Wasser holen, vom Abend verwahren. Nachts warmes ha- ben. Gleich reiben, reiben, reiben; ehe der Arzt kommt; ge- füllte Säcke mit Kleie, und Flanelle bereit liegen haben. Gott ergeben sein, hoffen: den Kopf behalten: sich nicht fürchten: sondern in Acht nehmen. Die Binden im Bette umbehal- ten; Hauptsache. Hierbei ein gedrucktes, sehr kluges Verhal- tungsedikt. Casper ist sehr gutes Muths. Die Menschen im Ganzen brav: wie immer bei großen Kalamitäten. Die dritte, vierte Volksklasse verständig, vorsichtig, folgsam: Kut- scher, Waschfrau, Ladenleute, Bediente, Schauerfrauen, -- in allen Laden Räucheranstalten seit dem ersten Tag. Schütz' uns Gott, und gebe uns erhellte Gedanken! jetzt weine ich. Seid ganz ruhig. -- Apotheker Riedel giebt seit heute alle Mittel für Arme umsonst. Juden geben viel. Und dir, Bru- der, wiederhole ich das heilige Wort unter uns abgeredet, "beim Jochid!" du läßt mich nicht sitzen, wenn du die ent- fernteste Sorge hast. Ich lese; die Kinder kommen zu mir, Fanny. Casper führt sich vortrefflich auf; war schon muthig und vergnügt zweimal am Finnowkanal zu Hülfe. -- Ko- misch waren die Berliner wie immer; die ersten sechs Tage wollten sie's nicht glauben: und wallfahrteten zu den Kran- ken nach Charlottenburg, wie nach dem Stralauer Fischzug. Wachen mußten sie von den Spreeschiffen abhalten.
Schütze, Kreaturen-Vater, Schöpfer! Ich denke, auch das ist gut. Gewiß werde ich's einsehn. Schreiben aber kann ich nicht mehr; zu präokkupirt. Komödie, Musiken, alles geht seinen Gang. Die Zeitungen sind der Erfindungen wegen merkwürdig, diese Anerbietungen! Gute drunter;
Waſſer holen, vom Abend verwahren. Nachts warmes ha- ben. Gleich reiben, reiben, reiben; ehe der Arzt kommt; ge- füllte Säcke mit Kleie, und Flanelle bereit liegen haben. Gott ergeben ſein, hoffen: den Kopf behalten: ſich nicht fürchten: ſondern in Acht nehmen. Die Binden im Bette umbehal- ten; Hauptſache. Hierbei ein gedrucktes, ſehr kluges Verhal- tungsedikt. Casper iſt ſehr gutes Muths. Die Menſchen im Ganzen brav: wie immer bei großen Kalamitäten. Die dritte, vierte Volksklaſſe verſtändig, vorſichtig, folgſam: Kut- ſcher, Waſchfrau, Ladenleute, Bediente, Schauerfrauen, — in allen Laden Räucheranſtalten ſeit dem erſten Tag. Schütz’ uns Gott, und gebe uns erhellte Gedanken! jetzt weine ich. Seid ganz ruhig. — Apotheker Riedel giebt ſeit heute alle Mittel für Arme umſonſt. Juden geben viel. Und dir, Bru- der, wiederhole ich das heilige Wort unter uns abgeredet, „beim Jochid!“ du läßt mich nicht ſitzen, wenn du die ent- fernteſte Sorge haſt. Ich leſe; die Kinder kommen zu mir, Fanny. Casper führt ſich vortrefflich auf; war ſchon muthig und vergnügt zweimal am Finnowkanal zu Hülfe. — Ko- miſch waren die Berliner wie immer; die erſten ſechs Tage wollten ſie’s nicht glauben: und wallfahrteten zu den Kran- ken nach Charlottenburg, wie nach dem Stralauer Fiſchzug. Wachen mußten ſie von den Spreeſchiffen abhalten.
Schütze, Kreaturen-Vater, Schöpfer! Ich denke, auch das iſt gut. Gewiß werde ich’s einſehn. Schreiben aber kann ich nicht mehr; zu präokkupirt. Komödie, Muſiken, alles geht ſeinen Gang. Die Zeitungen ſind der Erfindungen wegen merkwürdig, dieſe Anerbietungen! Gute drunter;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0529"n="521"/>
Waſſer holen, vom Abend verwahren. Nachts warmes ha-<lb/>
ben. Gleich reiben, reiben, reiben; ehe der Arzt kommt; ge-<lb/>
füllte Säcke mit Kleie, und Flanelle bereit liegen haben. Gott<lb/>
ergeben ſein, hoffen: den Kopf behalten: ſich <hirendition="#g">nicht</hi> fürchten:<lb/><hirendition="#g">ſondern</hi> in Acht nehmen. Die Binden im Bette umbehal-<lb/>
ten; Hauptſache. Hierbei ein gedrucktes, ſehr kluges Verhal-<lb/>
tungsedikt. Casper iſt ſehr gutes Muths. Die Menſchen<lb/>
im Ganzen brav: wie immer bei großen Kalamitäten. Die<lb/>
dritte, vierte Volksklaſſe verſtändig, vorſichtig, folgſam: Kut-<lb/>ſcher, Waſchfrau, Ladenleute, Bediente, Schauerfrauen, — in<lb/>
allen Laden Räucheranſtalten ſeit dem <hirendition="#g">erſten Tag</hi>. Schütz’<lb/>
uns Gott, und gebe uns erhellte Gedanken! jetzt weine ich.<lb/>
Seid <hirendition="#g">ganz</hi> ruhig. — Apotheker Riedel giebt ſeit heute <hirendition="#g">alle</hi><lb/>
Mittel für Arme umſonſt. Juden geben viel. Und dir, Bru-<lb/>
der, wiederhole ich das heilige Wort unter uns abgeredet,<lb/>„beim Jochid!“ du läßt mich nicht ſitzen, wenn du die ent-<lb/>
fernteſte Sorge haſt. Ich leſe; die Kinder kommen zu mir,<lb/>
Fanny. Casper führt ſich vortrefflich auf; war ſchon muthig<lb/>
und vergnügt zweimal am Finnowkanal zu Hülfe. — Ko-<lb/>
miſch waren die Berliner wie immer; die erſten ſechs Tage<lb/>
wollten ſie’s nicht glauben: und wallfahrteten zu den Kran-<lb/>
ken nach Charlottenburg, wie nach dem Stralauer Fiſchzug.<lb/>
Wachen mußten ſie von den Spreeſchiffen abhalten.</p><lb/><p>Schütze, Kreaturen-Vater, Schöpfer! <hirendition="#g">Ich</hi> denke, auch<lb/><hirendition="#g">das</hi> iſt gut. Gewiß werde ich’s einſehn. Schreiben aber<lb/>
kann ich nicht mehr; zu präokkupirt. Komödie, Muſiken,<lb/>
alles geht ſeinen Gang. Die Zeitungen ſind der Erfindungen<lb/>
wegen <hirendition="#g">merkwürdig</hi>, dieſe Anerbietungen! Gute drunter;<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[521/0529]
Waſſer holen, vom Abend verwahren. Nachts warmes ha-
ben. Gleich reiben, reiben, reiben; ehe der Arzt kommt; ge-
füllte Säcke mit Kleie, und Flanelle bereit liegen haben. Gott
ergeben ſein, hoffen: den Kopf behalten: ſich nicht fürchten:
ſondern in Acht nehmen. Die Binden im Bette umbehal-
ten; Hauptſache. Hierbei ein gedrucktes, ſehr kluges Verhal-
tungsedikt. Casper iſt ſehr gutes Muths. Die Menſchen
im Ganzen brav: wie immer bei großen Kalamitäten. Die
dritte, vierte Volksklaſſe verſtändig, vorſichtig, folgſam: Kut-
ſcher, Waſchfrau, Ladenleute, Bediente, Schauerfrauen, — in
allen Laden Räucheranſtalten ſeit dem erſten Tag. Schütz’
uns Gott, und gebe uns erhellte Gedanken! jetzt weine ich.
Seid ganz ruhig. — Apotheker Riedel giebt ſeit heute alle
Mittel für Arme umſonſt. Juden geben viel. Und dir, Bru-
der, wiederhole ich das heilige Wort unter uns abgeredet,
„beim Jochid!“ du läßt mich nicht ſitzen, wenn du die ent-
fernteſte Sorge haſt. Ich leſe; die Kinder kommen zu mir,
Fanny. Casper führt ſich vortrefflich auf; war ſchon muthig
und vergnügt zweimal am Finnowkanal zu Hülfe. — Ko-
miſch waren die Berliner wie immer; die erſten ſechs Tage
wollten ſie’s nicht glauben: und wallfahrteten zu den Kran-
ken nach Charlottenburg, wie nach dem Stralauer Fiſchzug.
Wachen mußten ſie von den Spreeſchiffen abhalten.
Schütze, Kreaturen-Vater, Schöpfer! Ich denke, auch
das iſt gut. Gewiß werde ich’s einſehn. Schreiben aber
kann ich nicht mehr; zu präokkupirt. Komödie, Muſiken,
alles geht ſeinen Gang. Die Zeitungen ſind der Erfindungen
wegen merkwürdig, dieſe Anerbietungen! Gute drunter;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/529>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.