seyn müßten, da ich doch nicht das minde- ste, nicht einmal ihren Namen wußte, und sie zum ersten Mal sah.
Gewandtheit und Dreistigkeit halfen mir glücklich durch. Nach einigen kleinen Debatten erhielt ich Erlaubniß, sie den folgenden Abend an demselben Ort wieder zu sehen. Jch mußte nun zurück, ich fand meine Gefährten am be- stimmten Ort wieder, und schiffte mich mit ih- nen ein. Auf meine Erkundigung erfuhr ich von ihnen, wer meine schöne Unbekannte sey. Die Nachrichten waren gut und erfreulich. Aus einem großen Hause, vom Kloster an ei- nen Mann vermählt, der alt genug war ihr Großvater zu seyn; sie lebte größtentheils auf dem Lande, wo ihr Gemahl sie dann und wann besuchte. Sie liebte ihn nicht, war keine Fein- din der muntern Gesellschaft, ... kurz ich fand keine Ursache zu verzweifeln.
Die solgende Nacht fand ich mich wieder vor dem allerliebsten Balkon ein. Dasselbe Licht, derselbe Glanz. Jch stand nicht lange, als sie heraustrat, sie sprach freundlich mit
ſeyn muͤßten, da ich doch nicht das minde- ſte, nicht einmal ihren Namen wußte, und ſie zum erſten Mal ſah.
Gewandtheit und Dreiſtigkeit halfen mir gluͤcklich durch. Nach einigen kleinen Debatten erhielt ich Erlaubniß, ſie den folgenden Abend an demſelben Ort wieder zu ſehen. Jch mußte nun zuruͤck, ich fand meine Gefaͤhrten am be- ſtimmten Ort wieder, und ſchiffte mich mit ih- nen ein. Auf meine Erkundigung erfuhr ich von ihnen, wer meine ſchoͤne Unbekannte ſey. Die Nachrichten waren gut und erfreulich. Aus einem großen Hauſe, vom Kloſter an ei- nen Mann vermaͤhlt, der alt genug war ihr Großvater zu ſeyn; ſie lebte groͤßtentheils auf dem Lande, wo ihr Gemahl ſie dann und wann beſuchte. Sie liebte ihn nicht, war keine Fein- din der muntern Geſellſchaft, … kurz ich fand keine Urſache zu verzweifeln.
Die ſolgende Nacht fand ich mich wieder vor dem allerliebſten Balkon ein. Daſſelbe Licht, derſelbe Glanz. Jch ſtand nicht lange, als ſie heraustrat, ſie ſprach freundlich mit
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[203/0211]
ſeyn muͤßten, da ich doch nicht das minde-
ſte, nicht einmal ihren Namen wußte, und
ſie zum erſten Mal ſah.
Gewandtheit und Dreiſtigkeit halfen mir
gluͤcklich durch. Nach einigen kleinen Debatten
erhielt ich Erlaubniß, ſie den folgenden Abend
an demſelben Ort wieder zu ſehen. Jch mußte
nun zuruͤck, ich fand meine Gefaͤhrten am be-
ſtimmten Ort wieder, und ſchiffte mich mit ih-
nen ein. Auf meine Erkundigung erfuhr ich
von ihnen, wer meine ſchoͤne Unbekannte ſey.
Die Nachrichten waren gut und erfreulich.
Aus einem großen Hauſe, vom Kloſter an ei-
nen Mann vermaͤhlt, der alt genug war ihr
Großvater zu ſeyn; ſie lebte groͤßtentheils auf
dem Lande, wo ihr Gemahl ſie dann und wann
beſuchte. Sie liebte ihn nicht, war keine Fein-
din der muntern Geſellſchaft, … kurz ich fand
keine Urſache zu verzweifeln.
Die ſolgende Nacht fand ich mich wieder
vor dem allerliebſten Balkon ein. Daſſelbe
Licht, derſelbe Glanz. Jch ſtand nicht lange,
als ſie heraustrat, ſie ſprach freundlich mit
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/211>, abgerufen am 21.11.2024.
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