Muthig trabte ein Reisender den Hü- gel herauf. Vertieft im Genuß der ihn um- gebenden Herrlichkeit und in Fantasieen, die ihn bald vor- bald rückwärts rissen, hatte er den rechten Weg verfehlt, und nun sah er sich auf einmal vor einem Walde, den er durchreiten mußte, wenn er nicht gerade wieder umkehren und zurückreiten woll- te; ein andrer Weg war nicht zu finden. Er war lange zweifelhaft.
"Jetzt wieder umkehren wäre ein unnü- tzes Stück Arbeit. Wäre ich etwa umsonst hieher gerathen? Jn diesen Wald kam ich ungefähr auf eben die Weise wie ins Leben ... wahrscheinlich habe ich im Ganzen auch des Weges verfehlt. Und wie? wenn mir auch hier wie dort die Rückkehr unmöglich wäre? ... Sey meine Reise wie mein Leben, und wie die ganze Natur, unaufhaltsam vorwärts! ... Was mir nur begegnen wird auf dieser Le- bensreise, oder diesem Reiseleben? ... Jch rühme mich ein freyer Mensch zu seyn, und dieser Sonnenschein, dieses laue Umfangen,
Muthig trabte ein Reiſender den Huͤ- gel herauf. Vertieft im Genuß der ihn um- gebenden Herrlichkeit und in Fantaſieen, die ihn bald vor- bald ruͤckwaͤrts riſſen, hatte er den rechten Weg verfehlt, und nun ſah er ſich auf einmal vor einem Walde, den er durchreiten mußte, wenn er nicht gerade wieder umkehren und zuruͤckreiten woll- te; ein andrer Weg war nicht zu finden. Er war lange zweifelhaft.
„Jetzt wieder umkehren waͤre ein unnuͤ- tzes Stuͤck Arbeit. Waͤre ich etwa umſonſt hieher gerathen? Jn dieſen Wald kam ich ungefaͤhr auf eben die Weiſe wie ins Leben … wahrſcheinlich habe ich im Ganzen auch des Weges verfehlt. Und wie? wenn mir auch hier wie dort die Ruͤckkehr unmoͤglich waͤre? … Sey meine Reiſe wie mein Leben, und wie die ganze Natur, unaufhaltſam vorwaͤrts! … Was mir nur begegnen wird auf dieſer Le- bensreiſe, oder dieſem Reiſeleben? … Jch ruͤhme mich ein freyer Menſch zu ſeyn, und dieſer Sonnenſchein, dieſes laue Umfangen,
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Muthig trabte ein Reiſender den Huͤ-
gel herauf. Vertieft im Genuß der ihn um-
gebenden Herrlichkeit und in Fantaſieen,
die ihn bald vor- bald ruͤckwaͤrts riſſen,
hatte er den rechten Weg verfehlt, und nun
ſah er ſich auf einmal vor einem Walde,
den er durchreiten mußte, wenn er nicht
gerade wieder umkehren und zuruͤckreiten woll-
te; ein andrer Weg war nicht zu finden.
Er war lange zweifelhaft.
„Jetzt wieder umkehren waͤre ein unnuͤ-
tzes Stuͤck Arbeit. Waͤre ich etwa umſonſt
hieher gerathen? Jn dieſen Wald kam ich
ungefaͤhr auf eben die Weiſe wie ins Leben …
wahrſcheinlich habe ich im Ganzen auch des
Weges verfehlt. Und wie? wenn mir auch
hier wie dort die Ruͤckkehr unmoͤglich waͤre? …
Sey meine Reiſe wie mein Leben, und wie
die ganze Natur, unaufhaltſam vorwaͤrts! …
Was mir nur begegnen wird auf dieſer Le-
bensreiſe, oder dieſem Reiſeleben? … Jch
ruͤhme mich ein freyer Menſch zu ſeyn, und
dieſer Sonnenſchein, dieſes laue Umfangen,
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/12>, abgerufen am 09.11.2024.
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