und Komik, mit den kürzesten Worten. Sein Nachgeben war das Komischeste, was er hervorbrachte: er wußte mit dem klein- sten Worte immer mit Miene und Ton, darzuthun, und auf -- sogar großer, Breite zu zeigen, wie das Gegentheil des Be- schlossenen, Beliebten, Gewählten, wohl leicht viel besser sein und besser vertheidigt werden könnte! -- er zeigte sich durch- aus gut; gütig: gänzlich arglos, vollkommen liebenswürdig, -- aber daß an allem nicht viel läge; und daß, bequemlich, geschliffen und einsichtig neben einander zu leben, die zu be- absichtigende und zu erreichende Hauptsache sei. Leider kamen ihm die wichtigsten Punkte der Untersuchung eben so vor! dies zeigte er immer: und sagte es mir oft: "les questions vitales de toute notre existence." Welch liebenswürdiges Gemüth! bei solchen Resultaten aller Untersuchung so gütig und wohlwollend zu sein, und zu bleiben. Er war dabei ste- hen geblieben, daß ihm sein guter Verstand aus allen seinen einzelnen Einsichten das Resultat und die Bürgschaft für die Richtigkeit und Güte des Ganzen schaffen müßte. Das thut kein Verstand, und keine Einsicht, in alles, was wir außer uns wahrzunehmen im Stande sind. Da ist Bruch auf Bruch, Elend, Leid, und Unrecht, und Unverständliches zu sehn: und dies ist allerdings zu ironisiren. Aber in uns tragen wir den Bürgen alles Vernünftigen, Guten, Gerechten, Glücklichen: das Bedürfniß zu allem diesen ist es, das ist der Bürge; der ist nicht zu ironisiren. Von diesem fand ich in dem liebens- werthen Benjamin keinen bewußten Anklang; von dem innern Gott sprach er nie; alles, jede Meinung, alles Mei- nen, stellte er in gleichsam urbar gewordenen Zweifel, dem
und Komik, mit den kürzeſten Worten. Sein Nachgeben war das Komiſcheſte, was er hervorbrachte: er wußte mit dem klein- ſten Worte immer mit Miene und Ton, darzuthun, und auf — ſogar großer, Breite zu zeigen, wie das Gegentheil des Be- ſchloſſenen, Beliebten, Gewählten, wohl leicht viel beſſer ſein und beſſer vertheidigt werden könnte! — er zeigte ſich durch- aus gut; gütig: gänzlich arglos, vollkommen liebenswürdig, — aber daß an allem nicht viel läge; und daß, bequemlich, geſchliffen und einſichtig neben einander zu leben, die zu be- abſichtigende und zu erreichende Hauptſache ſei. Leider kamen ihm die wichtigſten Punkte der Unterſuchung eben ſo vor! dies zeigte er immer: und ſagte es mir oft: „les questions vitales de toute notre existence.“ Welch liebenswürdiges Gemüth! bei ſolchen Reſultaten aller Unterſuchung ſo gütig und wohlwollend zu ſein, und zu bleiben. Er war dabei ſte- hen geblieben, daß ihm ſein guter Verſtand aus allen ſeinen einzelnen Einſichten das Reſultat und die Bürgſchaft für die Richtigkeit und Güte des Ganzen ſchaffen müßte. Das thut kein Verſtand, und keine Einſicht, in alles, was wir außer uns wahrzunehmen im Stande ſind. Da iſt Bruch auf Bruch, Elend, Leid, und Unrecht, und Unverſtändliches zu ſehn: und dies iſt allerdings zu ironiſiren. Aber in uns tragen wir den Bürgen alles Vernünftigen, Guten, Gerechten, Glücklichen: das Bedürfniß zu allem dieſen iſt es, das iſt der Bürge; der iſt nicht zu ironiſiren. Von dieſem fand ich in dem liebens- werthen Benjamin keinen bewußten Anklang; von dem innern Gott ſprach er nie; alles, jede Meinung, alles Mei- nen, ſtellte er in gleichſam urbar gewordenen Zweifel, dem
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und Komik, mit den kürzeſten Worten. Sein Nachgeben war
das Komiſcheſte, was er hervorbrachte: er wußte mit dem klein-
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ſogar großer, Breite zu zeigen, wie das Gegentheil des Be-
ſchloſſenen, Beliebten, Gewählten, wohl leicht viel beſſer ſein
und beſſer vertheidigt werden könnte! — er zeigte ſich durch-
aus gut; gütig: gänzlich arglos, vollkommen liebenswürdig,
— aber daß an allem nicht viel läge; und daß, bequemlich,
geſchliffen und einſichtig neben einander zu leben, die zu be-
abſichtigende und zu erreichende Hauptſache ſei. Leider kamen
ihm die wichtigſten Punkte der Unterſuchung eben ſo vor!
dies zeigte er immer: und ſagte es mir oft: „les questions
vitales de toute notre existence.“ Welch liebenswürdiges
Gemüth! bei ſolchen Reſultaten aller Unterſuchung ſo gütig
und wohlwollend zu ſein, und zu bleiben. Er war dabei ſte-
hen geblieben, daß ihm ſein guter Verſtand aus allen ſeinen
einzelnen Einſichten das Reſultat und die Bürgſchaft für die
Richtigkeit und Güte des Ganzen ſchaffen müßte. Das thut
kein Verſtand, und keine Einſicht, in alles, was wir außer
uns wahrzunehmen im Stande ſind. Da iſt Bruch auf Bruch,
Elend, Leid, und Unrecht, und Unverſtändliches zu ſehn: und
dies iſt allerdings zu ironiſiren. Aber in uns tragen wir den
Bürgen alles Vernünftigen, Guten, Gerechten, Glücklichen:
das Bedürfniß zu allem dieſen iſt es, das iſt der Bürge; der
iſt nicht zu ironiſiren. Von dieſem fand ich in dem liebens-
werthen Benjamin keinen bewußten Anklang; von dem
innern Gott ſprach er nie; alles, jede Meinung, alles Mei-
nen, ſtellte er in gleichſam urbar gewordenen Zweifel, dem
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/478>, abgerufen am 28.11.2024.
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