Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

ganz überlassen, und ich war allein mit dem
Pater. Nur an seltnen Festtagen dursten
wir zur Mutter kommen; auch fanden wir
immer weniger Trost bey ihr, sie bezeigte
uns zwar viel Liebe, besonders mir; aber
sie selbst ward täglich trüber, und den An-
dachtsübungen immer mehr hingegeben. Mein
einziger Trost war meine Schwester, die ich
aber nie sprechen konnte als im Garten, wo-
hin mich der Pater regelmäßig jeden Abend
führte, wo sie sich dann auch mit ihrer Hof-
meisterin einfand; dieß war die einzige fro-
he Stunde, die ich den ganzen Tag hatte;
und auch diese war beschränkt, denn der Pa-
ter verließ mich keinen Augenblick, und ge-
lang es uns auch, uns allein zu unterhal-
ten, so vergiengen sie unter gegenseitigen
Klagen. Das arme kleine Madchen jammer-
te besonders sehr über die haßliche Kleidung,
die ihr nicht stehen wollte, ich tröstete sie
oft, wenn ich weniger übel gelaunt war,
und einigemal versicherte ich ihr sogar als ei-
ne Prophezeyung, ich wurde es, wenn ich

ganz uͤberlaſſen, und ich war allein mit dem
Pater. Nur an ſeltnen Feſttagen durſten
wir zur Mutter kommen; auch fanden wir
immer weniger Troſt bey ihr, ſie bezeigte
uns zwar viel Liebe, beſonders mir; aber
ſie ſelbſt ward taͤglich truͤber, und den An-
dachtsuͤbungen immer mehr hingegeben. Mein
einziger Troſt war meine Schweſter, die ich
aber nie ſprechen konnte als im Garten, wo-
hin mich der Pater regelmaͤßig jeden Abend
fuͤhrte, wo ſie ſich dann auch mit ihrer Hof-
meiſterin einfand; dieß war die einzige fro-
he Stunde, die ich den ganzen Tag hatte;
und auch dieſe war beſchraͤnkt, denn der Pa-
ter verließ mich keinen Augenblick, und ge-
lang es uns auch, uns allein zu unterhal-
ten, ſo vergiengen ſie unter gegenſeitigen
Klagen. Das arme kleine Madchen jammer-
te beſonders ſehr uͤber die haßliche Kleidung,
die ihr nicht ſtehen wollte, ich troͤſtete ſie
oft, wenn ich weniger uͤbel gelaunt war,
und einigemal verſicherte ich ihr ſogar als ei-
ne Prophezeyung, ich wurde es, wenn ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="102"/>
ganz u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, und ich war allein mit dem<lb/>
Pater. Nur an &#x017F;eltnen Fe&#x017F;ttagen dur&#x017F;ten<lb/>
wir zur Mutter kommen; auch fanden wir<lb/>
immer weniger Tro&#x017F;t bey ihr, &#x017F;ie bezeigte<lb/>
uns zwar viel Liebe, be&#x017F;onders mir; aber<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t ward ta&#x0364;glich tru&#x0364;ber, und den An-<lb/>
dachtsu&#x0364;bungen immer mehr hingegeben. Mein<lb/>
einziger Tro&#x017F;t war meine Schwe&#x017F;ter, die ich<lb/>
aber nie &#x017F;prechen konnte als im Garten, wo-<lb/>
hin mich der Pater regelma&#x0364;ßig jeden Abend<lb/>
fu&#x0364;hrte, wo &#x017F;ie &#x017F;ich dann auch mit ihrer Hof-<lb/>
mei&#x017F;terin einfand; dieß war die einzige fro-<lb/>
he Stunde, die ich den ganzen Tag hatte;<lb/>
und auch die&#x017F;e war be&#x017F;chra&#x0364;nkt, denn der Pa-<lb/>
ter verließ mich keinen Augenblick, und ge-<lb/>
lang es uns auch, uns allein zu unterhal-<lb/>
ten, &#x017F;o vergiengen &#x017F;ie unter gegen&#x017F;eitigen<lb/>
Klagen. Das arme kleine Madchen jammer-<lb/>
te be&#x017F;onders &#x017F;ehr u&#x0364;ber die haßliche Kleidung,<lb/>
die ihr nicht &#x017F;tehen wollte, ich tro&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ie<lb/>
oft, wenn ich weniger u&#x0364;bel gelaunt war,<lb/>
und einigemal ver&#x017F;icherte ich ihr &#x017F;ogar als ei-<lb/>
ne Prophezeyung, ich wurde es, wenn ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0110] ganz uͤberlaſſen, und ich war allein mit dem Pater. Nur an ſeltnen Feſttagen durſten wir zur Mutter kommen; auch fanden wir immer weniger Troſt bey ihr, ſie bezeigte uns zwar viel Liebe, beſonders mir; aber ſie ſelbſt ward taͤglich truͤber, und den An- dachtsuͤbungen immer mehr hingegeben. Mein einziger Troſt war meine Schweſter, die ich aber nie ſprechen konnte als im Garten, wo- hin mich der Pater regelmaͤßig jeden Abend fuͤhrte, wo ſie ſich dann auch mit ihrer Hof- meiſterin einfand; dieß war die einzige fro- he Stunde, die ich den ganzen Tag hatte; und auch dieſe war beſchraͤnkt, denn der Pa- ter verließ mich keinen Augenblick, und ge- lang es uns auch, uns allein zu unterhal- ten, ſo vergiengen ſie unter gegenſeitigen Klagen. Das arme kleine Madchen jammer- te beſonders ſehr uͤber die haßliche Kleidung, die ihr nicht ſtehen wollte, ich troͤſtete ſie oft, wenn ich weniger uͤbel gelaunt war, und einigemal verſicherte ich ihr ſogar als ei- ne Prophezeyung, ich wurde es, wenn ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/110
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/110>, abgerufen am 09.11.2024.