Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

schreiben will. All Ihre Briefe, theure Rike, sind an Ort
und Stelle. Sonnabend tranken wir bei Edelings mit Prof.
Witte aus Breslau, Malißewski's, einer Menge Offiziere,
Müllers aus Dessau -- Dichter, Griechenlieder, und sehr schöne
Frau, en profil so schön als Sie -- Ihre Gesundheit. Aus
Fülle des Gefühls trank ich Roberts leise: Gott lasse ihn glück-
lich. Emil war vier Tage über Ostern bei mir. Ich bin
zu echauffirt! Gestern wurden "die Überbildeten" mit großem
Beifall im Poetenklub gelesen. Von Holtei; Varnhagen war
da; und grüßt. Alles ist gesund. Alles künftig; ich umarme
euch. Alle Welt grüßt. Ich kann nicht genug antworten auf
Fragen nach euch. Ich küsse jetzt noch Einmal euren Brief,
in dem ihr mir schreibt, daß ihr glücklich seid! und küsse Gott
mit Thränenaugen die Vaterhand; und weine. Adieu! --

Gestern erhielten wir einen langen, geschwätzigen, göttli-
chen Brief von Goethen. Gans bringt die Abschrift mit. Ein
Horn wüchse mir vor der Stirn, hätte ich's nicht weggeweint.
Er schickte nämlich Varnhagen einen Kupferstich von der Bild-
säule des General Schulenburg in Corfu; und hat mich ge-
adelt, durch eine Anrede.



(Mündlich.)

Im kleinen Garten, am Sonntag Vormittag, bei wärm-
ster Frühlingsluft, als eben die Sträucher im Begriff waren
zu ergrünen; wir hatten davon gesprochen, wie einem das
Leben vorkommt, daß einem das eigne fremd erscheint, daß
man es in seiner Vergangenheit nicht faßt, nur weiß: von
größerer Erinnerung, die noch als verhüllte Vergangenheit

ſchreiben will. All Ihre Briefe, theure Rike, ſind an Ort
und Stelle. Sonnabend tranken wir bei Edelings mit Prof.
Witte aus Breslau, Maliſzewski’s, einer Menge Offiziere,
Müllers aus Deſſau — Dichter, Griechenlieder, und ſehr ſchöne
Frau, en profil ſo ſchön als Sie — Ihre Geſundheit. Aus
Fülle des Gefühls trank ich Roberts leiſe: Gott laſſe ihn glück-
lich. Emil war vier Tage über Oſtern bei mir. Ich bin
zu echauffirt! Geſtern wurden „die Überbildeten“ mit großem
Beifall im Poetenklub geleſen. Von Holtei; Varnhagen war
da; und grüßt. Alles iſt geſund. Alles künftig; ich umarme
euch. Alle Welt grüßt. Ich kann nicht genug antworten auf
Fragen nach euch. Ich küſſe jetzt noch Einmal euren Brief,
in dem ihr mir ſchreibt, daß ihr glücklich ſeid! und küſſe Gott
mit Thränenaugen die Vaterhand; und weine. Adieu! —

Geſtern erhielten wir einen langen, geſchwätzigen, göttli-
chen Brief von Goethen. Gans bringt die Abſchrift mit. Ein
Horn wüchſe mir vor der Stirn, hätte ich’s nicht weggeweint.
Er ſchickte nämlich Varnhagen einen Kupferſtich von der Bild-
ſäule des General Schulenburg in Corfu; und hat mich ge-
adelt, durch eine Anrede.



(Mündlich.)

Im kleinen Garten, am Sonntag Vormittag, bei wärm-
ſter Frühlingsluft, als eben die Sträucher im Begriff waren
zu ergrünen; wir hatten davon geſprochen, wie einem das
Leben vorkommt, daß einem das eigne fremd erſcheint, daß
man es in ſeiner Vergangenheit nicht faßt, nur weiß: von
größerer Erinnerung, die noch als verhüllte Vergangenheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0202" n="194"/>
&#x017F;chreiben will. <hi rendition="#g">All</hi> Ihre Briefe, theure Rike, &#x017F;ind an Ort<lb/>
und Stelle. Sonnabend tranken wir bei Edelings mit Prof.<lb/>
Witte aus Breslau, Mali&#x017F;zewski&#x2019;s, einer Menge Offiziere,<lb/>
Müllers aus De&#x017F;&#x017F;au &#x2014; Dichter, Griechenlieder, und &#x017F;ehr &#x017F;chöne<lb/>
Frau, <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">en profil</hi></hi> &#x017F;o &#x017F;chön als Sie &#x2014; Ihre Ge&#x017F;undheit. Aus<lb/>
Fülle des Gefühls trank ich Roberts lei&#x017F;e: Gott la&#x017F;&#x017F;e ihn glück-<lb/>
lich. Emil war <hi rendition="#g">vier</hi> Tage über O&#x017F;tern <hi rendition="#g">bei mir</hi>. Ich bin<lb/><hi rendition="#g">zu</hi> echauffirt! Ge&#x017F;tern wurden &#x201E;die Überbildeten&#x201C; mit großem<lb/>
Beifall im Poetenklub gele&#x017F;en. Von Holtei; Varnhagen war<lb/>
da; und grüßt. Alles i&#x017F;t ge&#x017F;und. Alles künftig; ich umarme<lb/>
euch. Alle Welt grüßt. Ich kann nicht genug antworten auf<lb/>
Fragen nach euch. Ich kü&#x017F;&#x017F;e jetzt noch Einmal euren Brief,<lb/>
in dem ihr mir &#x017F;chreibt, daß ihr glücklich &#x017F;eid! und kü&#x017F;&#x017F;e Gott<lb/>
mit Thränenaugen die Vaterhand; und weine. Adieu! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Ge&#x017F;tern erhielten wir einen langen, ge&#x017F;chwätzigen, göttli-<lb/>
chen Brief von Goethen. Gans bringt die Ab&#x017F;chrift mit. Ein<lb/>
Horn wüch&#x017F;e mir vor der Stirn, hätte ich&#x2019;s nicht we<hi rendition="#g">ggeweint</hi>.<lb/>
Er &#x017F;chickte nämlich Varnhagen einen Kupfer&#x017F;tich von der Bild-<lb/>
&#x017F;äule des General Schulenburg in Corfu; und hat <hi rendition="#g">mich</hi> ge-<lb/>
adelt, durch eine Anrede.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <p> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Mündlich</hi>.)</hi> </p><lb/>
            <p>Im kleinen Garten, am Sonntag Vormittag, bei wärm-<lb/>
&#x017F;ter Frühlingsluft, als eben die Sträucher im Begriff waren<lb/>
zu ergrünen; wir hatten davon ge&#x017F;prochen, wie einem das<lb/>
Leben vorkommt, daß einem das eigne fremd er&#x017F;cheint, daß<lb/>
man es in &#x017F;einer Vergangenheit nicht faßt, nur weiß: von<lb/>
größerer Erinnerung, die noch als verhüllte Vergangenheit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0202] ſchreiben will. All Ihre Briefe, theure Rike, ſind an Ort und Stelle. Sonnabend tranken wir bei Edelings mit Prof. Witte aus Breslau, Maliſzewski’s, einer Menge Offiziere, Müllers aus Deſſau — Dichter, Griechenlieder, und ſehr ſchöne Frau, en profil ſo ſchön als Sie — Ihre Geſundheit. Aus Fülle des Gefühls trank ich Roberts leiſe: Gott laſſe ihn glück- lich. Emil war vier Tage über Oſtern bei mir. Ich bin zu echauffirt! Geſtern wurden „die Überbildeten“ mit großem Beifall im Poetenklub geleſen. Von Holtei; Varnhagen war da; und grüßt. Alles iſt geſund. Alles künftig; ich umarme euch. Alle Welt grüßt. Ich kann nicht genug antworten auf Fragen nach euch. Ich küſſe jetzt noch Einmal euren Brief, in dem ihr mir ſchreibt, daß ihr glücklich ſeid! und küſſe Gott mit Thränenaugen die Vaterhand; und weine. Adieu! — Geſtern erhielten wir einen langen, geſchwätzigen, göttli- chen Brief von Goethen. Gans bringt die Abſchrift mit. Ein Horn wüchſe mir vor der Stirn, hätte ich’s nicht weggeweint. Er ſchickte nämlich Varnhagen einen Kupferſtich von der Bild- ſäule des General Schulenburg in Corfu; und hat mich ge- adelt, durch eine Anrede. (Mündlich.) Im kleinen Garten, am Sonntag Vormittag, bei wärm- ſter Frühlingsluft, als eben die Sträucher im Begriff waren zu ergrünen; wir hatten davon geſprochen, wie einem das Leben vorkommt, daß einem das eigne fremd erſcheint, daß man es in ſeiner Vergangenheit nicht faßt, nur weiß: von größerer Erinnerung, die noch als verhüllte Vergangenheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/202
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/202>, abgerufen am 21.11.2024.