Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

erlebte Mißhandlung sehr rege: daher ist es, und meine Augen,
so sehr empfindlich. -- Da haben Sie mein und meines Le-
bens Bild in großem Umriß skizzirt! Nachträglich noch, er-
warte ich Sie, und laß mir das nicht nehmen, daß Sie kom-
men! -- Sein Sie so gut, Fräulein von Winkel recht herz-
lich von mir zu grüßen! Sagen Sie ihr, sie selbst wäre mir
ein tröstlich Bild; in ihren Zimmern, mit ihren Bildern, ihrer
Harfe, ihrer Ruhe, ihrem Fleiß, ihrer Heiterkeit, und dem
Sonnenschein von schöner Sonne, und Gesundheit. Gott soll's
ihr lassen, wie ich's ihr gönne! --




"Einwilligen" das sublimste Wort! die größte Bewilli-
gung für Menschen. Durch Einsicht mit-wollen zu können,
begreift die Persönlichkeit in sich, die größte Gnadenverleihung.




Beim Lesen der Fichte'schen Staatslehre. Philosophie;
Erkenntniß der Erkenntniß der Anschauung; wie wir Gott in
der Welt nicht anschauen, sondren erkennen. Es wird immer
umgekehrt bewiesen; was wir nicht anschauen, als Anschau-
ung festzusetzen. Weder fromm noch philosophisch; aber er-
schrecklich eingebildet auf Frommheit und Philosophie. Resul-
tate kann man nicht kaufen: noch durch Güte abgelassen be-
kommen: die muß man machen.




4 *

erlebte Mißhandlung ſehr rege: daher iſt es, und meine Augen,
ſo ſehr empfindlich. — Da haben Sie mein und meines Le-
bens Bild in großem Umriß ſkizzirt! Nachträglich noch, er-
warte ich Sie, und laß mir das nicht nehmen, daß Sie kom-
men! — Sein Sie ſo gut, Fräulein von Winkel recht herz-
lich von mir zu grüßen! Sagen Sie ihr, ſie ſelbſt wäre mir
ein tröſtlich Bild; in ihren Zimmern, mit ihren Bildern, ihrer
Harfe, ihrer Ruhe, ihrem Fleiß, ihrer Heiterkeit, und dem
Sonnenſchein von ſchöner Sonne, und Geſundheit. Gott ſoll’s
ihr laſſen, wie ich’s ihr gönne! —




„Einwilligen“ das ſublimſte Wort! die größte Bewilli-
gung für Menſchen. Durch Einſicht mit-wollen zu können,
begreift die Perſönlichkeit in ſich, die größte Gnadenverleihung.




Beim Leſen der Fichte’ſchen Staatslehre. Philoſophie;
Erkenntniß der Erkenntniß der Anſchauung; wie wir Gott in
der Welt nicht anſchauen, ſondren erkennen. Es wird immer
umgekehrt bewieſen; was wir nicht anſchauen, als Anſchau-
ung feſtzuſetzen. Weder fromm noch philoſophiſch; aber er-
ſchrecklich eingebildet auf Frommheit und Philoſophie. Reſul-
tate kann man nicht kaufen: noch durch Güte abgelaſſen be-
kommen: die muß man machen.




4 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0059" n="51"/>
erlebte Mißhandlung &#x017F;ehr rege: daher i&#x017F;t es, und meine Augen,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr empfindlich. &#x2014; Da haben Sie mein und meines Le-<lb/>
bens Bild in großem Umriß &#x017F;kizzirt! Nachträglich noch, er-<lb/>
warte ich Sie, und laß mir das nicht nehmen, daß Sie kom-<lb/>
men! &#x2014; Sein Sie &#x017F;o gut, Fräulein von Winkel recht herz-<lb/>
lich von mir zu grüßen! Sagen Sie ihr, &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t wäre mir<lb/>
ein trö&#x017F;tlich Bild; in ihren Zimmern, mit ihren Bildern, ihrer<lb/>
Harfe, ihrer Ruhe, ihrem Fleiß, ihrer Heiterkeit, und dem<lb/>
Sonnen&#x017F;chein von &#x017F;chöner Sonne, und Ge&#x017F;undheit. Gott &#x017F;oll&#x2019;s<lb/>
ihr la&#x017F;&#x017F;en, wie ich&#x2019;s ihr gönne! &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 7. November 1821.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x201E;Einwilligen&#x201C; das &#x017F;ublim&#x017F;te Wort! die größte Bewilli-<lb/>
gung für Men&#x017F;chen. Durch Ein&#x017F;icht mit-wollen zu können,<lb/>
begreift die Per&#x017F;önlichkeit in &#x017F;ich, die größte Gnadenverleihung.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 12. November 1821.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Beim Le&#x017F;en der Fichte&#x2019;&#x017F;chen Staatslehre. Philo&#x017F;ophie;<lb/>
Erkenntniß der Erkenntniß der An&#x017F;chauung; wie wir Gott in<lb/>
der Welt nicht an&#x017F;chauen, &#x017F;ondren erkennen. Es wird immer<lb/>
umgekehrt bewie&#x017F;en; was wir nicht an&#x017F;chauen, als An&#x017F;chau-<lb/>
ung fe&#x017F;tzu&#x017F;etzen. Weder fromm noch philo&#x017F;ophi&#x017F;ch; aber er-<lb/>
&#x017F;chrecklich eingebildet auf Frommheit und Philo&#x017F;ophie. Re&#x017F;ul-<lb/>
tate kann man nicht kaufen: noch durch Güte abgela&#x017F;&#x017F;en be-<lb/>
kommen: die muß man machen.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">4 *</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0059] erlebte Mißhandlung ſehr rege: daher iſt es, und meine Augen, ſo ſehr empfindlich. — Da haben Sie mein und meines Le- bens Bild in großem Umriß ſkizzirt! Nachträglich noch, er- warte ich Sie, und laß mir das nicht nehmen, daß Sie kom- men! — Sein Sie ſo gut, Fräulein von Winkel recht herz- lich von mir zu grüßen! Sagen Sie ihr, ſie ſelbſt wäre mir ein tröſtlich Bild; in ihren Zimmern, mit ihren Bildern, ihrer Harfe, ihrer Ruhe, ihrem Fleiß, ihrer Heiterkeit, und dem Sonnenſchein von ſchöner Sonne, und Geſundheit. Gott ſoll’s ihr laſſen, wie ich’s ihr gönne! — Den 7. November 1821. „Einwilligen“ das ſublimſte Wort! die größte Bewilli- gung für Menſchen. Durch Einſicht mit-wollen zu können, begreift die Perſönlichkeit in ſich, die größte Gnadenverleihung. Den 12. November 1821. Beim Leſen der Fichte’ſchen Staatslehre. Philoſophie; Erkenntniß der Erkenntniß der Anſchauung; wie wir Gott in der Welt nicht anſchauen, ſondren erkennen. Es wird immer umgekehrt bewieſen; was wir nicht anſchauen, als Anſchau- ung feſtzuſetzen. Weder fromm noch philoſophiſch; aber er- ſchrecklich eingebildet auf Frommheit und Philoſophie. Reſul- tate kann man nicht kaufen: noch durch Güte abgelaſſen be- kommen: die muß man machen. 4 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/59
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/59>, abgerufen am 21.11.2024.