meinem Schreiben mittheilte. -- Ich freue mich ihrer fünfund- zwanzig Jahre; jung, zur Liebe; und alt genug, zu Entschluß und Einsicht; ich gönne es ihm, wie ein Gott es ihm gönnen mag! Diese Zeilen schreib' ich in fortwährendem Gespräch mit meinen drei Kindern, die gefrühstückt haben, mit tausend Prätensionen. Wenigstens mußt' ich achtmal aufstehn. --
Götter! was hätte ich Ihnen zu sagen. Doch Neues. Es wogt in mir, von Gedanken, Meinungen, Ansichten, Ent- deckungen. Goethens Arzt hat mir geantwortet; als er ihm die Nachricht vom Sohn hinterbrachte, antwortete er nur: "Ich wußte, daß ich einen sterblichen Sohn gezeugt habe." Er ist wohl. Aber er unterdrückte seine Thränen.
Adieu F. V.
An Rose, im Haag.
Berlin, Dienstag halb 12 Uhr den 22. November 1830.
Halb-helles, nicht gefrornes Wetter. Es hat noch nicht gefroren.
Was machst du? das möchte ich gerne fragen: und gleich Antwort darauf haben; die Unmöglichkeit davon ist auch eine Ursache, die mich vom Schreiben abhält. Da aber niemand schreibt, so muß am Ende doch ich es thun. Die, welche am wenigsten es kann. Liebe Rose! weßwegen schreibst du gar nicht. Bin ich in irgend einer Kalamität, die zur öffentlichen Kenntniß kommen kann; so schreib' ich immer zuerst. Jedoch, das ist kein Vorwurf: manchmal kann man nicht schreiben. Mit welcher Anxietät verfolg' ich Zeitungen und öffentliche Blätter! Frieden wird werden; bin ich seit mehreren Wochen
III. 30
meinem Schreiben mittheilte. — Ich freue mich ihrer fünfund- zwanzig Jahre; jung, zur Liebe; und alt genug, zu Entſchluß und Einſicht; ich gönne es ihm, wie ein Gott es ihm gönnen mag! Dieſe Zeilen ſchreib’ ich in fortwährendem Geſpräch mit meinen drei Kindern, die gefrühſtückt haben, mit tauſend Prätenſionen. Wenigſtens mußt’ ich achtmal aufſtehn. —
Götter! was hätte ich Ihnen zu ſagen. Doch Neues. Es wogt in mir, von Gedanken, Meinungen, Anſichten, Ent- deckungen. Goethens Arzt hat mir geantwortet; als er ihm die Nachricht vom Sohn hinterbrachte, antwortete er nur: „Ich wußte, daß ich einen ſterblichen Sohn gezeugt habe.“ Er iſt wohl. Aber er unterdrückte ſeine Thränen.
Adieu F. V.
An Roſe, im Haag.
Berlin, Dienstag halb 12 Uhr den 22. November 1830.
Halb-helles, nicht gefrornes Wetter. Es hat noch nicht gefroren.
Was machſt du? das möchte ich gerne fragen: und gleich Antwort darauf haben; die Unmöglichkeit davon iſt auch eine Urſache, die mich vom Schreiben abhält. Da aber niemand ſchreibt, ſo muß am Ende doch ich es thun. Die, welche am wenigſten es kann. Liebe Roſe! weßwegen ſchreibſt du gar nicht. Bin ich in irgend einer Kalamität, die zur öffentlichen Kenntniß kommen kann; ſo ſchreib’ ich immer zuerſt. Jedoch, das iſt kein Vorwurf: manchmal kann man nicht ſchreiben. Mit welcher Anxietät verfolg’ ich Zeitungen und öffentliche Blätter! Frieden wird werden; bin ich ſeit mehreren Wochen
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meinem Schreiben mittheilte. — Ich freue mich ihrer fünfund-
zwanzig Jahre; jung, zur Liebe; und alt genug, zu Entſchluß
und Einſicht; ich gönne es ihm, wie ein Gott es ihm gönnen
mag! Dieſe Zeilen ſchreib’ ich in fortwährendem Geſpräch
mit meinen drei Kindern, die gefrühſtückt haben, mit tauſend
Prätenſionen. Wenigſtens mußt’ ich achtmal aufſtehn. —
Götter! was hätte ich Ihnen zu ſagen. Doch Neues.
Es wogt in mir, von Gedanken, Meinungen, Anſichten, Ent-
deckungen. Goethens Arzt hat mir geantwortet; als er ihm
die Nachricht vom Sohn hinterbrachte, antwortete er nur: „Ich
wußte, daß ich einen ſterblichen Sohn gezeugt habe.“ Er iſt
wohl. Aber er unterdrückte ſeine Thränen.
Adieu F. V.
An Roſe, im Haag.
Berlin, Dienstag halb 12 Uhr den 22. November 1830.
Halb-helles, nicht gefrornes Wetter. Es hat noch nicht
gefroren.
Was machſt du? das möchte ich gerne fragen: und gleich
Antwort darauf haben; die Unmöglichkeit davon iſt auch eine
Urſache, die mich vom Schreiben abhält. Da aber niemand
ſchreibt, ſo muß am Ende doch ich es thun. Die, welche am
wenigſten es kann. Liebe Roſe! weßwegen ſchreibſt du gar
nicht. Bin ich in irgend einer Kalamität, die zur öffentlichen
Kenntniß kommen kann; ſo ſchreib’ ich immer zuerſt. Jedoch,
das iſt kein Vorwurf: manchmal kann man nicht ſchreiben.
Mit welcher Anxietät verfolg’ ich Zeitungen und öffentliche
Blätter! Frieden wird werden; bin ich ſeit mehreren Wochen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/473>, abgerufen am 29.11.2024.
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