hinkomme -- sitzt sie noch, und bereitet der Schwester und sich mit höchsten Händen Ballaufsätze, von Blonden, Draht und Band; geschickt wie eine Fee, graziös als käme es eben aus Paris; und intelligent, wie nur der individuellste Karakter sie erfinden kann. Auch frisirt sie sich selbst, und richtig hatte ich ihren Anzug einen persönlichen genannt. Ich halte ent- setzlich viel auf Anzug: aber gehe schlecht einher; versteh' es, wie niemand besser. Kann auch schön Rath geben, und wäh- len; im höchsten Sinn; mit genauster Kenntniß der Mode, die öfters losgelassen werden muß, -- mise de cote, mais pas ignoree! -- Es wird für mich ganz finster in Berlin sein, wenn die Schwestern weg sind; mir gefällt hier kein Mensch! und mit dem Theater ist's dann für mich aus.
Aber Sie, mein Herr, müssen mir nun bald schreiben; sonst schreib' ich Ihnen auch nicht. Auch ich habe unendliche Geschäfte, und Sie sind gesund, und ich nicht. Bekomme ich einen Brief, so erfahren Sie, was ich über das beifolgende Gedicht denke: und noch viel über Fanny. Aber auch ich trage eine Person im Herzen, wie ihr Andern -- mich, -- und will wissen, wie Sie diese Person aufgenommen; durch Worte; nicht durch Ausrufungen. In meinen Heften stehn all in mir aufgegangene, und zerschmetterte Frühlinge: wenn auch auf- getrocknet zwischen Blättern; oder als ein Tropfen Essenz, von weitem Feld, und Thal erpreßt! Stimmen Sie ein; und wi- dersprechen Sie: doch in einiges, wenn auch nicht alles Äuße- rungen verdient. -- Ich bin stolz, nämlich sehr freudig, daß Ihnen die Hefte gefallen: und ging' es, wär' ich noch stolzer auf Ihre Treulosigkeit, die dem Fürsten und der Gräfin von
mei-
hinkomme — ſitzt ſie noch, und bereitet der Schweſter und ſich mit höchſten Händen Ballaufſätze, von Blonden, Draht und Band; geſchickt wie eine Fee, graziös als käme es eben aus Paris; und intelligent, wie nur der individuellſte Karakter ſie erfinden kann. Auch friſirt ſie ſich ſelbſt, und richtig hatte ich ihren Anzug einen perſönlichen genannt. Ich halte ent- ſetzlich viel auf Anzug: aber gehe ſchlecht einher; verſteh’ es, wie niemand beſſer. Kann auch ſchön Rath geben, und wäh- len; im höchſten Sinn; mit genauſter Kenntniß der Mode, die öfters losgelaſſen werden muß, — mise de côté, mais pas ignorée! — Es wird für mich ganz finſter in Berlin ſein, wenn die Schweſtern weg ſind; mir gefällt hier kein Menſch! und mit dem Theater iſt’s dann für mich aus.
Aber Sie, mein Herr, müſſen mir nun bald ſchreiben; ſonſt ſchreib’ ich Ihnen auch nicht. Auch ich habe unendliche Geſchäfte, und Sie ſind geſund, und ich nicht. Bekomme ich einen Brief, ſo erfahren Sie, was ich über das beifolgende Gedicht denke: und noch viel über Fanny. Aber auch ich trage eine Perſon im Herzen, wie ihr Andern — mich, — und will wiſſen, wie Sie dieſe Perſon aufgenommen; durch Worte; nicht durch Ausrufungen. In meinen Heften ſtehn all in mir aufgegangene, und zerſchmetterte Frühlinge: wenn auch auf- getrocknet zwiſchen Blättern; oder als ein Tropfen Eſſenz, von weitem Feld, und Thal erpreßt! Stimmen Sie ein; und wi- derſprechen Sie: doch in einiges, wenn auch nicht alles Äuße- rungen verdient. — Ich bin ſtolz, nämlich ſehr freudig, daß Ihnen die Hefte gefallen: und ging’ es, wär’ ich noch ſtolzer auf Ihre Treuloſigkeit, die dem Fürſten und der Gräfin von
mei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0472"n="464"/>
hinkomme —ſitzt ſie noch, und bereitet der Schweſter und ſich<lb/>
mit höchſten Händen Ballaufſätze, von Blonden, Draht und<lb/>
Band; geſchickt wie eine Fee, graziös als käme es eben aus<lb/>
Paris; und intelligent, wie nur der individuellſte Karakter ſie<lb/>
erfinden kann. Auch friſirt ſie ſich ſelbſt, und <hirendition="#g">richtig</hi> hatte<lb/>
ich ihren Anzug einen perſönlichen genannt. Ich halte ent-<lb/>ſetzlich viel auf Anzug: aber gehe ſchlecht einher; verſteh’ es,<lb/>
wie niemand beſſer. Kann auch ſchön Rath geben, und wäh-<lb/>
len; im höchſten Sinn; mit genauſter Kenntniß der Mode,<lb/>
die öfters losgelaſſen werden muß, —<hirendition="#aq">mise de côté, mais <hirendition="#g">pas<lb/>
ignorée!</hi></hi>— Es wird für mich ganz finſter in Berlin ſein,<lb/>
wenn die Schweſtern weg ſind; mir <hirendition="#g">gefällt</hi> hier kein Menſch!<lb/>
und mit dem Theater iſt’s dann für mich aus.</p><lb/><p>Aber Sie, mein Herr, müſſen mir nun bald ſchreiben;<lb/>ſonſt ſchreib’ ich Ihnen auch nicht. Auch ich habe unendliche<lb/>
Geſchäfte, und Sie ſind geſund, und ich nicht. Bekomme ich<lb/>
einen Brief, ſo erfahren Sie, was ich über das beifolgende<lb/>
Gedicht denke: und noch viel über Fanny. Aber auch ich<lb/>
trage eine Perſon im Herzen, wie ihr Andern — mich, — und<lb/>
will wiſſen, wie Sie dieſe Perſon aufgenommen; durch Worte;<lb/>
nicht durch Ausrufungen. In meinen Heften ſtehn all in mir<lb/>
aufgegangene, und zerſchmetterte Frühlinge: wenn auch auf-<lb/>
getrocknet zwiſchen Blättern; oder als ein Tropfen Eſſenz, von<lb/>
weitem Feld, und Thal erpreßt! Stimmen Sie ein; und wi-<lb/>
derſprechen Sie: doch in einiges, wenn auch nicht alles Äuße-<lb/>
rungen verdient. — Ich bin ſtolz, nämlich ſehr freudig, daß<lb/>
Ihnen die Hefte gefallen: und ging’ es, wär’ ich noch ſtolzer<lb/>
auf Ihre Treuloſigkeit, die dem Fürſten und der Gräfin von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mei-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[464/0472]
hinkomme — ſitzt ſie noch, und bereitet der Schweſter und ſich
mit höchſten Händen Ballaufſätze, von Blonden, Draht und
Band; geſchickt wie eine Fee, graziös als käme es eben aus
Paris; und intelligent, wie nur der individuellſte Karakter ſie
erfinden kann. Auch friſirt ſie ſich ſelbſt, und richtig hatte
ich ihren Anzug einen perſönlichen genannt. Ich halte ent-
ſetzlich viel auf Anzug: aber gehe ſchlecht einher; verſteh’ es,
wie niemand beſſer. Kann auch ſchön Rath geben, und wäh-
len; im höchſten Sinn; mit genauſter Kenntniß der Mode,
die öfters losgelaſſen werden muß, — mise de côté, mais pas
ignorée! — Es wird für mich ganz finſter in Berlin ſein,
wenn die Schweſtern weg ſind; mir gefällt hier kein Menſch!
und mit dem Theater iſt’s dann für mich aus.
Aber Sie, mein Herr, müſſen mir nun bald ſchreiben;
ſonſt ſchreib’ ich Ihnen auch nicht. Auch ich habe unendliche
Geſchäfte, und Sie ſind geſund, und ich nicht. Bekomme ich
einen Brief, ſo erfahren Sie, was ich über das beifolgende
Gedicht denke: und noch viel über Fanny. Aber auch ich
trage eine Perſon im Herzen, wie ihr Andern — mich, — und
will wiſſen, wie Sie dieſe Perſon aufgenommen; durch Worte;
nicht durch Ausrufungen. In meinen Heften ſtehn all in mir
aufgegangene, und zerſchmetterte Frühlinge: wenn auch auf-
getrocknet zwiſchen Blättern; oder als ein Tropfen Eſſenz, von
weitem Feld, und Thal erpreßt! Stimmen Sie ein; und wi-
derſprechen Sie: doch in einiges, wenn auch nicht alles Äuße-
rungen verdient. — Ich bin ſtolz, nämlich ſehr freudig, daß
Ihnen die Hefte gefallen: und ging’ es, wär’ ich noch ſtolzer
auf Ihre Treuloſigkeit, die dem Fürſten und der Gräfin von
mei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/472>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.