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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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liche Gesellschaft: und vor diesem großen Werke -- groß nur
weil es endlich erkannt wird -- steht sie jetzt stockend still:
und darum ennuyiren wir uns! Das nenn' ich ausgeholt:
weit ausgeholt! Aber so ist's: will man nahe kommen, muß
man weit ausholen, mir geht's immer so. Ich hoffe, Sie
ennuyiren sich auch. Nämlich, man wird weder erschüttert,
noch angenehm hingehalten; und muß auch dies für sich al-
lein übernehmen. Sie thun es gewiß: ich auch. Ich lese:
es fällt mir dabei etwas ein; das amüsirt mich. Ich gehe,
ist's möglich -- nur irgend einträglich -- in's Theater; sehe
wo möglich noch passable Menschen; und liebe Gedanken,
Denken und Einfälle immer mehr: ich glaube, je weniger ich
habe; sie ergötzen und stärken mich ungemein. Sie heilen
und flicken mich aus. Schreiben Sie uns also! Ohne alle
Hoffnung -- weil das überhaupt am meisten beruhigt --
vielleicht sehen wir uns doch in dem ersten oder zweiten Jahr;
lieber in Paris, als in Berlin. Für die Fürstin von Salm-
Kyrburg hab' ich wahrlich gar nichts thun können, worüber
ich noch in Reue bin! Der schwülste Sommer; Staubstra-
ßen, leere, ganz leere Stadt; fast keine Gegend; ich ohne
Pferde, ohne Muth; sehr unwohl! hat die Fürstin durch
alles dieses meinen guten Willen durchgesehen, und mich in
diesem ungünstigsten Zustand nicht ganz übersehen, so ist sie
noch klüger und besser, als ich sie hier schon fand. Sie ist
artig, klug, angenehm, voll Welt, die ihr nicht schadete: kurz,
sehr gut. -- Sein Sie gut gegen diesen Unbrief! --



liche Geſellſchaft: und vor dieſem großen Werke — groß nur
weil es endlich erkannt wird — ſteht ſie jetzt ſtockend ſtill:
und darum ennuyiren wir uns! Das nenn’ ich ausgeholt:
weit ausgeholt! Aber ſo iſt’s: will man nahe kommen, muß
man weit ausholen, mir geht’s immer ſo. Ich hoffe, Sie
ennuyiren ſich auch. Nämlich, man wird weder erſchüttert,
noch angenehm hingehalten; und muß auch dies für ſich al-
lein übernehmen. Sie thun es gewiß: ich auch. Ich leſe:
es fällt mir dabei etwas ein; das amüſirt mich. Ich gehe,
iſt’s möglich — nur irgend einträglich — in’s Theater; ſehe
wo möglich noch paſſable Menſchen; und liebe Gedanken,
Denken und Einfälle immer mehr: ich glaube, je weniger ich
habe; ſie ergötzen und ſtärken mich ungemein. Sie heilen
und flicken mich aus. Schreiben Sie uns alſo! Ohne alle
Hoffnung — weil das überhaupt am meiſten beruhigt —
vielleicht ſehen wir uns doch in dem erſten oder zweiten Jahr;
lieber in Paris, als in Berlin. Für die Fürſtin von Salm-
Kyrburg hab’ ich wahrlich gar nichts thun können, worüber
ich noch in Reue bin! Der ſchwülſte Sommer; Staubſtra-
ßen, leere, ganz leere Stadt; faſt keine Gegend; ich ohne
Pferde, ohne Muth; ſehr unwohl! hat die Fürſtin durch
alles dieſes meinen guten Willen durchgeſehen, und mich in
dieſem ungünſtigſten Zuſtand nicht ganz überſehen, ſo iſt ſie
noch klüger und beſſer, als ich ſie hier ſchon fand. Sie iſt
artig, klug, angenehm, voll Welt, die ihr nicht ſchadete: kurz,
ſehr gut. — Sein Sie gut gegen dieſen Unbrief! —



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[86/0094] liche Geſellſchaft: und vor dieſem großen Werke — groß nur weil es endlich erkannt wird — ſteht ſie jetzt ſtockend ſtill: und darum ennuyiren wir uns! Das nenn’ ich ausgeholt: weit ausgeholt! Aber ſo iſt’s: will man nahe kommen, muß man weit ausholen, mir geht’s immer ſo. Ich hoffe, Sie ennuyiren ſich auch. Nämlich, man wird weder erſchüttert, noch angenehm hingehalten; und muß auch dies für ſich al- lein übernehmen. Sie thun es gewiß: ich auch. Ich leſe: es fällt mir dabei etwas ein; das amüſirt mich. Ich gehe, iſt’s möglich — nur irgend einträglich — in’s Theater; ſehe wo möglich noch paſſable Menſchen; und liebe Gedanken, Denken und Einfälle immer mehr: ich glaube, je weniger ich habe; ſie ergötzen und ſtärken mich ungemein. Sie heilen und flicken mich aus. Schreiben Sie uns alſo! Ohne alle Hoffnung — weil das überhaupt am meiſten beruhigt — vielleicht ſehen wir uns doch in dem erſten oder zweiten Jahr; lieber in Paris, als in Berlin. Für die Fürſtin von Salm- Kyrburg hab’ ich wahrlich gar nichts thun können, worüber ich noch in Reue bin! Der ſchwülſte Sommer; Staubſtra- ßen, leere, ganz leere Stadt; faſt keine Gegend; ich ohne Pferde, ohne Muth; ſehr unwohl! hat die Fürſtin durch alles dieſes meinen guten Willen durchgeſehen, und mich in dieſem ungünſtigſten Zuſtand nicht ganz überſehen, ſo iſt ſie noch klüger und beſſer, als ich ſie hier ſchon fand. Sie iſt artig, klug, angenehm, voll Welt, die ihr nicht ſchadete: kurz, ſehr gut. — Sein Sie gut gegen dieſen Unbrief! —

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/94>, abgerufen am 24.11.2024.