witz. Mein Intimer. Er ist in Potsdam bei der Kammer, und oft in Berlin. Gräfin Boß war sehr liebenswürdig, ganz einfach, und recht hübsch; ich liebe sie noch immer sehr. Die sagte eben, daß der General Neipperg noch hier sei, nämlich noch bis diesen Abend bleibe, daß sie Ihnen ein Wort ge- schrieben hätte: und nun thue ich's auch. Zeigen Sie auch gütigst Frau von Sparre die Zeitung, und sagen ihr, ihre Schwester hätte mir alles bestellt: sie wäre mir ein Trostge- danke in Schweden, daß sie dort ist. Frau von Stael muß Ihnen doch viel Vergnügen machen! -- und viel Rennens! Von Gentz habe ich vorige Woche, durch Gräfin Voß, seit Jahren einen liebenswürdigen kindischen Brief erhalten. Ich bin eingenommen von ihm wie sonst. Humboldt haßt mich jetzt wieder: er war das letztemal in Berlin, ohne mich zu sehen. Die Herz lebt und sieht aus wie sonst. Christel war diesen Sommer hier, mit den alten Augen, der alten Miene, der alten Indolenz, der alten Unschuld und Verschmitztheit. Wir sprachen viel von Ihnen: auch gestern drei Viertel des Abends. Ich wohne allein, meine Mutter ist im Oktober drei Jahr todt. Schlimm für mich! Meine Schwester hat nur das eine Kind; und ich sah sie auch in der Zeit nicht wieder. Hannchen ist eine große Demoiselle, Fanny geht noch in die Schule. Gute, brave Kinder. Meine Brüder sind alle in Berlin, der jüngste verheirathet mit einer Demoiselle aus Po- len. Sie ist artig, gut, und unschuldig. Erzogen wie die hiesigen Mädchen. Leben Sie wohl! Und arbeiten Sie dran, wenn erst der Regen dieses Gewitters riechen wird, nach Deutschland zu kommen. Sollte ich von den Erschlagenen
witz. Mein Intimer. Er iſt in Potsdam bei der Kammer, und oft in Berlin. Gräfin Boß war ſehr liebenswürdig, ganz einfach, und recht hübſch; ich liebe ſie noch immer ſehr. Die ſagte eben, daß der General Neipperg noch hier ſei, nämlich noch bis dieſen Abend bleibe, daß ſie Ihnen ein Wort ge- ſchrieben hätte: und nun thue ich’s auch. Zeigen Sie auch gütigſt Frau von Sparre die Zeitung, und ſagen ihr, ihre Schweſter hätte mir alles beſtellt: ſie wäre mir ein Troſtge- danke in Schweden, daß ſie dort iſt. Frau von Staël muß Ihnen doch viel Vergnügen machen! — und viel Rennens! Von Gentz habe ich vorige Woche, durch Gräfin Voß, ſeit Jahren einen liebenswürdigen kindiſchen Brief erhalten. Ich bin eingenommen von ihm wie ſonſt. Humboldt haßt mich jetzt wieder: er war das letztemal in Berlin, ohne mich zu ſehen. Die Herz lebt und ſieht aus wie ſonſt. Chriſtel war dieſen Sommer hier, mit den alten Augen, der alten Miene, der alten Indolenz, der alten Unſchuld und Verſchmitztheit. Wir ſprachen viel von Ihnen: auch geſtern drei Viertel des Abends. Ich wohne allein, meine Mutter iſt im Oktober drei Jahr todt. Schlimm für mich! Meine Schweſter hat nur das eine Kind; und ich ſah ſie auch in der Zeit nicht wieder. Hannchen iſt eine große Demoiſelle, Fanny geht noch in die Schule. Gute, brave Kinder. Meine Brüder ſind alle in Berlin, der jüngſte verheirathet mit einer Demoiſelle aus Po- len. Sie iſt artig, gut, und unſchuldig. Erzogen wie die hieſigen Mädchen. Leben Sie wohl! Und arbeiten Sie dran, wenn erſt der Regen dieſes Gewitters riechen wird, nach Deutſchland zu kommen. Sollte ich von den Erſchlagenen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0086"n="78"/>
witz. Mein Intimer. Er iſt in Potsdam bei der Kammer,<lb/>
und oft in Berlin. Gräfin Boß war ſehr liebenswürdig, ganz<lb/>
einfach, und recht hübſch; ich liebe ſie noch immer ſehr. Die<lb/>ſagte eben, daß der General Neipperg noch hier ſei, nämlich<lb/>
noch bis dieſen Abend bleibe, daß ſie Ihnen ein Wort ge-<lb/>ſchrieben hätte: und nun thue ich’s auch. Zeigen Sie auch<lb/>
gütigſt Frau von Sparre die Zeitung, und ſagen ihr, ihre<lb/>
Schweſter hätte mir alles beſtellt: ſie wäre mir ein Troſtge-<lb/>
danke in Schweden, daß ſie dort iſt. Frau von Sta<hirendition="#aq">ë</hi>l muß<lb/>
Ihnen doch viel Vergnügen machen! — und viel Rennens!<lb/>
Von Gentz habe ich vorige Woche, durch Gräfin Voß, ſeit<lb/>
Jahren einen liebenswürdigen kindiſchen Brief erhalten. Ich<lb/>
bin eingenommen von ihm wie ſonſt. Humboldt haßt mich<lb/>
jetzt wieder: er war das letztemal in Berlin, ohne mich zu<lb/>ſehen. Die Herz lebt und ſieht aus wie ſonſt. Chriſtel war<lb/>
dieſen Sommer hier, mit den alten Augen, der alten Miene,<lb/>
der alten Indolenz, der alten Unſchuld und Verſchmitztheit.<lb/>
Wir ſprachen viel von Ihnen: auch geſtern drei Viertel des<lb/>
Abends. Ich wohne allein, meine Mutter iſt im Oktober drei<lb/>
Jahr todt. Schlimm für mich! Meine Schweſter hat nur<lb/>
das eine Kind; und ich ſah ſie auch in der Zeit nicht wieder.<lb/>
Hannchen iſt eine große Demoiſelle, Fanny geht noch in die<lb/>
Schule. Gute, brave Kinder. Meine Brüder ſind alle in<lb/>
Berlin, der jüngſte verheirathet mit einer Demoiſelle aus Po-<lb/>
len. Sie iſt artig, gut, und unſchuldig. Erzogen wie die<lb/>
hieſigen Mädchen. Leben Sie wohl! Und arbeiten Sie dran,<lb/>
wenn erſt der Regen dieſes Gewitters riechen wird, nach<lb/>
Deutſchland zu kommen. Sollte ich von den Erſchlagenen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[78/0086]
witz. Mein Intimer. Er iſt in Potsdam bei der Kammer,
und oft in Berlin. Gräfin Boß war ſehr liebenswürdig, ganz
einfach, und recht hübſch; ich liebe ſie noch immer ſehr. Die
ſagte eben, daß der General Neipperg noch hier ſei, nämlich
noch bis dieſen Abend bleibe, daß ſie Ihnen ein Wort ge-
ſchrieben hätte: und nun thue ich’s auch. Zeigen Sie auch
gütigſt Frau von Sparre die Zeitung, und ſagen ihr, ihre
Schweſter hätte mir alles beſtellt: ſie wäre mir ein Troſtge-
danke in Schweden, daß ſie dort iſt. Frau von Staël muß
Ihnen doch viel Vergnügen machen! — und viel Rennens!
Von Gentz habe ich vorige Woche, durch Gräfin Voß, ſeit
Jahren einen liebenswürdigen kindiſchen Brief erhalten. Ich
bin eingenommen von ihm wie ſonſt. Humboldt haßt mich
jetzt wieder: er war das letztemal in Berlin, ohne mich zu
ſehen. Die Herz lebt und ſieht aus wie ſonſt. Chriſtel war
dieſen Sommer hier, mit den alten Augen, der alten Miene,
der alten Indolenz, der alten Unſchuld und Verſchmitztheit.
Wir ſprachen viel von Ihnen: auch geſtern drei Viertel des
Abends. Ich wohne allein, meine Mutter iſt im Oktober drei
Jahr todt. Schlimm für mich! Meine Schweſter hat nur
das eine Kind; und ich ſah ſie auch in der Zeit nicht wieder.
Hannchen iſt eine große Demoiſelle, Fanny geht noch in die
Schule. Gute, brave Kinder. Meine Brüder ſind alle in
Berlin, der jüngſte verheirathet mit einer Demoiſelle aus Po-
len. Sie iſt artig, gut, und unſchuldig. Erzogen wie die
hieſigen Mädchen. Leben Sie wohl! Und arbeiten Sie dran,
wenn erſt der Regen dieſes Gewitters riechen wird, nach
Deutſchland zu kommen. Sollte ich von den Erſchlagenen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/86>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.