staunender Achtung vor ihm stehen, denn so tiefe Blicke in mein Jnneres hat niemand noch, außer Jhnen, gethan; solche Dinge hat mir noch kein Mensch sonst gesagt. Er hat mich aus den tiefsten Winkeln meines Herzens, da wo ich selbst nicht hin zu dringen wagte, her- ausgefunden. Es war beynah zu hart, mein Stolz empörte sich endlich gegen seine Beschul- digungen. "Sie kennen freylich meine Schwä- chen," sagte ich ihm, "aber Sie wissen doch nicht, was ich zu thun im Stande bin." -- Das glaube ich, sagte er; wenn Sie das nur in der That thun wollten, was Sie zu thun im Stande sind; wenn Sie nur nicht das, was Sie sind, verläugnen, um wie die andern zu scheinen. -- Drauf sprach er noch viel über Eduard und mich; so süß tröstete er mich nun, sprach mir so beredt, als ob er für sich selbst spräche, von Eduards inniger Liebe, wußte mir so fein alle seine Feinheiten herzu- zählen -- Jch konnte nicht länger sorgen, alle meine Bangigkeit war fast verschwunden bey seinem freundlichen Trost. Nur vergessen Sie
ſtaunender Achtung vor ihm ſtehen, denn ſo tiefe Blicke in mein Jnneres hat niemand noch, außer Jhnen, gethan; ſolche Dinge hat mir noch kein Menſch ſonſt geſagt. Er hat mich aus den tiefſten Winkeln meines Herzens, da wo ich ſelbſt nicht hin zu dringen wagte, her- ausgefunden. Es war beynah zu hart, mein Stolz empoͤrte ſich endlich gegen ſeine Beſchul- digungen. „Sie kennen freylich meine Schwaͤ- chen,‟ ſagte ich ihm, „aber Sie wiſſen doch nicht, was ich zu thun im Stande bin.‟ — Das glaube ich, ſagte er; wenn Sie das nur in der That thun wollten, was Sie zu thun im Stande ſind; wenn Sie nur nicht das, was Sie ſind, verlaͤugnen, um wie die andern zu ſcheinen. — Drauf ſprach er noch viel uͤber Eduard und mich; ſo ſuͤß troͤſtete er mich nun, ſprach mir ſo beredt, als ob er fuͤr ſich ſelbſt ſpraͤche, von Eduards inniger Liebe, wußte mir ſo fein alle ſeine Feinheiten herzu- zaͤhlen — Jch konnte nicht laͤnger ſorgen, alle meine Bangigkeit war faſt verſchwunden bey ſeinem freundlichen Troſt. Nur vergeſſen Sie
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ſtaunender Achtung vor ihm ſtehen, denn ſo
tiefe Blicke in mein Jnneres hat niemand
noch, außer Jhnen, gethan; ſolche Dinge hat
mir noch kein Menſch ſonſt geſagt. Er hat
mich aus den tiefſten Winkeln meines Herzens,
da wo ich ſelbſt nicht hin zu dringen wagte, her-
ausgefunden. Es war beynah zu hart, mein
Stolz empoͤrte ſich endlich gegen ſeine Beſchul-
digungen. „Sie kennen freylich meine Schwaͤ-
chen,‟ ſagte ich ihm, „aber Sie wiſſen doch
nicht, was ich zu thun im Stande bin.‟ —
Das glaube ich, ſagte er; wenn Sie das nur
in der That thun wollten, was Sie zu thun
im Stande ſind; wenn Sie nur nicht das,
was Sie ſind, verlaͤugnen, um wie die andern
zu ſcheinen. — Drauf ſprach er noch viel
uͤber Eduard und mich; ſo ſuͤß troͤſtete er mich
nun, ſprach mir ſo beredt, als ob er fuͤr ſich
ſelbſt ſpraͤche, von Eduards inniger Liebe,
wußte mir ſo fein alle ſeine Feinheiten herzu-
zaͤhlen — Jch konnte nicht laͤnger ſorgen, alle
meine Bangigkeit war faſt verſchwunden bey
ſeinem freundlichen Troſt. Nur vergeſſen Sie
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/291>, abgerufen am 24.11.2024.
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