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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Uhr eine Thätigkeit gebraucht. Bei der ist noch der weitere
Gedanke, daß die Federkraft ein Keimchen zu einer Organi-
sation ist, fürchterlich: wäre die Wechselwirkung von Feder zu
Rad vielseitiger, so ging' es schon weiter. Das fiel mir heute
ein, daß eine Uhr der erste Anfang von Organisation ist.
Witziger Gebrauch von Kräften. Die wir so nennen, weil wir
sie nicht kennen.




Schon sehr oft hab' ich gar nicht ergründen können,
woher dem Menschen seine Eitelkeit stammt. Was ist das,
daß er sich nicht allein schöner, besser, klüger, reicher, begabter
machen, sondern auch für alles dies ausgeben mag, und nicht
allein für Andere, sondern auch wohl für sich selbst? Der
Grund dieses Bestrebens ist mir noch nicht klar. Es ist viel-
leicht die Sehnsucht nach einem angemesseneren Zustande für
seine Fakultäten: er will sich wenigstens zur Erleichterung
vorspiegeln -- oder vorspielen -- daß er nicht in dem klem-
menden provisorischen mehr ist, oder zu bleiben braucht: alles
dies ist nicht klar und hinreichend für die unvertilgbare An-
lage zur Prahlerei. Dies alles fällt mir immer von neuem
wieder bei Angelus Spruch ein:

"Des Weisen Ahnen sind Gott Vater, Sohn und Geist;
Von diesen schreibt er sich, wenn er sein' Abkunft preist."

Der Grund der Eitelkeit kam mir nie so sehr unedel vor;
aber die Lüge so dumm; und je dümmer, je richtiger ihr Grund.
Wie ist mit Lüge ein Defizit auszugleichen!



Uhr eine Thätigkeit gebraucht. Bei der iſt noch der weitere
Gedanke, daß die Federkraft ein Keimchen zu einer Organi-
ſation iſt, fürchterlich: wäre die Wechſelwirkung von Feder zu
Rad vielſeitiger, ſo ging’ es ſchon weiter. Das fiel mir heute
ein, daß eine Uhr der erſte Anfang von Organiſation iſt.
Witziger Gebrauch von Kräften. Die wir ſo nennen, weil wir
ſie nicht kennen.




Schon ſehr oft hab’ ich gar nicht ergründen können,
woher dem Menſchen ſeine Eitelkeit ſtammt. Was iſt das,
daß er ſich nicht allein ſchöner, beſſer, klüger, reicher, begabter
machen, ſondern auch für alles dies ausgeben mag, und nicht
allein für Andere, ſondern auch wohl für ſich ſelbſt? Der
Grund dieſes Beſtrebens iſt mir noch nicht klar. Es iſt viel-
leicht die Sehnſucht nach einem angemeſſeneren Zuſtande für
ſeine Fakultäten: er will ſich wenigſtens zur Erleichterung
vorſpiegeln — oder vorſpielen — daß er nicht in dem klem-
menden proviſoriſchen mehr iſt, oder zu bleiben braucht: alles
dies iſt nicht klar und hinreichend für die unvertilgbare An-
lage zur Prahlerei. Dies alles fällt mir immer von neuem
wieder bei Angelus Spruch ein:

„Des Weiſen Ahnen ſind Gott Vater, Sohn und Geiſt;
Von dieſen ſchreibt er ſich, wenn er ſein’ Abkunft preiſt.“

Der Grund der Eitelkeit kam mir nie ſo ſehr unedel vor;
aber die Lüge ſo dumm; und je dümmer, je richtiger ihr Grund.
Wie iſt mit Lüge ein Defizit auszugleichen!



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[42/0050] Uhr eine Thätigkeit gebraucht. Bei der iſt noch der weitere Gedanke, daß die Federkraft ein Keimchen zu einer Organi- ſation iſt, fürchterlich: wäre die Wechſelwirkung von Feder zu Rad vielſeitiger, ſo ging’ es ſchon weiter. Das fiel mir heute ein, daß eine Uhr der erſte Anfang von Organiſation iſt. Witziger Gebrauch von Kräften. Die wir ſo nennen, weil wir ſie nicht kennen. Sonntag, den 22. April 1821. Schon ſehr oft hab’ ich gar nicht ergründen können, woher dem Menſchen ſeine Eitelkeit ſtammt. Was iſt das, daß er ſich nicht allein ſchöner, beſſer, klüger, reicher, begabter machen, ſondern auch für alles dies ausgeben mag, und nicht allein für Andere, ſondern auch wohl für ſich ſelbſt? Der Grund dieſes Beſtrebens iſt mir noch nicht klar. Es iſt viel- leicht die Sehnſucht nach einem angemeſſeneren Zuſtande für ſeine Fakultäten: er will ſich wenigſtens zur Erleichterung vorſpiegeln — oder vorſpielen — daß er nicht in dem klem- menden proviſoriſchen mehr iſt, oder zu bleiben braucht: alles dies iſt nicht klar und hinreichend für die unvertilgbare An- lage zur Prahlerei. Dies alles fällt mir immer von neuem wieder bei Angelus Spruch ein: „Des Weiſen Ahnen ſind Gott Vater, Sohn und Geiſt; Von dieſen ſchreibt er ſich, wenn er ſein’ Abkunft preiſt.“ Der Grund der Eitelkeit kam mir nie ſo ſehr unedel vor; aber die Lüge ſo dumm; und je dümmer, je richtiger ihr Grund. Wie iſt mit Lüge ein Defizit auszugleichen!

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/50>, abgerufen am 21.11.2024.