklagen zu dürfen, entbehren? damit nicht noch größere Spannungen für mich erwachſen? O! nein. Sein wir menſchlich! Schonen wir uns! Heute aber ehr’ ich Sie
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Freunde. Denn verſtehen ſollen Sie; und gütig wollen.
So helfe ich jedesmal. Wie leiſe fühle ich was häßlich
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ben, und zur Freude und Bequemlichkeit, zur Schonung her-
auszulegen. Es liefert uns die Erde nichts rein; iſt es der
Wille, ſo iſt es ſchon viel. Wir irren uns Alle, und verwir-
ren uns, im Ergreifen; retten wir das Bewußtſein, ſo iſt das
viel! das Leben wird Ihnen an Ihnen ſelbſt nur dies wieder-
holt zeigen. So ſein Sie auch nachſichtig und einſichtig gegen
mich. Wer hat einen Freund aufzuweiſen, wie ich, der, aus
den innerſten Urſachen beſtimmt, ſein Leben nur mit mir zu-
bringen will; nur an meiner Seite das beſte Glück finden
kann! Dies Gut iſt ſelten. Es iſt nicht rein: aber es reinigt
ſich jeden Tag: das bin ich ſicher, und erlebe es. Was kann
mir noch geboten werden? oder — wer bietet mir etwas.
Meine Klagen aber, wenn ich verletzt bin, müſſen in Ihren
Schooß fallen; aber ſie müſſen darin nicht erblühen; mir zu
neuem Leid. Wie tief vergrabe ich Ihre? Sie denken der
Wind hat ſie entführt.
— Nicht Sie, nicht ich, nicht die Götter ohne Wunder,
können mein Schickſal erneuen: dies muß ich ausſpielen. Die
Blume iſt zerdrückt auf dieſer Pflanze, dies vergeſſen Sie
nicht. Ihr Laub macht Illuſion. Beſonders erwarte ich die
Hülfe, die Nachſicht wenigſtens, die Schonung, die ich leiſte.
(Ich bin äußerſt geſtört; äußerſt echauffirt.) Soll ich den
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wir menſchlich! Schonen wir uns! Heute aber ehr’ ich Sie
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/79>, abgerufen am 21.11.2024.
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