Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

kann das aufhören, unsre Aufmerksamkeit in Anspruch zu
nehmen, und uns in Kindergestalt, als Unschuld, zu rühren,
zu erfreuen und zu gefallen; und in diesem Fall scheint sich
ein reineres Interesse in Eitelkeit zu kleiden, wie diese so oft
sich das Ansehen höherer Motive giebt.





Felix spielte uns gestern Abend vortrefflich vor; Etudes
von Kramer, und oft kamen mir die Thränen in die Augen:
als er mit einer Art Meisterstück von Spielen aufhörte, sagte
ich leise zu Robert: Er ist doch so glücklich, und ich möchte
ihm doch noch so gerne etwas anthun! -- "Gar nicht!"
erwiedert Robert. -- Wie so? sage ich. -- "Er müßte uns
noch um Verzeihung bitten!" -- Warum? frag' ich wie-
der. -- "Weil wir das nicht können, was er kann."




Schubarth über Goethe. S. XIII. Über Lessing ganz
falsch; ganz falsch und ohne Gründe behauptet, daß man
nicht in entgegengesetzten Gebieten etwas hervorzubringen im
Stande sei: und nichts damit gesagt. -- S. XIV. Was er
von Friedrich Schlegel und dessen Vergleich Goethens mit
Voltaire sagt, nicht einmal zu verstehen! --

S. 5. Verweilt er unendlich lang zu zeigen, bei was
man nicht verweilen sollte. Und sagt Falsches. Nämlich wie
nichts Tüchtiges könne hervorgebracht werden, wenn man
falsche Talente auseinandersetze! Verwirrt. -- S. 7. Freilich

kann das aufhören, unſre Aufmerkſamkeit in Anſpruch zu
nehmen, und uns in Kindergeſtalt, als Unſchuld, zu rühren,
zu erfreuen und zu gefallen; und in dieſem Fall ſcheint ſich
ein reineres Intereſſe in Eitelkeit zu kleiden, wie dieſe ſo oft
ſich das Anſehen höherer Motive giebt.





Felix ſpielte uns geſtern Abend vortrefflich vor; Études
von Kramer, und oft kamen mir die Thränen in die Augen:
als er mit einer Art Meiſterſtück von Spielen aufhörte, ſagte
ich leiſe zu Robert: Er iſt doch ſo glücklich, und ich möchte
ihm doch noch ſo gerne etwas anthun! — „Gar nicht!“
erwiedert Robert. — Wie ſo? ſage ich. — „Er müßte uns
noch um Verzeihung bitten!“ — Warum? frag’ ich wie-
der. — „Weil wir das nicht können, was er kann.“




Schubarth über Goethe. S. XIII. Über Leſſing ganz
falſch; ganz falſch und ohne Gründe behauptet, daß man
nicht in entgegengeſetzten Gebieten etwas hervorzubringen im
Stande ſei: und nichts damit geſagt. — S. XIV. Was er
von Friedrich Schlegel und deſſen Vergleich Goethens mit
Voltaire ſagt, nicht einmal zu verſtehen! —

S. 5. Verweilt er unendlich lang zu zeigen, bei was
man nicht verweilen ſollte. Und ſagt Falſches. Nämlich wie
nichts Tüchtiges könne hervorgebracht werden, wenn man
falſche Talente auseinanderſetze! Verwirrt. — S. 7. Freilich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0102" n="94"/>
kann das aufhören, un&#x017F;re Aufmerk&#x017F;amkeit in An&#x017F;pruch zu<lb/>
nehmen, und uns in Kinderge&#x017F;talt, als Un&#x017F;chuld, zu rühren,<lb/>
zu erfreuen und zu gefallen; und in die&#x017F;em Fall &#x017F;cheint &#x017F;ich<lb/>
ein reineres Intere&#x017F;&#x017F;e in Eitelkeit zu kleiden, wie die&#x017F;e &#x017F;o oft<lb/>
&#x017F;ich das An&#x017F;ehen höherer Motive giebt.</p><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">Freitag, den 18. April 1823.</hi> </dateline>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Montag, den 21. April 1823.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Felix &#x017F;pielte uns ge&#x017F;tern Abend vortrefflich vor; <hi rendition="#aq">Études</hi><lb/>
von Kramer, und oft kamen mir die Thränen in die Augen:<lb/>
als er mit einer Art Mei&#x017F;ter&#x017F;tück von Spielen aufhörte, &#x017F;agte<lb/>
ich lei&#x017F;e zu Robert: Er i&#x017F;t doch &#x017F;o glücklich, und ich möchte<lb/>
ihm doch noch &#x017F;o gerne etwas anthun! &#x2014; &#x201E;<hi rendition="#g">Gar</hi> nicht!&#x201C;<lb/>
erwiedert Robert. &#x2014; Wie &#x017F;o? &#x017F;age ich. &#x2014; &#x201E;Er müßte uns<lb/>
noch um <hi rendition="#g">Verzeihung</hi> bitten!&#x201C; &#x2014; Warum? frag&#x2019; ich wie-<lb/>
der. &#x2014; &#x201E;Weil wir das nicht können, was er kann.&#x201C;</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Mittwoch, den 23. April 1823.</hi> </dateline><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Schubarth über Goethe</hi>. S. <hi rendition="#aq">XIII.</hi> Über Le&#x017F;&#x017F;ing ganz<lb/>
fal&#x017F;ch; ganz fal&#x017F;ch und ohne Gründe behauptet, daß man<lb/>
nicht in entgegenge&#x017F;etzten Gebieten etwas hervorzubringen im<lb/>
Stande &#x017F;ei: und nichts damit ge&#x017F;agt. &#x2014; S. <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Was er<lb/>
von Friedrich Schlegel und de&#x017F;&#x017F;en Vergleich Goethens mit<lb/>
Voltaire &#x017F;agt, nicht einmal zu ver&#x017F;tehen! &#x2014;</p><lb/>
            <p>S. 5. Verweilt er unendlich lang zu zeigen, bei was<lb/>
man nicht verweilen &#x017F;ollte. Und &#x017F;agt Fal&#x017F;ches. Nämlich wie<lb/>
nichts Tüchtiges könne hervorgebracht werden, wenn man<lb/>
fal&#x017F;che Talente auseinander&#x017F;etze! Verwirrt. &#x2014; S. 7. Freilich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0102] kann das aufhören, unſre Aufmerkſamkeit in Anſpruch zu nehmen, und uns in Kindergeſtalt, als Unſchuld, zu rühren, zu erfreuen und zu gefallen; und in dieſem Fall ſcheint ſich ein reineres Intereſſe in Eitelkeit zu kleiden, wie dieſe ſo oft ſich das Anſehen höherer Motive giebt. Freitag, den 18. April 1823. Montag, den 21. April 1823. Felix ſpielte uns geſtern Abend vortrefflich vor; Études von Kramer, und oft kamen mir die Thränen in die Augen: als er mit einer Art Meiſterſtück von Spielen aufhörte, ſagte ich leiſe zu Robert: Er iſt doch ſo glücklich, und ich möchte ihm doch noch ſo gerne etwas anthun! — „Gar nicht!“ erwiedert Robert. — Wie ſo? ſage ich. — „Er müßte uns noch um Verzeihung bitten!“ — Warum? frag’ ich wie- der. — „Weil wir das nicht können, was er kann.“ Mittwoch, den 23. April 1823. Schubarth über Goethe. S. XIII. Über Leſſing ganz falſch; ganz falſch und ohne Gründe behauptet, daß man nicht in entgegengeſetzten Gebieten etwas hervorzubringen im Stande ſei: und nichts damit geſagt. — S. XIV. Was er von Friedrich Schlegel und deſſen Vergleich Goethens mit Voltaire ſagt, nicht einmal zu verſtehen! — S. 5. Verweilt er unendlich lang zu zeigen, bei was man nicht verweilen ſollte. Und ſagt Falſches. Nämlich wie nichts Tüchtiges könne hervorgebracht werden, wenn man falſche Talente auseinanderſetze! Verwirrt. — S. 7. Freilich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/102
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/102>, abgerufen am 22.11.2024.