Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

herrscht. Auch bin ich nicht ganz einsam in meinem Urtheil:
drei Herren und eine Dame hab' ich sogar auf meiner Seite.
Es ist aber genug für mich, wenn sie nicht wie ich so gequält
sind, bis sie in Worte gebracht, was sie meinen, um daß ich
es thue, welches ich eigentlich gerne -- je mehr je besser --
Andern überließe. Auch mit dem Spiel der jungen Schönen
war es nicht so, wie ich aus den paar Bewegungen und Mie-
nen, die sie sehr schön im komischen Duett eines früheren Kon-
zerts anbrachte, schließen mußte. Es blieb in der Rolle der
Italiänerin in Algier bei diesen paar Bewegungen und Mie-
nen, und das war durchaus gar zu wenig. Hätte sich das
Körperchen ein Exempel an den Augen genommen, so wär'
es schon besser gegangen; die waren allen seinen Theilen und
dem Ganzen im Spiel weit voraus; die ganze Person aber
durchaus angenehm, und hätte sie noch weniger, das heißt;
gar nicht, gespielt. Angezogen war unsre Schöne allerliebst:
ganz exakt wie Französinnen, als sie noch in dieser Tracht
gingen, welches nun unser Publikum wieder nicht goutiren
wollte: es wäre nicht reisemäßig; so stiege kein Mensch aus
dem Schiff -- sie sind zu weit vom Meere! -- Warum nicht?
kann man fragen, und ich frage es mit. Ein blauer, von
starkem Seidenzeug schön gemachter Überrock, ein weißer, voll-
kommen modischer Hut, mit wohlangebrachten Maraboux;
Schuhe von der Farbe des Kleides auf dem wohlgebautesten
Fuß: welches Lob man den Schuhen selbst auch geben kann;
die weißen Hände in weißem Handschuh hielten das schnee-
farbige Batisttuch. Das Ganze vollkommen Dame. Nicht
vortheilhaft war ihre Kleidung als Türkin. Zu viel Silber

herrſcht. Auch bin ich nicht ganz einſam in meinem Urtheil:
drei Herren und eine Dame hab’ ich ſogar auf meiner Seite.
Es iſt aber genug für mich, wenn ſie nicht wie ich ſo gequält
ſind, bis ſie in Worte gebracht, was ſie meinen, um daß ich
es thue, welches ich eigentlich gerne — je mehr je beſſer —
Andern überließe. Auch mit dem Spiel der jungen Schönen
war es nicht ſo, wie ich aus den paar Bewegungen und Mie-
nen, die ſie ſehr ſchön im komiſchen Duett eines früheren Kon-
zerts anbrachte, ſchließen mußte. Es blieb in der Rolle der
Italiänerin in Algier bei dieſen paar Bewegungen und Mie-
nen, und das war durchaus gar zu wenig. Hätte ſich das
Körperchen ein Exempel an den Augen genommen, ſo wär’
es ſchon beſſer gegangen; die waren allen ſeinen Theilen und
dem Ganzen im Spiel weit voraus; die ganze Perſon aber
durchaus angenehm, und hätte ſie noch weniger, das heißt;
gar nicht, geſpielt. Angezogen war unſre Schöne allerliebſt:
ganz exakt wie Franzöſinnen, als ſie noch in dieſer Tracht
gingen, welches nun unſer Publikum wieder nicht goutiren
wollte: es wäre nicht reiſemäßig; ſo ſtiege kein Menſch aus
dem Schiff — ſie ſind zu weit vom Meere! — Warum nicht?
kann man fragen, und ich frage es mit. Ein blauer, von
ſtarkem Seidenzeug ſchön gemachter Überrock, ein weißer, voll-
kommen modiſcher Hut, mit wohlangebrachten Maraboux;
Schuhe von der Farbe des Kleides auf dem wohlgebauteſten
Fuß: welches Lob man den Schuhen ſelbſt auch geben kann;
die weißen Hände in weißem Handſchuh hielten das ſchnee-
farbige Batiſttuch. Das Ganze vollkommen Dame. Nicht
vortheilhaft war ihre Kleidung als Türkin. Zu viel Silber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="218"/><hi rendition="#g">herr&#x017F;cht</hi>. Auch bin ich nicht ganz ein&#x017F;am in meinem Urtheil:<lb/>
drei Herren und eine Dame hab&#x2019; ich &#x017F;ogar auf meiner Seite.<lb/>
Es i&#x017F;t aber genug für mich, wenn &#x017F;ie nicht wie ich &#x017F;o gequält<lb/>
&#x017F;ind, bis &#x017F;ie in Worte gebracht, was &#x017F;ie meinen, um daß <hi rendition="#g">ich</hi><lb/>
es thue, welches ich eigentlich gerne &#x2014; je mehr je be&#x017F;&#x017F;er &#x2014;<lb/>
Andern überließe. Auch mit dem Spiel der jungen Schönen<lb/>
war es nicht &#x017F;o, wie ich aus den paar Bewegungen und Mie-<lb/>
nen, die &#x017F;ie &#x017F;ehr &#x017F;chön im komi&#x017F;chen Duett eines früheren Kon-<lb/>
zerts anbrachte, &#x017F;chließen mußte. Es blieb in der Rolle der<lb/>
Italiänerin in Algier bei die&#x017F;en paar Bewegungen und Mie-<lb/>
nen, und das war durchaus gar zu wenig. Hätte &#x017F;ich das<lb/>
Körperchen ein Exempel an den Augen genommen, &#x017F;o wär&#x2019;<lb/>
es &#x017F;chon be&#x017F;&#x017F;er gegangen; die waren allen &#x017F;einen Theilen und<lb/>
dem Ganzen im Spiel weit voraus; die ganze Per&#x017F;on aber<lb/>
durchaus angenehm, und hätte &#x017F;ie noch weniger, das heißt;<lb/>
gar nicht, ge&#x017F;pielt. Angezogen war un&#x017F;re Schöne allerlieb&#x017F;t:<lb/>
ganz exakt wie Franzö&#x017F;innen, als &#x017F;ie noch in die&#x017F;er Tracht<lb/>
gingen, welches nun un&#x017F;er Publikum wieder nicht goutiren<lb/>
wollte: es wäre nicht rei&#x017F;emäßig; &#x017F;o &#x017F;tiege kein Men&#x017F;ch aus<lb/>
dem Schiff &#x2014; &#x017F;ie &#x017F;ind zu weit vom Meere! &#x2014; Warum nicht?<lb/>
kann man fragen, und ich frage es mit. Ein blauer, von<lb/>
&#x017F;tarkem Seidenzeug &#x017F;chön gemachter Überrock, ein weißer, voll-<lb/>
kommen modi&#x017F;cher Hut, mit wohlangebrachten Maraboux;<lb/>
Schuhe von der Farbe des Kleides auf dem wohlgebaute&#x017F;ten<lb/>
Fuß: welches Lob man den Schuhen &#x017F;elb&#x017F;t auch geben kann;<lb/>
die weißen Hände in weißem Hand&#x017F;chuh hielten das &#x017F;chnee-<lb/>
farbige Bati&#x017F;ttuch. Das Ganze vollkommen Dame. Nicht<lb/>
vortheilhaft war ihre Kleidung als Türkin. Zu viel Silber<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0226] herrſcht. Auch bin ich nicht ganz einſam in meinem Urtheil: drei Herren und eine Dame hab’ ich ſogar auf meiner Seite. Es iſt aber genug für mich, wenn ſie nicht wie ich ſo gequält ſind, bis ſie in Worte gebracht, was ſie meinen, um daß ich es thue, welches ich eigentlich gerne — je mehr je beſſer — Andern überließe. Auch mit dem Spiel der jungen Schönen war es nicht ſo, wie ich aus den paar Bewegungen und Mie- nen, die ſie ſehr ſchön im komiſchen Duett eines früheren Kon- zerts anbrachte, ſchließen mußte. Es blieb in der Rolle der Italiänerin in Algier bei dieſen paar Bewegungen und Mie- nen, und das war durchaus gar zu wenig. Hätte ſich das Körperchen ein Exempel an den Augen genommen, ſo wär’ es ſchon beſſer gegangen; die waren allen ſeinen Theilen und dem Ganzen im Spiel weit voraus; die ganze Perſon aber durchaus angenehm, und hätte ſie noch weniger, das heißt; gar nicht, geſpielt. Angezogen war unſre Schöne allerliebſt: ganz exakt wie Franzöſinnen, als ſie noch in dieſer Tracht gingen, welches nun unſer Publikum wieder nicht goutiren wollte: es wäre nicht reiſemäßig; ſo ſtiege kein Menſch aus dem Schiff — ſie ſind zu weit vom Meere! — Warum nicht? kann man fragen, und ich frage es mit. Ein blauer, von ſtarkem Seidenzeug ſchön gemachter Überrock, ein weißer, voll- kommen modiſcher Hut, mit wohlangebrachten Maraboux; Schuhe von der Farbe des Kleides auf dem wohlgebauteſten Fuß: welches Lob man den Schuhen ſelbſt auch geben kann; die weißen Hände in weißem Handſchuh hielten das ſchnee- farbige Batiſttuch. Das Ganze vollkommen Dame. Nicht vortheilhaft war ihre Kleidung als Türkin. Zu viel Silber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/226
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/226>, abgerufen am 21.11.2024.