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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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hinkomme -- sitzt sie noch, und bereitet der Schwester und sich
mit höchsten Händen Ballaufsätze, von Blonden, Draht und
Band; geschickt wie eine Fee, graziös als käme es eben aus
Paris; und intelligent, wie nur der individuellste Karakter sie
erfinden kann. Auch frisirt sie sich selbst, und richtig hatte
ich ihren Anzug einen persönlichen genannt. Ich halte ent-
setzlich viel auf Anzug: aber gehe schlecht einher; versteh' es,
wie niemand besser. Kann auch schön Rath geben, und wäh-
len; im höchsten Sinn; mit genauster Kenntniß der Mode,
die öfters losgelassen werden muß, -- mise de cote, mais pas
ignoree!
-- Es wird für mich ganz finster in Berlin sein,
wenn die Schwestern weg sind; mir gefällt hier kein Mensch!
und mit dem Theater ist's dann für mich aus.

Aber Sie, mein Herr, müssen mir nun bald schreiben;
sonst schreib' ich Ihnen auch nicht. Auch ich habe unendliche
Geschäfte, und Sie sind gesund, und ich nicht. Bekomme ich
einen Brief, so erfahren Sie, was ich über das beifolgende
Gedicht denke: und noch viel über Fanny. Aber auch ich
trage eine Person im Herzen, wie ihr Andern -- mich, -- und
will wissen, wie Sie diese Person aufgenommen; durch Worte;
nicht durch Ausrufungen. In meinen Heften stehn all in mir
aufgegangene, und zerschmetterte Frühlinge: wenn auch auf-
getrocknet zwischen Blättern; oder als ein Tropfen Essenz, von
weitem Feld, und Thal erpreßt! Stimmen Sie ein; und wi-
dersprechen Sie: doch in einiges, wenn auch nicht alles Äuße-
rungen verdient. -- Ich bin stolz, nämlich sehr freudig, daß
Ihnen die Hefte gefallen: und ging' es, wär' ich noch stolzer
auf Ihre Treulosigkeit, die dem Fürsten und der Gräfin von

mei-

hinkomme — ſitzt ſie noch, und bereitet der Schweſter und ſich
mit höchſten Händen Ballaufſätze, von Blonden, Draht und
Band; geſchickt wie eine Fee, graziös als käme es eben aus
Paris; und intelligent, wie nur der individuellſte Karakter ſie
erfinden kann. Auch friſirt ſie ſich ſelbſt, und richtig hatte
ich ihren Anzug einen perſönlichen genannt. Ich halte ent-
ſetzlich viel auf Anzug: aber gehe ſchlecht einher; verſteh’ es,
wie niemand beſſer. Kann auch ſchön Rath geben, und wäh-
len; im höchſten Sinn; mit genauſter Kenntniß der Mode,
die öfters losgelaſſen werden muß, — mise de côté, mais pas
ignorée!
— Es wird für mich ganz finſter in Berlin ſein,
wenn die Schweſtern weg ſind; mir gefällt hier kein Menſch!
und mit dem Theater iſt’s dann für mich aus.

Aber Sie, mein Herr, müſſen mir nun bald ſchreiben;
ſonſt ſchreib’ ich Ihnen auch nicht. Auch ich habe unendliche
Geſchäfte, und Sie ſind geſund, und ich nicht. Bekomme ich
einen Brief, ſo erfahren Sie, was ich über das beifolgende
Gedicht denke: und noch viel über Fanny. Aber auch ich
trage eine Perſon im Herzen, wie ihr Andern — mich, — und
will wiſſen, wie Sie dieſe Perſon aufgenommen; durch Worte;
nicht durch Ausrufungen. In meinen Heften ſtehn all in mir
aufgegangene, und zerſchmetterte Frühlinge: wenn auch auf-
getrocknet zwiſchen Blättern; oder als ein Tropfen Eſſenz, von
weitem Feld, und Thal erpreßt! Stimmen Sie ein; und wi-
derſprechen Sie: doch in einiges, wenn auch nicht alles Äuße-
rungen verdient. — Ich bin ſtolz, nämlich ſehr freudig, daß
Ihnen die Hefte gefallen: und ging’ es, wär’ ich noch ſtolzer
auf Ihre Treuloſigkeit, die dem Fürſten und der Gräfin von

mei-
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[464/0472] hinkomme — ſitzt ſie noch, und bereitet der Schweſter und ſich mit höchſten Händen Ballaufſätze, von Blonden, Draht und Band; geſchickt wie eine Fee, graziös als käme es eben aus Paris; und intelligent, wie nur der individuellſte Karakter ſie erfinden kann. Auch friſirt ſie ſich ſelbſt, und richtig hatte ich ihren Anzug einen perſönlichen genannt. Ich halte ent- ſetzlich viel auf Anzug: aber gehe ſchlecht einher; verſteh’ es, wie niemand beſſer. Kann auch ſchön Rath geben, und wäh- len; im höchſten Sinn; mit genauſter Kenntniß der Mode, die öfters losgelaſſen werden muß, — mise de côté, mais pas ignorée! — Es wird für mich ganz finſter in Berlin ſein, wenn die Schweſtern weg ſind; mir gefällt hier kein Menſch! und mit dem Theater iſt’s dann für mich aus. Aber Sie, mein Herr, müſſen mir nun bald ſchreiben; ſonſt ſchreib’ ich Ihnen auch nicht. Auch ich habe unendliche Geſchäfte, und Sie ſind geſund, und ich nicht. Bekomme ich einen Brief, ſo erfahren Sie, was ich über das beifolgende Gedicht denke: und noch viel über Fanny. Aber auch ich trage eine Perſon im Herzen, wie ihr Andern — mich, — und will wiſſen, wie Sie dieſe Perſon aufgenommen; durch Worte; nicht durch Ausrufungen. In meinen Heften ſtehn all in mir aufgegangene, und zerſchmetterte Frühlinge: wenn auch auf- getrocknet zwiſchen Blättern; oder als ein Tropfen Eſſenz, von weitem Feld, und Thal erpreßt! Stimmen Sie ein; und wi- derſprechen Sie: doch in einiges, wenn auch nicht alles Äuße- rungen verdient. — Ich bin ſtolz, nämlich ſehr freudig, daß Ihnen die Hefte gefallen: und ging’ es, wär’ ich noch ſtolzer auf Ihre Treuloſigkeit, die dem Fürſten und der Gräfin von mei-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/472>, abgerufen am 29.11.2024.