das ist schön, vortrefflich, glücklich, angenehm; aber auch dazu muß schon die Seele mitwirken -- sonst ist der Ton nur bild- schön: wie manche Gesichter, -- die wahre Musik aber macht der Mensch selbst. Es kann die Natur einen ganz fertigen Sän- ger hervorbringen, -- wäre das nicht, so wäre nicht einmal ei- ner zu bilden: und nie wird solcher, wozu nur sie Mittel hat, gebildet werden können: Natur ist hier Universum, mit allen seinen Fällen -- durch Stimme, Seele, und alle Requisite. Aber mehr als selten! fallen die Fälle zusammen; und auch hier, wie in allen Künsten, ist der menschliche Geist ein er- setzender, spielender, defizit-deckender, der Vernunft, Nachden- ken, Mühe, Ernst, und wer weiß was alles zu seinem Spiele braucht: bedarf und gebraucht. Mit wie viel Menschen kann man auf die Weise über Kunst sprechen?! Mit Einem Men- schen alle Jahrhundert, in jeder Nation: und mit den Freun- den. "Gleichgesinnte." Wir waren recht vergnügt: du kamst oft vor: bei mir heimlich durchweg: um 11 gingen sie. (Das göttlichste Sonnen- und Wolkenspiel ist jetzt in unserer Straße, und herrlichster Friede in meinem Zimmer, in unserm Hause. Angenehm windig.) -- Gestern Vormittag war ich bei unserm Kind. Schön im Thiergarten! Sie göttlich! Ich gab ihr Chokoladenplätzchen von dir, und eine halbe Feige. "Bleib doch hier! warum gehst du weg, Tante!" Göttlich! Ich ex- plizirte ihr, du seist in München. Wo Baiern sind; mit ih- rem König. Es kam so. Heute lasse ich sie holen. -- Ehe ich zu Elisen fuhr, schrieb ich Redens, machte Rechnungen: las Berliner Zeitung. Nachher blieb ich lesend bei mir: glück- lich. Nicht lange. X. kam, bis 10 Gespräch über Ehe. Ge-
das iſt ſchön, vortrefflich, glücklich, angenehm; aber auch dazu muß ſchon die Seele mitwirken — ſonſt iſt der Ton nur bild- ſchön: wie manche Geſichter, — die wahre Muſik aber macht der Menſch ſelbſt. Es kann die Natur einen ganz fertigen Sän- ger hervorbringen, — wäre das nicht, ſo wäre nicht einmal ei- ner zu bilden: und nie wird ſolcher, wozu nur ſie Mittel hat, gebildet werden können: Natur iſt hier Univerſum, mit allen ſeinen Fällen — durch Stimme, Seele, und alle Requiſite. Aber mehr als ſelten! fallen die Fälle zuſammen; und auch hier, wie in allen Künſten, iſt der menſchliche Geiſt ein er- ſetzender, ſpielender, defizit-deckender, der Vernunft, Nachden- ken, Mühe, Ernſt, und wer weiß was alles zu ſeinem Spiele braucht: bedarf und gebraucht. Mit wie viel Menſchen kann man auf die Weiſe über Kunſt ſprechen?! Mit Einem Men- ſchen alle Jahrhundert, in jeder Nation: und mit den Freun- den. „Gleichgeſinnte.“ Wir waren recht vergnügt: du kamſt oft vor: bei mir heimlich durchweg: um 11 gingen ſie. (Das göttlichſte Sonnen- und Wolkenſpiel iſt jetzt in unſerer Straße, und herrlichſter Friede in meinem Zimmer, in unſerm Hauſe. Angenehm windig.) — Geſtern Vormittag war ich bei unſerm Kind. Schön im Thiergarten! Sie göttlich! Ich gab ihr Chokoladenplätzchen von dir, und eine halbe Feige. „Bleib doch hier! warum gehſt du weg, Tante!“ Göttlich! Ich ex- plizirte ihr, du ſeiſt in München. Wo Baiern ſind; mit ih- rem König. Es kam ſo. Heute laſſe ich ſie holen. — Ehe ich zu Eliſen fuhr, ſchrieb ich Redens, machte Rechnungen: las Berliner Zeitung. Nachher blieb ich leſend bei mir: glück- lich. Nicht lange. X. kam, bis 10 Geſpräch über Ehe. Ge-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0298"n="290"/>
das iſt ſchön, vortrefflich, glücklich, angenehm; aber auch <hirendition="#g">dazu</hi><lb/>
muß ſchon die Seele mitwirken —ſonſt iſt der Ton nur <hirendition="#g">bild</hi>-<lb/>ſchön: wie manche Geſichter, — die wahre Muſik aber macht der<lb/>
Menſch ſelbſt. Es <hirendition="#g">kann</hi> die Natur einen ganz fertigen Sän-<lb/>
ger hervorbringen, — wäre das nicht, ſo wäre nicht einmal ei-<lb/>
ner zu <hirendition="#g">bilden</hi>: und nie wird ſolcher, wozu nur ſie Mittel<lb/>
hat, gebildet werden können: Natur iſt hier Univerſum, mit<lb/>
allen ſeinen Fällen — durch Stimme, Seele, und alle Requiſite.<lb/>
Aber mehr als ſelten! fallen die Fälle zuſammen; und auch<lb/>
hier, wie in allen Künſten, iſt der menſchliche Geiſt ein er-<lb/>ſetzender, ſpielender, defizit-deckender, der Vernunft, Nachden-<lb/>
ken, Mühe, Ernſt, und wer weiß was alles zu ſeinem Spiele<lb/>
braucht: bedarf und gebraucht. Mit wie viel Menſchen kann<lb/>
man auf die Weiſe über Kunſt ſprechen?! Mit Einem Men-<lb/>ſchen alle Jahrhundert, in jeder Nation: und mit den Freun-<lb/>
den. „Gleichgeſinnte.“ Wir waren recht vergnügt: du kamſt<lb/>
oft vor: bei mir heimlich durchweg: um 11 gingen ſie. (Das<lb/>
göttlichſte Sonnen- und Wolkenſpiel iſt jetzt in unſerer Straße,<lb/>
und herrlichſter Friede in meinem Zimmer, in unſerm Hauſe.<lb/>
Angenehm windig.) — Geſtern Vormittag war ich bei unſerm<lb/>
Kind. Schön im Thiergarten! Sie göttlich! Ich gab ihr<lb/>
Chokoladenplätzchen <hirendition="#g">von dir</hi>, und eine halbe Feige. „Bleib<lb/>
doch hier! warum gehſt du weg, Tante!“ Göttlich! Ich ex-<lb/>
plizirte ihr, du ſeiſt in München. Wo Baiern ſind; mit <hirendition="#g">ih-<lb/>
rem</hi> König. Es kam ſo. Heute laſſe ich ſie holen. — Ehe<lb/>
ich zu Eliſen fuhr, ſchrieb ich Redens, machte Rechnungen:<lb/>
las Berliner Zeitung. Nachher blieb ich leſend bei mir: glück-<lb/>
lich. Nicht lange. X. kam, bis 10 Geſpräch über Ehe. Ge-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[290/0298]
das iſt ſchön, vortrefflich, glücklich, angenehm; aber auch dazu
muß ſchon die Seele mitwirken — ſonſt iſt der Ton nur bild-
ſchön: wie manche Geſichter, — die wahre Muſik aber macht der
Menſch ſelbſt. Es kann die Natur einen ganz fertigen Sän-
ger hervorbringen, — wäre das nicht, ſo wäre nicht einmal ei-
ner zu bilden: und nie wird ſolcher, wozu nur ſie Mittel
hat, gebildet werden können: Natur iſt hier Univerſum, mit
allen ſeinen Fällen — durch Stimme, Seele, und alle Requiſite.
Aber mehr als ſelten! fallen die Fälle zuſammen; und auch
hier, wie in allen Künſten, iſt der menſchliche Geiſt ein er-
ſetzender, ſpielender, defizit-deckender, der Vernunft, Nachden-
ken, Mühe, Ernſt, und wer weiß was alles zu ſeinem Spiele
braucht: bedarf und gebraucht. Mit wie viel Menſchen kann
man auf die Weiſe über Kunſt ſprechen?! Mit Einem Men-
ſchen alle Jahrhundert, in jeder Nation: und mit den Freun-
den. „Gleichgeſinnte.“ Wir waren recht vergnügt: du kamſt
oft vor: bei mir heimlich durchweg: um 11 gingen ſie. (Das
göttlichſte Sonnen- und Wolkenſpiel iſt jetzt in unſerer Straße,
und herrlichſter Friede in meinem Zimmer, in unſerm Hauſe.
Angenehm windig.) — Geſtern Vormittag war ich bei unſerm
Kind. Schön im Thiergarten! Sie göttlich! Ich gab ihr
Chokoladenplätzchen von dir, und eine halbe Feige. „Bleib
doch hier! warum gehſt du weg, Tante!“ Göttlich! Ich ex-
plizirte ihr, du ſeiſt in München. Wo Baiern ſind; mit ih-
rem König. Es kam ſo. Heute laſſe ich ſie holen. — Ehe
ich zu Eliſen fuhr, ſchrieb ich Redens, machte Rechnungen:
las Berliner Zeitung. Nachher blieb ich leſend bei mir: glück-
lich. Nicht lange. X. kam, bis 10 Geſpräch über Ehe. Ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/298>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.