Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Kourier erschreckt; ich bin es: weil ich das viele Schreiben
für schädlich halten muß; und das besonders, weil er sich bei
seinen aufgetragenen Arbeiten so eilt, wie kein Anderer. --
Cela me rapelle un grand travail que vous avez ete oblige de
faire a Prague,
und von dem Sie mir sagten, nie hätte eine
Arbeit Ihnen mehr Mühe gemacht. Welch Meisterstück fand
ich's! Keiner hätte dies so gesagt. Ein Krönchen ist Ih-
nen Ihr Kaiser dafür schuldig: wenn auch nur von Lorbeer.
Vorgestern mußte mir Varnh. die Nummern in Heine's Buch
aufschlagen, die Sie mir angezeigt hatten. Wie heiter muß-
ten wir lachen! Ich mit tiefster Rührung und ernstestem
Ernst. -- Aber Sie wissen ja, wie ein Anatom, wie Sie mit
Fanny stehn. Apropos! Sie wollen uns -- ihr und mir --
unsre große Diplomatie abstreiten. Gesetzt, mit Europa stände
es anders, als Fanny und ich voraussetzten: mit der Ausübung
von dem, was wir für nöthig hielten, ist es dasselbe: wir
haben es ohne nur mögliche, Verabredung vortrefflich exeku-
tirt. Aber, Sie schilderten mir Europa -- wie ich es nennen
mag -- in Ihrem ersten Brief anders, als Sie es in Ihrem
zweiten thaten. Aus dem ersten mußte ich das Verhältniß
für ein Geheimniß halten, und bewahren; im zweiten weiß,
und ehrt es die Welt, -- in der Sie leben. In jedem Fall
wußte ich nicht, ob ich mich instruirt zeigen sollte: Sie woll-
ten sogar nur verlangen, daß ich sie nur sollte tanzen sehn.
Genug, mein Stolz auf unser Betragen ist nicht gebrochen,
und lebt fort in mir. Daß aber Fürst M. solchen edlen An-
theil an dem Leben Ihres Herzens zu nehmen weiß, bestätigt
mir nur, was ich von ihm dachte; und die herzliche Theil-

ein Kourier erſchreckt; ich bin es: weil ich das viele Schreiben
für ſchädlich halten muß; und das beſonders, weil er ſich bei
ſeinen aufgetragenen Arbeiten ſo eilt, wie kein Anderer. —
Cela me rapelle un grand travail que vous avez été obligé de
faire à Prague,
und von dem Sie mir ſagten, nie hätte eine
Arbeit Ihnen mehr Mühe gemacht. Welch Meiſterſtück fand
ich’s! Keiner hätte dies ſo geſagt. Ein Krönchen iſt Ih-
nen Ihr Kaiſer dafür ſchuldig: wenn auch nur von Lorbeer.
Vorgeſtern mußte mir Varnh. die Nummern in Heine’s Buch
aufſchlagen, die Sie mir angezeigt hatten. Wie heiter muß-
ten wir lachen! Ich mit tiefſter Rührung und ernſteſtem
Ernſt. — Aber Sie wiſſen ja, wie ein Anatom, wie Sie mit
Fanny ſtehn. Apropos! Sie wollen uns — ihr und mir —
unſre große Diplomatie abſtreiten. Geſetzt, mit Europa ſtände
es anders, als Fanny und ich vorausſetzten: mit der Ausübung
von dem, was wir für nöthig hielten, iſt es daſſelbe: wir
haben es ohne nur mögliche, Verabredung vortrefflich exeku-
tirt. Aber, Sie ſchilderten mir Europa — wie ich es nennen
mag — in Ihrem erſten Brief anders, als Sie es in Ihrem
zweiten thaten. Aus dem erſten mußte ich das Verhältniß
für ein Geheimniß halten, und bewahren; im zweiten weiß,
und ehrt es die Welt, — in der Sie leben. In jedem Fall
wußte ich nicht, ob ich mich inſtruirt zeigen ſollte: Sie woll-
ten ſogar nur verlangen, daß ich ſie nur ſollte tanzen ſehn.
Genug, mein Stolz auf unſer Betragen iſt nicht gebrochen,
und lebt fort in mir. Daß aber Fürſt M. ſolchen edlen An-
theil an dem Leben Ihres Herzens zu nehmen weiß, beſtätigt
mir nur, was ich von ihm dachte; und die herzliche Theil-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0469" n="461"/>
ein Kourier er&#x017F;chreckt; ich bin es: weil ich das viele Schreiben<lb/>
für &#x017F;chädlich halten muß; und das be&#x017F;onders, weil er &#x017F;ich bei<lb/>
&#x017F;einen aufgetragenen Arbeiten &#x017F;o eilt, wie kein Anderer. &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">Cela me rapelle un grand travail que vous avez été obligé de<lb/>
faire à Prague,</hi> und von dem Sie mir &#x017F;agten, nie hätte eine<lb/>
Arbeit Ihnen mehr Mühe gemacht. Welch Mei&#x017F;ter&#x017F;tück fand<lb/>
ich&#x2019;s! <hi rendition="#g">Keiner</hi> hätte <hi rendition="#g">dies &#x017F;o</hi> ge&#x017F;agt. Ein Krönchen i&#x017F;t Ih-<lb/>
nen Ihr Kai&#x017F;er dafür &#x017F;chuldig: wenn auch nur von Lorbeer.<lb/>
Vorge&#x017F;tern mußte mir Varnh. die Nummern in Heine&#x2019;s Buch<lb/>
auf&#x017F;chlagen, die Sie mir angezeigt hatten. Wie heiter muß-<lb/>
ten wir lachen! Ich mit tief&#x017F;ter Rührung und ern&#x017F;te&#x017F;tem<lb/>
Ern&#x017F;t. &#x2014; Aber Sie wi&#x017F;&#x017F;en ja, wie ein Anatom, wie Sie mit<lb/>
Fanny &#x017F;tehn. Apropos! Sie wollen uns &#x2014; ihr und mir &#x2014;<lb/>
un&#x017F;re große Diplomatie ab&#x017F;treiten. Ge&#x017F;etzt, mit Europa &#x017F;tände<lb/>
es anders, als Fanny und ich voraus&#x017F;etzten: mit der Ausübung<lb/>
von dem, was wir für nöthig <hi rendition="#g">hielten</hi>, i&#x017F;t es da&#x017F;&#x017F;elbe: wir<lb/>
haben es ohne nur mögliche, Verabredung vortrefflich exeku-<lb/>
tirt. Aber, Sie &#x017F;childerten mir Europa &#x2014; wie ich es nennen<lb/>
mag &#x2014; in Ihrem er&#x017F;ten Brief anders, als Sie es in Ihrem<lb/>
zweiten thaten. Aus dem er&#x017F;ten mußte ich das Verhältniß<lb/>
für ein Geheimniß halten, und bewahren; im zweiten weiß,<lb/>
und ehrt es die Welt, &#x2014; in der Sie leben. In jedem Fall<lb/>
wußte ich nicht, ob ich mich in&#x017F;truirt zeigen &#x017F;ollte: Sie woll-<lb/>
ten &#x017F;ogar nur verlangen, daß ich &#x017F;ie nur &#x017F;ollte <hi rendition="#g">tanzen</hi> &#x017F;ehn.<lb/>
Genug, mein Stolz auf un&#x017F;er Betragen i&#x017F;t nicht gebrochen,<lb/>
und lebt fort in mir. Daß aber Für&#x017F;t M. &#x017F;olchen edlen An-<lb/>
theil an dem Leben Ihres Herzens zu nehmen weiß, be&#x017F;tätigt<lb/>
mir nur, was ich von ihm dachte; und die herzliche Theil-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[461/0469] ein Kourier erſchreckt; ich bin es: weil ich das viele Schreiben für ſchädlich halten muß; und das beſonders, weil er ſich bei ſeinen aufgetragenen Arbeiten ſo eilt, wie kein Anderer. — Cela me rapelle un grand travail que vous avez été obligé de faire à Prague, und von dem Sie mir ſagten, nie hätte eine Arbeit Ihnen mehr Mühe gemacht. Welch Meiſterſtück fand ich’s! Keiner hätte dies ſo geſagt. Ein Krönchen iſt Ih- nen Ihr Kaiſer dafür ſchuldig: wenn auch nur von Lorbeer. Vorgeſtern mußte mir Varnh. die Nummern in Heine’s Buch aufſchlagen, die Sie mir angezeigt hatten. Wie heiter muß- ten wir lachen! Ich mit tiefſter Rührung und ernſteſtem Ernſt. — Aber Sie wiſſen ja, wie ein Anatom, wie Sie mit Fanny ſtehn. Apropos! Sie wollen uns — ihr und mir — unſre große Diplomatie abſtreiten. Geſetzt, mit Europa ſtände es anders, als Fanny und ich vorausſetzten: mit der Ausübung von dem, was wir für nöthig hielten, iſt es daſſelbe: wir haben es ohne nur mögliche, Verabredung vortrefflich exeku- tirt. Aber, Sie ſchilderten mir Europa — wie ich es nennen mag — in Ihrem erſten Brief anders, als Sie es in Ihrem zweiten thaten. Aus dem erſten mußte ich das Verhältniß für ein Geheimniß halten, und bewahren; im zweiten weiß, und ehrt es die Welt, — in der Sie leben. In jedem Fall wußte ich nicht, ob ich mich inſtruirt zeigen ſollte: Sie woll- ten ſogar nur verlangen, daß ich ſie nur ſollte tanzen ſehn. Genug, mein Stolz auf unſer Betragen iſt nicht gebrochen, und lebt fort in mir. Daß aber Fürſt M. ſolchen edlen An- theil an dem Leben Ihres Herzens zu nehmen weiß, beſtätigt mir nur, was ich von ihm dachte; und die herzliche Theil-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/469
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/469>, abgerufen am 29.11.2024.