bleiben: eindrücklicher giebt es nichts! Ein herrlicher Ausdruck: ausspannen. Das Triviale verliert sich ganz bei näherer Be- trachtung.
Sonnabend, den 19. Juni 1824.
Schleiermachers Dogmatik. S. 242. "Denn es müßte sonst mit der Vollendung unserer Erkenntniß der Welt die Aufforderung zur Entwickelung des frommen Bewußtseins aufhören, und also auch schon vorher jeder Weiseste am we- nigsten fromm sein, ganz gegen die Voraussetzung, daß die Frömmigkeit der menschlichen Natur wesentlich ist." Was ist Frömmigkeit? Der Trieb, ein reiner Wille, alles gut finden zu mögen; entweder wir entdecken neue Gründe für dieses Resultat, oder wir wünschen sie noch; gleich fromm. Die höchste Einsicht und Zustimmung kann also diesen Fromm- heitstrieb nicht aufheben. Im Gegentheil ist er befriedigt und wird er gesteigert durch Einsicht in Weisheit. Das Tiefste in uns ist aber dieser Trieb oder Wille. Dieser Wille selbst aber ist eine große Begränzung: obgleich jetzt unser Höchstes. Ein Thier, unter seinen Masken wie wir unter den unsrigen, will dasselbe. Nur wissen wir schon von Wollen: und gene- ralisiren die verschiedenen maskirten Willen unter Einen: das kann das Thier nicht. Und es kann absolut nicht zu diesem Akt kommen: wir auch wissen vom Zweck unsres Willens nichts, oder besser: von seiner ferneren Beziehung. Könnte nicht unser bester Willen in einem andern Zustand etwas Un- tergeordnetes werden, der sich selbst noch auf Absoluteres, Ge- nerelleres und von uns Empfundenes und Gewußtes bezieht?
bleiben: eindrücklicher giebt es nichts! Ein herrlicher Ausdruck: ausſpannen. Das Triviale verliert ſich ganz bei näherer Be- trachtung.
Sonnabend, den 19. Juni 1824.
Schleiermachers Dogmatik. S. 242. „Denn es müßte ſonſt mit der Vollendung unſerer Erkenntniß der Welt die Aufforderung zur Entwickelung des frommen Bewußtſeins aufhören, und alſo auch ſchon vorher jeder Weiſeſte am we- nigſten fromm ſein, ganz gegen die Vorausſetzung, daß die Frömmigkeit der menſchlichen Natur weſentlich iſt.“ Was iſt Frömmigkeit? Der Trieb, ein reiner Wille, alles gut finden zu mögen; entweder wir entdecken neue Gründe für dieſes Reſultat, oder wir wünſchen ſie noch; gleich fromm. Die höchſte Einſicht und Zuſtimmung kann alſo dieſen Fromm- heitstrieb nicht aufheben. Im Gegentheil iſt er befriedigt und wird er geſteigert durch Einſicht in Weisheit. Das Tiefſte in uns iſt aber dieſer Trieb oder Wille. Dieſer Wille ſelbſt aber iſt eine große Begränzung: obgleich jetzt unſer Höchſtes. Ein Thier, unter ſeinen Masken wie wir unter den unſrigen, will daſſelbe. Nur wiſſen wir ſchon von Wollen: und gene- raliſiren die verſchiedenen maskirten Willen unter Einen: das kann das Thier nicht. Und es kann abſolut nicht zu dieſem Akt kommen: wir auch wiſſen vom Zweck unſres Willens nichts, oder beſſer: von ſeiner ferneren Beziehung. Könnte nicht unſer beſter Willen in einem andern Zuſtand etwas Un- tergeordnetes werden, der ſich ſelbſt noch auf Abſoluteres, Ge- nerelleres und von uns Empfundenes und Gewußtes bezieht?
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*⁾ bleiben: eindrücklicher giebt es nichts! Ein herrlicher Ausdruck:
ausſpannen. Das Triviale verliert ſich ganz bei näherer Be-
trachtung.
Sonnabend, den 19. Juni 1824.
Schleiermachers Dogmatik. S. 242. „Denn es
müßte ſonſt mit der Vollendung unſerer Erkenntniß der Welt
die Aufforderung zur Entwickelung des frommen Bewußtſeins
aufhören, und alſo auch ſchon vorher jeder Weiſeſte am we-
nigſten fromm ſein, ganz gegen die Vorausſetzung, daß die
Frömmigkeit der menſchlichen Natur weſentlich iſt.“ Was iſt
Frömmigkeit? Der Trieb, ein reiner Wille, alles gut finden
zu mögen; entweder wir entdecken neue Gründe für dieſes
Reſultat, oder wir wünſchen ſie noch; gleich fromm. Die
höchſte Einſicht und Zuſtimmung kann alſo dieſen Fromm-
heitstrieb nicht aufheben. Im Gegentheil iſt er befriedigt und
wird er geſteigert durch Einſicht in Weisheit. Das Tiefſte
in uns iſt aber dieſer Trieb oder Wille. Dieſer Wille ſelbſt
aber iſt eine große Begränzung: obgleich jetzt unſer Höchſtes.
Ein Thier, unter ſeinen Masken wie wir unter den unſrigen,
will daſſelbe. Nur wiſſen wir ſchon von Wollen: und gene-
raliſiren die verſchiedenen maskirten Willen unter Einen: das
kann das Thier nicht. Und es kann abſolut nicht zu dieſem
Akt kommen: wir auch wiſſen vom Zweck unſres Willens
nichts, oder beſſer: von ſeiner ferneren Beziehung. Könnte
nicht unſer beſter Willen in einem andern Zuſtand etwas Un-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/167>, abgerufen am 25.11.2024.
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