Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeit sey, mir die Erziehung meiner künfti-
gen Bestimmung zu geben, und mich in die
nothwendige Lebensart einzuführen. Meine
Mutter bat ihn aber, ihr die Gesellschaft
ihrer Kinder noch nicht zu nehmen, sie wür-
de alles versäumte wieder nachholen. Ohne
daß ich den Sinn dieser Worte verstand,
ängstigten sie mich mit trauriger Ahndung,
die auch sehr bald erfüllt ward. Meine Mut-
ter ward immer ernster und trüber, und bald
auch strenger gegen uns. Anstatt unsrer ge-
wöhnlichen zierlichen leichten Kleidung gab
man uns häßliche Kleider von grobem Zeuge,
mit klösterlichem Schnitt, und das während
derselben Tage, da ich die Freude hatte,
daß man die schwarzen Vorhänge aus dem
Zimmer meiner Mutter nahm. Die hellen
Teppiche kamen nun zum Vorschein, die
prächtig vergoldeten Zierrathen glänzten mir
entgegen, ich war voller Freude über diese
Herrlichkeiten; und nun mußte ich diese Klei-
dung anlegen, die mir schon an den Mön-
chen, die ich gesehen hatte, so widerlich war.

Zeit ſey, mir die Erziehung meiner kuͤnfti-
gen Beſtimmung zu geben, und mich in die
nothwendige Lebensart einzufuͤhren. Meine
Mutter bat ihn aber, ihr die Geſellſchaft
ihrer Kinder noch nicht zu nehmen, ſie wuͤr-
de alles verſaͤumte wieder nachholen. Ohne
daß ich den Sinn dieſer Worte verſtand,
aͤngſtigten ſie mich mit trauriger Ahndung,
die auch ſehr bald erfuͤllt ward. Meine Mut-
ter ward immer ernſter und truͤber, und bald
auch ſtrenger gegen uns. Anſtatt unſrer ge-
woͤhnlichen zierlichen leichten Kleidung gab
man uns haͤßliche Kleider von grobem Zeuge,
mit kloͤſterlichem Schnitt, und das waͤhrend
derſelben Tage, da ich die Freude hatte,
daß man die ſchwarzen Vorhaͤnge aus dem
Zimmer meiner Mutter nahm. Die hellen
Teppiche kamen nun zum Vorſchein, die
praͤchtig vergoldeten Zierrathen glaͤnzten mir
entgegen, ich war voller Freude uͤber dieſe
Herrlichkeiten; und nun mußte ich dieſe Klei-
dung anlegen, die mir ſchon an den Moͤn-
chen, die ich geſehen hatte, ſo widerlich war.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0102" n="94"/>
Zeit &#x017F;ey, mir die Erziehung meiner ku&#x0364;nfti-<lb/>
gen Be&#x017F;timmung zu geben, und mich in die<lb/>
nothwendige Lebensart einzufu&#x0364;hren. Meine<lb/>
Mutter bat ihn aber, ihr die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
ihrer Kinder noch nicht zu nehmen, &#x017F;ie wu&#x0364;r-<lb/>
de alles ver&#x017F;a&#x0364;umte wieder nachholen. Ohne<lb/>
daß ich den Sinn die&#x017F;er Worte ver&#x017F;tand,<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tigten &#x017F;ie mich mit trauriger Ahndung,<lb/>
die auch &#x017F;ehr bald erfu&#x0364;llt ward. Meine Mut-<lb/>
ter ward immer ern&#x017F;ter und tru&#x0364;ber, und bald<lb/>
auch &#x017F;trenger gegen uns. An&#x017F;tatt un&#x017F;rer ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen zierlichen leichten Kleidung gab<lb/>
man uns ha&#x0364;ßliche Kleider von grobem Zeuge,<lb/>
mit klo&#x0364;&#x017F;terlichem Schnitt, und das wa&#x0364;hrend<lb/>
der&#x017F;elben Tage, da ich die Freude hatte,<lb/>
daß man die &#x017F;chwarzen Vorha&#x0364;nge aus dem<lb/>
Zimmer meiner Mutter nahm. Die hellen<lb/>
Teppiche kamen nun zum Vor&#x017F;chein, die<lb/>
pra&#x0364;chtig vergoldeten Zierrathen gla&#x0364;nzten mir<lb/>
entgegen, ich war voller Freude u&#x0364;ber die&#x017F;e<lb/>
Herrlichkeiten; und nun mußte ich die&#x017F;e Klei-<lb/>
dung anlegen, die mir &#x017F;chon an den Mo&#x0364;n-<lb/>
chen, die ich ge&#x017F;ehen hatte, &#x017F;o widerlich war.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0102] Zeit ſey, mir die Erziehung meiner kuͤnfti- gen Beſtimmung zu geben, und mich in die nothwendige Lebensart einzufuͤhren. Meine Mutter bat ihn aber, ihr die Geſellſchaft ihrer Kinder noch nicht zu nehmen, ſie wuͤr- de alles verſaͤumte wieder nachholen. Ohne daß ich den Sinn dieſer Worte verſtand, aͤngſtigten ſie mich mit trauriger Ahndung, die auch ſehr bald erfuͤllt ward. Meine Mut- ter ward immer ernſter und truͤber, und bald auch ſtrenger gegen uns. Anſtatt unſrer ge- woͤhnlichen zierlichen leichten Kleidung gab man uns haͤßliche Kleider von grobem Zeuge, mit kloͤſterlichem Schnitt, und das waͤhrend derſelben Tage, da ich die Freude hatte, daß man die ſchwarzen Vorhaͤnge aus dem Zimmer meiner Mutter nahm. Die hellen Teppiche kamen nun zum Vorſchein, die praͤchtig vergoldeten Zierrathen glaͤnzten mir entgegen, ich war voller Freude uͤber dieſe Herrlichkeiten; und nun mußte ich dieſe Klei- dung anlegen, die mir ſchon an den Moͤn- chen, die ich geſehen hatte, ſo widerlich war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/102
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/102>, abgerufen am 04.12.2024.