Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

und rein erhalten vorgekommen, daß er, willig und freudig,
ihm persönliche und momentane Vortheile fahren ließe, wenn
seine Überzeugung eine andre werden muß. Ihnen, geehrter
Herr, danke ich das tröstliche Schauspiel, und will mich des
Danks der Erkenntlichkeit nicht schämen: ich muß und will
sie Ihnen laut zurufen. Welche Stärkung -- ja, ein groß-
tropfiger Mairegen auf dorr-dürstigem Boden -- waren mir
gestern Ihre edlen, reinen, unschuldigen, milden, stillen und
festen Vorsätze! Welcher Trost, welche Bürgschaft! Auf der
verwirrten Erde solch edle Freunde zu hinterlassen! Bürgschaft,
daß mehrere so sich finden werden; Ihnen wieder zum Trost
und zur Nacheiferung.

Auch ich bin hier unpersönlich: meiner Person kann nicht
viel mehr durch die neu gewonnene Einsicht anheim fallen.
Das weiß ich so gut, und besser, als ein Zwanzigjähriger,
der mich ansieht. Aber Glück auf! Die alte Erde muß sich
erhellen; und die kommenden Menschen besser und glücklicher
sein. Dies Billet wird, wenn Sie's aufheben, mit der Zeit
Werth für Sie bekommen, in der ich nicht mehr werde schrei-
ben können. Adieu lieber Fürst! Für Varnhagen ist's ein
Geheimniß!!!




Enseignement par le Pere supreme. S. 8. Un-
gründliche, nicht tiefgeschiedene Annahme: "Il y a des etres
a affections profondes etc. il y en a d'autres a affections vives,
rapides, passageres etc."
Das sind keine Grundunterschiede,
und besonders gar nicht so geschiedene Anlagen bei den Men-

und rein erhalten vorgekommen, daß er, willig und freudig,
ihm perſönliche und momentane Vortheile fahren ließe, wenn
ſeine Überzeugung eine andre werden muß. Ihnen, geehrter
Herr, danke ich das tröſtliche Schauſpiel, und will mich des
Danks der Erkenntlichkeit nicht ſchämen: ich muß und will
ſie Ihnen laut zurufen. Welche Stärkung — ja, ein groß-
tropfiger Mairegen auf dorr-dürſtigem Boden — waren mir
geſtern Ihre edlen, reinen, unſchuldigen, milden, ſtillen und
feſten Vorſätze! Welcher Troſt, welche Bürgſchaft! Auf der
verwirrten Erde ſolch edle Freunde zu hinterlaſſen! Bürgſchaft,
daß mehrere ſo ſich finden werden; Ihnen wieder zum Troſt
und zur Nacheiferung.

Auch ich bin hier unperſönlich: meiner Perſon kann nicht
viel mehr durch die neu gewonnene Einſicht anheim fallen.
Das weiß ich ſo gut, und beſſer, als ein Zwanzigjähriger,
der mich anſieht. Aber Glück auf! Die alte Erde muß ſich
erhellen; und die kommenden Menſchen beſſer und glücklicher
ſein. Dies Billet wird, wenn Sie’s aufheben, mit der Zeit
Werth für Sie bekommen, in der ich nicht mehr werde ſchrei-
ben können. Adieu lieber Fürſt! Für Varnhagen iſt’s ein
Geheimniß!!!




Enseignement par le Père suprême. S. 8. Un-
gründliche, nicht tiefgeſchiedene Annahme: „Il y a des êtres
à affections profondes etc. il y en a d’autres à affections vives,
rapides, passagères etc.”
Das ſind keine Grundunterſchiede,
und beſonders gar nicht ſo geſchiedene Anlagen bei den Men-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0565" n="557"/>
und rein erhalten vorgekommen, daß er, willig und freudig,<lb/>
ihm per&#x017F;önliche und momentane Vortheile fahren ließe, wenn<lb/>
&#x017F;eine Überzeugung eine andre werden muß. Ihnen, geehrter<lb/>
Herr, danke ich das trö&#x017F;tliche Schau&#x017F;piel, und will mich des<lb/>
Danks der Erkenntlichkeit nicht &#x017F;chämen: ich muß und will<lb/>
&#x017F;ie Ihnen laut zurufen. Welche Stärkung &#x2014; ja, ein groß-<lb/>
tropfiger Mairegen auf dorr-dür&#x017F;tigem Boden &#x2014; waren mir<lb/>
ge&#x017F;tern Ihre edlen, reinen, un&#x017F;chuldigen, milden, &#x017F;tillen und<lb/>
fe&#x017F;ten Vor&#x017F;ätze! Welcher Tro&#x017F;t, welche Bürg&#x017F;chaft! Auf der<lb/>
verwirrten Erde &#x017F;olch edle Freunde zu hinterla&#x017F;&#x017F;en! Bürg&#x017F;chaft,<lb/>
daß mehrere &#x017F;o &#x017F;ich finden werden; Ihnen wieder zum Tro&#x017F;t<lb/>
und zur Nacheiferung.</p><lb/>
            <p>Auch ich bin hier unper&#x017F;önlich: meiner Per&#x017F;on kann nicht<lb/>
viel mehr durch die neu gewonnene Ein&#x017F;icht anheim fallen.<lb/>
Das weiß ich &#x017F;o gut, und be&#x017F;&#x017F;er, als ein Zwanzigjähriger,<lb/>
der mich an&#x017F;ieht. Aber Glück auf! Die alte Erde muß &#x017F;ich<lb/>
erhellen; und die kommenden Men&#x017F;chen be&#x017F;&#x017F;er und glücklicher<lb/>
&#x017F;ein. Dies Billet wird, wenn Sie&#x2019;s aufheben, mit <hi rendition="#g">der</hi> Zeit<lb/>
Werth für Sie bekommen, in der ich nicht mehr werde &#x017F;chrei-<lb/>
ben können. Adieu lieber Für&#x017F;t! Für Varnhagen i&#x017F;t&#x2019;s ein<lb/>
Geheimniß!!!</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Frühjahr, 1832.</hi> </dateline><lb/>
            <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Enseignement par le Père suprême.</hi></hi> S. 8. Un-<lb/>
gründliche, nicht tiefge&#x017F;chiedene Annahme: <hi rendition="#aq">&#x201E;Il y a des êtres<lb/>
à affections profondes etc. il y en a d&#x2019;autres à affections vives,<lb/>
rapides, passagères etc.&#x201D;</hi> Das &#x017F;ind keine Grundunter&#x017F;chiede,<lb/>
und be&#x017F;onders gar nicht &#x017F;o ge&#x017F;chiedene Anlagen bei den Men-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[557/0565] und rein erhalten vorgekommen, daß er, willig und freudig, ihm perſönliche und momentane Vortheile fahren ließe, wenn ſeine Überzeugung eine andre werden muß. Ihnen, geehrter Herr, danke ich das tröſtliche Schauſpiel, und will mich des Danks der Erkenntlichkeit nicht ſchämen: ich muß und will ſie Ihnen laut zurufen. Welche Stärkung — ja, ein groß- tropfiger Mairegen auf dorr-dürſtigem Boden — waren mir geſtern Ihre edlen, reinen, unſchuldigen, milden, ſtillen und feſten Vorſätze! Welcher Troſt, welche Bürgſchaft! Auf der verwirrten Erde ſolch edle Freunde zu hinterlaſſen! Bürgſchaft, daß mehrere ſo ſich finden werden; Ihnen wieder zum Troſt und zur Nacheiferung. Auch ich bin hier unperſönlich: meiner Perſon kann nicht viel mehr durch die neu gewonnene Einſicht anheim fallen. Das weiß ich ſo gut, und beſſer, als ein Zwanzigjähriger, der mich anſieht. Aber Glück auf! Die alte Erde muß ſich erhellen; und die kommenden Menſchen beſſer und glücklicher ſein. Dies Billet wird, wenn Sie’s aufheben, mit der Zeit Werth für Sie bekommen, in der ich nicht mehr werde ſchrei- ben können. Adieu lieber Fürſt! Für Varnhagen iſt’s ein Geheimniß!!! Frühjahr, 1832. Enseignement par le Père suprême. S. 8. Un- gründliche, nicht tiefgeſchiedene Annahme: „Il y a des êtres à affections profondes etc. il y en a d’autres à affections vives, rapides, passagères etc.” Das ſind keine Grundunterſchiede, und beſonders gar nicht ſo geſchiedene Anlagen bei den Men-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/565
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/565>, abgerufen am 26.11.2024.