Sie rauben sie uns nicht, lieber Eduard! -- Mögt Jhr beyden das höchste Glück jedes das seine im andern finden, sagte der Graf, indem er sie umarmte, Jhr seyd mein kostbarstes Kleinod. Gott verleihe Euch seinen reichsten Seegen in dem meinigen! -- Die Rede des Grafen schien erst bestimmt zu seyn, noch meh- reres zu enthalten, er brach aber mitten darina ab, und sah nach seiner Uhr mit einiger Be- denklichkeit. Jch hätte sehr gewünscht, fing er wieder an, noch einige Zeit in diesem ver- traulichen Kreise zu verweilen, aber ich sehe so eben, daß wir keine Zeit mehr zu versäu- men haben: Juliane, Du mußt an Deine Toilette denken, wir müssen uns ja noch alle umkleiden. -- Bleibt die Gräfin Juliane nicht so, wie sie da ist? fragte Florentin; das wer- den wir bedauren müssen; sie ist so schön in diesem Anzuge, daß keine Veränderung vor- theilhaft für sie seyn kann. Es ist wahr, sagte der Graf, aber hier darf nicht die Rede von der Schönheit der Kleidung seyn, sondern von der Schicklichkeit. Jn dieser kann sie nicht öf-
Sie rauben ſie uns nicht, lieber Eduard! — Moͤgt Jhr beyden das hoͤchſte Gluͤck jedes das ſeine im andern finden, ſagte der Graf, indem er ſie umarmte, Jhr ſeyd mein koſtbarſtes Kleinod. Gott verleihe Euch ſeinen reichſten Seegen in dem meinigen! — Die Rede des Grafen ſchien erſt beſtimmt zu ſeyn, noch meh- reres zu enthalten, er brach aber mitten darina ab, und ſah nach ſeiner Uhr mit einiger Be- denklichkeit. Jch haͤtte ſehr gewuͤnſcht, fing er wieder an, noch einige Zeit in dieſem ver- traulichen Kreiſe zu verweilen, aber ich ſehe ſo eben, daß wir keine Zeit mehr zu verſaͤu- men haben: Juliane, Du mußt an Deine Toilette denken, wir muͤſſen uns ja noch alle umkleiden. — Bleibt die Graͤfin Juliane nicht ſo, wie ſie da iſt? fragte Florentin; das wer- den wir bedauren muͤſſen; ſie iſt ſo ſchoͤn in dieſem Anzuge, daß keine Veraͤnderung vor- theilhaft fuͤr ſie ſeyn kann. Es iſt wahr, ſagte der Graf, aber hier darf nicht die Rede von der Schoͤnheit der Kleidung ſeyn, ſondern von der Schicklichkeit. Jn dieſer kann ſie nicht oͤf-
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Sie rauben ſie uns nicht, lieber Eduard! —
Moͤgt Jhr beyden das hoͤchſte Gluͤck jedes das
ſeine im andern finden, ſagte der Graf, indem
er ſie umarmte, Jhr ſeyd mein koſtbarſtes
Kleinod. Gott verleihe Euch ſeinen reichſten
Seegen in dem meinigen! — Die Rede des
Grafen ſchien erſt beſtimmt zu ſeyn, noch meh-
reres zu enthalten, er brach aber mitten darina
ab, und ſah nach ſeiner Uhr mit einiger Be-
denklichkeit. Jch haͤtte ſehr gewuͤnſcht, fing
er wieder an, noch einige Zeit in dieſem ver-
traulichen Kreiſe zu verweilen, aber ich ſehe
ſo eben, daß wir keine Zeit mehr zu verſaͤu-
men haben: Juliane, Du mußt an Deine
Toilette denken, wir muͤſſen uns ja noch alle
umkleiden. — Bleibt die Graͤfin Juliane nicht
ſo, wie ſie da iſt? fragte Florentin; das wer-
den wir bedauren muͤſſen; ſie iſt ſo ſchoͤn in
dieſem Anzuge, daß keine Veraͤnderung vor-
theilhaft fuͤr ſie ſeyn kann. Es iſt wahr, ſagte
der Graf, aber hier darf nicht die Rede von
der Schoͤnheit der Kleidung ſeyn, ſondern von
der Schicklichkeit. Jn dieſer kann ſie nicht oͤf-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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