nicht, es sei oft gesagt! Welch ein großer Streitpunkt war das zu J. J. Rousseau's Zeit und lange nachher: und wie oft noch jetzt alle Tage in allen Blättern wird dies noch im- mer besprochen, bloß weil es nicht so deutlich, kurz und faß- lich gesagt wird. "De profondes reflexions, l'experience des siecles, l'accord unanime de tous les peuples civilises, ont fixe les idees sur la veritable destination des femmes, et par consequent leur etat dans la societe." Wenn man für die Autorschaft behaupten könnte: man solle eine gute Schrift ehren und sich ihrer freuen, und käme sie aus einem Thiere oder einem Felsen; so könnte dagegen geantwortet werden: eine Frau aber, hätte die Welt noch so großen Gewinn von ihren Schriften, verfehlte nichtsdestoweniger ihre weibliche Bestimmung, und die Zeit, sie zu erfüllen. Zugegeben! und nicht einmal gestritten über diese Bestimmung: es verfehlen so viele Weiber ihre Bestimmung, daß es wohl wird mit ein- gerechnet werden können, wenn einige sie durch Schreiben verfehlen: und es wird noch Vortheil herauskommen, und viel von dem sonst nicht vergendeten Mitleid mit ihnen er- spart werden." --
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Mittwoch, den 5. Oktober 1825.
Lieb Röberchen! Hotho's Ramiro kommt mir, wie ich dir schon Einmal schrieb, darum talentvoll vor, weil er, auf dem schlechtgewählten breitgetretenen Wege, doch immer, in
nicht, es ſei oft geſagt! Welch ein großer Streitpunkt war das zu J. J. Rouſſeau’s Zeit und lange nachher: und wie oft noch jetzt alle Tage in allen Blättern wird dies noch im- mer beſprochen, bloß weil es nicht ſo deutlich, kurz und faß- lich geſagt wird. „De profondes réflexions, l’expérience des siècles, l’accord unanime de tous les peuples civilisés, ont fixé les idées sur la véritable destination des femmes, et par conséquent leur état dans la société.” Wenn man für die Autorſchaft behaupten könnte: man ſolle eine gute Schrift ehren und ſich ihrer freuen, und käme ſie aus einem Thiere oder einem Felſen; ſo könnte dagegen geantwortet werden: eine Frau aber, hätte die Welt noch ſo großen Gewinn von ihren Schriften, verfehlte nichtsdeſtoweniger ihre weibliche Beſtimmung, und die Zeit, ſie zu erfüllen. Zugegeben! und nicht einmal geſtritten über dieſe Beſtimmung: es verfehlen ſo viele Weiber ihre Beſtimmung, daß es wohl wird mit ein- gerechnet werden können, wenn einige ſie durch Schreiben verfehlen: und es wird noch Vortheil herauskommen, und viel von dem ſonſt nicht vergendeten Mitleid mit ihnen er- ſpart werden.“ —
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Mittwoch, den 5. Oktober 1825.
Lieb Röberchen! Hotho’s Ramiro kommt mir, wie ich dir ſchon Einmal ſchrieb, darum talentvoll vor, weil er, auf dem ſchlechtgewählten breitgetretenen Wege, doch immer, in
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nicht, es ſei oft geſagt! Welch ein großer Streitpunkt war
das zu J. J. Rouſſeau’s Zeit und lange nachher: und wie
oft noch jetzt alle Tage in allen Blättern wird dies noch im-
mer beſprochen, bloß weil es nicht ſo deutlich, kurz und faß-
lich geſagt wird. „De profondes réflexions, l’expérience des
siècles, l’accord unanime de tous les peuples civilisés, ont
fixé les idées sur la véritable destination des femmes, et par
conséquent leur état dans la société.” Wenn man für die
Autorſchaft behaupten könnte: man ſolle eine gute Schrift
ehren und ſich ihrer freuen, und käme ſie aus einem Thiere
oder einem Felſen; ſo könnte dagegen geantwortet werden:
eine Frau aber, hätte die Welt noch ſo großen Gewinn von
ihren Schriften, verfehlte nichtsdeſtoweniger ihre weibliche
Beſtimmung, und die Zeit, ſie zu erfüllen. Zugegeben! und
nicht einmal geſtritten über dieſe Beſtimmung: es verfehlen
ſo viele Weiber ihre Beſtimmung, daß es wohl wird mit ein-
gerechnet werden können, wenn einige ſie durch Schreiben
verfehlen: und es wird noch Vortheil herauskommen, und
viel von dem ſonſt nicht vergendeten Mitleid mit ihnen er-
ſpart werden.“ —
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Mittwoch, den 5. Oktober 1825.
Lieb Röberchen! Hotho’s Ramiro kommt mir, wie ich
dir ſchon Einmal ſchrieb, darum talentvoll vor, weil er, auf
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/230>, abgerufen am 21.11.2024.
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